Begegnen. Alle Fenster der Villa standen offen, aber kein Kopf darinn. Der Gärtner, der ihn für einen Gartenfreund nahm, gieng ihm nach der Sitte mit einem Blumenstraus in der Hoff¬ nung entgegen, er werde diese Gärtners-Blumen- Schwabacher und Fernschreiberei lesen können, und ihm dafür ein paar Groschen schencken. Der Notar weigerte sich höflich vor dem blühenden Geschenke, nahm es endlich mit den dankbar¬ sten Minen an, und drückte den aufrichtigsten Dank noch mündlich vor dem Gärtner aus, der sich mit den finstersten überwebte, weil er keinen Heller bekam. Seelig strich der Notar durch die Gänge, in die dunkeln Busch-Nischen, an be¬ titelte Felsen und Mauern, vor grüne Bänke der Aussichten -- und überall flog ihm ein Blu¬ menkranz auf den Kopf oder ein Sommervogel ans Herz, nähmlich wahre Freuden, weil er überall ein Beet erblickte, woraus, wie er dachte, sein künftiger Freund sich einige Blumen oder Früchte des schnellen Lebens-Frühlings ausge¬ zogen. "Der edle Jüngling kann -- sagte Gott¬ walt an den verschiedenen Pläzen -- wohl auf
Begegnen. Alle Fenſter der Villa ſtanden offen, aber kein Kopf darinn. Der Gaͤrtner, der ihn fuͤr einen Gartenfreund nahm, gieng ihm nach der Sitte mit einem Blumenſtraus in der Hoff¬ nung entgegen, er werde dieſe Gaͤrtners-Blumen- Schwabacher und Fernſchreiberei leſen koͤnnen, und ihm dafuͤr ein paar Groſchen ſchencken. Der Notar weigerte ſich hoͤflich vor dem bluͤhenden Geſchenke, nahm es endlich mit den dankbar¬ ſten Minen an, und druͤckte den aufrichtigſten Dank noch muͤndlich vor dem Gaͤrtner aus, der ſich mit den finſterſten uͤberwebte, weil er keinen Heller bekam. Seelig ſtrich der Notar durch die Gaͤnge, in die dunkeln Buſch-Niſchen, an be¬ titelte Felſen und Mauern, vor gruͤne Baͤnke der Ausſichten — und uͤberall flog ihm ein Blu¬ menkranz auf den Kopf oder ein Sommervogel ans Herz, naͤhmlich wahre Freuden, weil er uͤberall ein Beet erblickte, woraus, wie er dachte, ſein kuͤnftiger Freund ſich einige Blumen oder Fruͤchte des ſchnellen Lebens-Fruͤhlings ausge¬ zogen. „Der edle Juͤngling kann — ſagte Gott¬ walt an den verſchiedenen Plaͤzen — wohl auf
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Begegnen. Alle Fenſter der Villa ſtanden offen,
aber kein Kopf darinn. Der Gaͤrtner, der ihn
fuͤr einen Gartenfreund nahm, gieng ihm nach
der Sitte mit einem Blumenſtraus in der Hoff¬
nung entgegen, er werde dieſe Gaͤrtners-Blumen-
Schwabacher und Fernſchreiberei leſen koͤnnen,
und ihm dafuͤr ein paar Groſchen ſchencken. Der
Notar weigerte ſich hoͤflich vor dem bluͤhenden
Geſchenke, nahm es endlich mit den dankbar¬
ſten Minen an, und druͤckte den aufrichtigſten
Dank noch muͤndlich vor dem Gaͤrtner aus, der
ſich mit den finſterſten uͤberwebte, weil er keinen
Heller bekam. Seelig ſtrich der Notar durch die
Gaͤnge, in die dunkeln Buſch-Niſchen, an be¬
titelte Felſen und Mauern, vor gruͤne Baͤnke
der Ausſichten — und uͤberall flog ihm ein Blu¬
menkranz auf den Kopf oder ein Sommervogel
ans Herz, naͤhmlich wahre Freuden, weil er
uͤberall ein Beet erblickte, woraus, wie er dachte,
ſein kuͤnftiger Freund ſich einige Blumen oder
Fruͤchte des ſchnellen Lebens-Fruͤhlings ausge¬
zogen. „Der edle Juͤngling kann — ſagte Gott¬
walt an den verſchiedenen Plaͤzen — wohl auf
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/34>, abgerufen am 07.07.2024.
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