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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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len bei der einsamen Wina. Er erschrack genug
-- wurde scham- und freudenroth -- gieng lei¬
ser auf- und ab -- hörte jezt Wina auch auf
und niedergehen -- der Vorsaz trieb immer mehr
Wurzeln, und Blüthen zugleich -- nach einer
Stunde Streit und Gluth war das Wagstück
seiner Erscheinung und alle zartesten Entschuldi¬
gungen derselben fest beschlossen und abgemacht:
als er den General kommen und sich rufen hör¬
te. Er riegelte mit dem Hut-Stock in der
Hand, seine Wandthüre auf, "diese ist zu,
Freund!" rief der General, und er gieng, den
Misgriff nachfühlend, erst aus seiner durch die
fremde ein.

Blühend von Träumen trat er ins helle
Zimmer; halb geblendet sah er die weisse schlan¬
ke Wina mit dem leichten weissen Hute, wie ei¬
ne Blumengöttin neben dem schönen Bacchus
stehen.

Der leztere hatte ein heiteres Feuer in jeder
Mine. Die Tochter sah ihn unaufhörlich vor
Freude über die seinige an. Bediente musten ihm
auf Flügeln das Essen bringen. Der Notar

len bei der einſamen Wina. Er erſchrack genug
— wurde ſcham- und freudenroth — gieng lei¬
ſer auf- und ab — hoͤrte jezt Wina auch auf
und niedergehen — der Vorſaz trieb immer mehr
Wurzeln, und Bluͤthen zugleich — nach einer
Stunde Streit und Gluth war das Wagſtuͤck
ſeiner Erſcheinung und alle zarteſten Entſchuldi¬
gungen derſelben feſt beſchloſſen und abgemacht:
als er den General kommen und ſich rufen hoͤr¬
te. Er riegelte mit dem Hut-Stock in der
Hand, ſeine Wandthuͤre auf, „dieſe iſt zu,
Freund!“ rief der General, und er gieng, den
Misgriff nachfuͤhlend, erſt aus ſeiner durch die
fremde ein.

Bluͤhend von Traͤumen trat er ins helle
Zimmer; halb geblendet ſah er die weiſſe ſchlan¬
ke Wina mit dem leichten weiſſen Hute, wie ei¬
ne Blumengoͤttin neben dem ſchoͤnen Bacchus
ſtehen.

Der leztere hatte ein heiteres Feuer in jeder
Mine. Die Tochter ſah ihn unaufhoͤrlich vor
Freude uͤber die ſeinige an. Bediente muſten ihm
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[173/0181] len bei der einſamen Wina. Er erſchrack genug — wurde ſcham- und freudenroth — gieng lei¬ ſer auf- und ab — hoͤrte jezt Wina auch auf und niedergehen — der Vorſaz trieb immer mehr Wurzeln, und Bluͤthen zugleich — nach einer Stunde Streit und Gluth war das Wagſtuͤck ſeiner Erſcheinung und alle zarteſten Entſchuldi¬ gungen derſelben feſt beſchloſſen und abgemacht: als er den General kommen und ſich rufen hoͤr¬ te. Er riegelte mit dem Hut-Stock in der Hand, ſeine Wandthuͤre auf, „dieſe iſt zu, Freund!“ rief der General, und er gieng, den Misgriff nachfuͤhlend, erſt aus ſeiner durch die fremde ein. Bluͤhend von Traͤumen trat er ins helle Zimmer; halb geblendet ſah er die weiſſe ſchlan¬ ke Wina mit dem leichten weiſſen Hute, wie ei¬ ne Blumengoͤttin neben dem ſchoͤnen Bacchus ſtehen. Der leztere hatte ein heiteres Feuer in jeder Mine. Die Tochter ſah ihn unaufhoͤrlich vor Freude uͤber die ſeinige an. Bediente muſten ihm auf Fluͤgeln das Eſſen bringen. Der Notar

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/181>, abgerufen am 24.11.2024.