Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

erstenmal in seinem Leben, um sogleich ein Herr
zu sein und, wenn er eine Flasche Wein sich
bringen lassen, nun die süßquellende Gegenwart
gehend auszuschlürfen, und überhaupt einen
Abend zu erleben, wie irgend ein Troubadour
ihn genossen. Troubadours, sagt' er sich, in¬
dem er trank, übernachteten oft in sehr vergol¬
deten Zimmern der Höfe, -- den Tag vorher
vielleicht in einer Moos- und Strohhütte -- wie
Töne durchdrangen sie hohe und dicke Mauern --
und dann pflegten sie sich darin noch die schön¬
ste Dame von Stand zu aufrichtiger Liebe aus¬
zulesen und, gleich Petrarka, solche in ewiger
Dichtung und Treue gar nie selber zu begehren"
-- sezt' er dazu und sah an die Wand des --
Generals.

Zablocki's Zimmer war seinem durch eine
zweimal verriegelte Wand- und Transito-Thüre
versperrt und verknüpft. Er konnte gehend --
denn stehend zuzuhören, hielt er für Unrecht --
auspacken und jedes heftige Wort des Vaters
an Bediente, und den süssen Ton, worein Wina
sie, wie eine Aeolsharfe den Sturmwind, auf

erſtenmal in ſeinem Leben, um ſogleich ein Herr
zu ſein und, wenn er eine Flaſche Wein ſich
bringen laſſen, nun die ſuͤßquellende Gegenwart
gehend auszuſchluͤrfen, und uͤberhaupt einen
Abend zu erleben, wie irgend ein Troubadour
ihn genoſſen. Troubadours, ſagt' er ſich, in¬
dem er trank, uͤbernachteten oft in ſehr vergol¬
deten Zimmern der Hoͤfe, — den Tag vorher
vielleicht in einer Moos- und Strohhuͤtte — wie
Toͤne durchdrangen ſie hohe und dicke Mauern —
und dann pflegten ſie ſich darin noch die ſchoͤn¬
ſte Dame von Stand zu aufrichtiger Liebe aus¬
zuleſen und, gleich Petrarka, ſolche in ewiger
Dichtung und Treue gar nie ſelber zu begehren“
— ſezt' er dazu und ſah an die Wand des —
Generals.

Zablocki's Zimmer war ſeinem durch eine
zweimal verriegelte Wand- und Tranſito-Thuͤre
verſperrt und verknuͤpft. Er konnte gehend —
denn ſtehend zuzuhoͤren, hielt er fuͤr Unrecht —
auspacken und jedes heftige Wort des Vaters
an Bediente, und den ſuͤſſen Ton, worein Wina
ſie, wie eine Aeolsharfe den Sturmwind, auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="168"/>
er&#x017F;tenmal in &#x017F;einem Leben, um &#x017F;ogleich ein Herr<lb/>
zu &#x017F;ein und, wenn er eine Fla&#x017F;che Wein &#x017F;ich<lb/>
bringen la&#x017F;&#x017F;en, nun die &#x017F;u&#x0364;ßquellende Gegenwart<lb/>
gehend auszu&#x017F;chlu&#x0364;rfen, und u&#x0364;berhaupt einen<lb/>
Abend zu erleben, wie irgend ein Troubadour<lb/>
ihn geno&#x017F;&#x017F;en. Troubadours, &#x017F;agt' er &#x017F;ich, in¬<lb/>
dem er trank, u&#x0364;bernachteten oft in &#x017F;ehr vergol¬<lb/>
deten Zimmern der Ho&#x0364;fe, &#x2014; den Tag vorher<lb/>
vielleicht in einer Moos- und Strohhu&#x0364;tte &#x2014; wie<lb/>
To&#x0364;ne durchdrangen &#x017F;ie hohe und dicke Mauern &#x2014;<lb/>
und dann pflegten &#x017F;ie &#x017F;ich darin noch die &#x017F;cho&#x0364;<lb/>
&#x017F;te Dame von Stand zu aufrichtiger Liebe aus¬<lb/>
zule&#x017F;en und, gleich Petrarka, &#x017F;olche in ewiger<lb/>
Dichtung und Treue gar nie &#x017F;elber zu begehren&#x201C;<lb/>
&#x2014; &#x017F;ezt' er dazu und &#x017F;ah an die Wand des &#x2014;<lb/>
Generals.</p><lb/>
        <p>Zablocki's Zimmer war &#x017F;einem durch eine<lb/>
zweimal verriegelte Wand- und Tran&#x017F;ito-Thu&#x0364;re<lb/>
ver&#x017F;perrt und verknu&#x0364;pft. Er konnte gehend &#x2014;<lb/>
denn &#x017F;tehend zuzuho&#x0364;ren, hielt er fu&#x0364;r Unrecht &#x2014;<lb/>
auspacken und jedes heftige Wort des Vaters<lb/>
an Bediente, und den &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Ton, worein Wina<lb/>
&#x017F;ie, wie eine Aeolsharfe den Sturmwind, auf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0176] erſtenmal in ſeinem Leben, um ſogleich ein Herr zu ſein und, wenn er eine Flaſche Wein ſich bringen laſſen, nun die ſuͤßquellende Gegenwart gehend auszuſchluͤrfen, und uͤberhaupt einen Abend zu erleben, wie irgend ein Troubadour ihn genoſſen. Troubadours, ſagt' er ſich, in¬ dem er trank, uͤbernachteten oft in ſehr vergol¬ deten Zimmern der Hoͤfe, — den Tag vorher vielleicht in einer Moos- und Strohhuͤtte — wie Toͤne durchdrangen ſie hohe und dicke Mauern — und dann pflegten ſie ſich darin noch die ſchoͤn¬ ſte Dame von Stand zu aufrichtiger Liebe aus¬ zuleſen und, gleich Petrarka, ſolche in ewiger Dichtung und Treue gar nie ſelber zu begehren“ — ſezt' er dazu und ſah an die Wand des — Generals. Zablocki's Zimmer war ſeinem durch eine zweimal verriegelte Wand- und Tranſito-Thuͤre verſperrt und verknuͤpft. Er konnte gehend — denn ſtehend zuzuhoͤren, hielt er fuͤr Unrecht — auspacken und jedes heftige Wort des Vaters an Bediente, und den ſuͤſſen Ton, worein Wina ſie, wie eine Aeolsharfe den Sturmwind, auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/176
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/176>, abgerufen am 24.11.2024.