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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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und Handelszweige treibt. Freilich -- so wie
dem Pater Hardouin die Münzen der Alten mehr
historische Glaubwürdigkeit hatten, als alles
Schriftliche derselben, -- so kann der abwägende
Kaufmann Adels-Pergament und sonstige Ehren-
Punktierkunst nie so hoch stellen, als dessen Münzen,
insofern er von fremder Zuverlässigkeit sprechen soll.

Schon die Anfurth des Ehrentages fand
der Notar viel lustiger und leichter als er nur
hoffen wollen; denn er bemerkte bald, daß er
nicht bemerkt wurde, sondern sich auf jeden Sei¬
denstuhl sezen konnte, und ihn zum Weberstuhl
seiner Träume machen. Noch hatte er nichts vom
Grafen, noch vom Wiegenfest, und den beiden
Töchtern gesehen -- als endlich Klothar, der
Eskönig, zu seiner Freude blühend hereintrat,
obwohl in Stiefeln und Ueberrock, als hab' er
sich mehr auf parlamentarische Wollen-Säcke
zu sezen als auf seidne Agenten-Stühle. "Hr.
Hofagent, sagt' er ohne die Versammlung zu
prüfen, wenn Sie wollen, mich hungert ver¬
dammt." Der Hofagent befahl Suppe und
Töchter; denn er schäzte den Grafen längst und

und Handelszweige treibt. Freilich — ſo wie
dem Pater Hardouin die Muͤnzen der Alten mehr
hiſtoriſche Glaubwuͤrdigkeit hatten, als alles
Schriftliche derſelben, — ſo kann der abwaͤgende
Kaufmann Adels-Pergament und ſonſtige Ehren-
Punktierkunſt nie ſo hoch ſtellen, als deſſen Muͤnzen,
inſofern er von fremder Zuverlaͤſſigkeit ſprechen ſoll.

Schon die Anfurth des Ehrentages fand
der Notar viel luſtiger und leichter als er nur
hoffen wollen; denn er bemerkte bald, daß er
nicht bemerkt wurde, ſondern ſich auf jeden Sei¬
denſtuhl ſezen konnte, und ihn zum Weberſtuhl
ſeiner Traͤume machen. Noch hatte er nichts vom
Grafen, noch vom Wiegenfeſt, und den beiden
Toͤchtern geſehen — als endlich Klothar, der
Eskoͤnig, zu ſeiner Freude bluͤhend hereintrat,
obwohl in Stiefeln und Ueberrock, als hab' er
ſich mehr auf parlamentariſche Wollen-Saͤcke
zu ſezen als auf ſeidne Agenten-Stuͤhle. „Hr.
Hofagent, ſagt' er ohne die Verſammlung zu
pruͤfen, wenn Sie wollen, mich hungert ver¬
dammt.” Der Hofagent befahl Suppe und
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[64/0072] und Handelszweige treibt. Freilich — ſo wie dem Pater Hardouin die Muͤnzen der Alten mehr hiſtoriſche Glaubwuͤrdigkeit hatten, als alles Schriftliche derſelben, — ſo kann der abwaͤgende Kaufmann Adels-Pergament und ſonſtige Ehren- Punktierkunſt nie ſo hoch ſtellen, als deſſen Muͤnzen, inſofern er von fremder Zuverlaͤſſigkeit ſprechen ſoll. Schon die Anfurth des Ehrentages fand der Notar viel luſtiger und leichter als er nur hoffen wollen; denn er bemerkte bald, daß er nicht bemerkt wurde, ſondern ſich auf jeden Sei¬ denſtuhl ſezen konnte, und ihn zum Weberſtuhl ſeiner Traͤume machen. Noch hatte er nichts vom Grafen, noch vom Wiegenfeſt, und den beiden Toͤchtern geſehen — als endlich Klothar, der Eskoͤnig, zu ſeiner Freude bluͤhend hereintrat, obwohl in Stiefeln und Ueberrock, als hab' er ſich mehr auf parlamentariſche Wollen-Saͤcke zu ſezen als auf ſeidne Agenten-Stuͤhle. „Hr. Hofagent, ſagt' er ohne die Verſammlung zu pruͤfen, wenn Sie wollen, mich hungert ver¬ dammt.” Der Hofagent befahl Suppe und Toͤchter; denn er ſchaͤzte den Grafen laͤngſt und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/72>, abgerufen am 25.11.2024.