Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Wolken laufen, die Vögel fliegen darzwischen
auf und ab, Handwerkspursche wandern leicht
mit ihren Bündeln und brauchen keine Arbeit.
Sogar im Regenwetter steht man sehr gern draus¬
sen und riecht die Erquickung, und es schadet
den Viehhirten weiter nichts, die Nässe. Und
ists Nacht, so sizt man nur in einem kühlern
Schatten, von wo aus man den Tag deutlich
sieht am nördlichen Horizont, und an den süs¬
sen warmen Himmels-Sternen. Wohin ich nur
blicke, so find' ich mein liebes Blau, am Flachs
in der Blüthe, an den Kornblumen und am gött¬
lichen unendlichen Himmel, in den ich gleich
hineinspringen möchte wie in eine Fluth. --
Kommt man nun wieder nach Hause, so findet
sich in der That frische Wonne. Die Gasse ist eine
wahre Kinder-Stube, sogar Abends nach dem
Essen werden die Kleinen, ob sie gleich sehr we¬
nig anhaben, wieder ins Freie gelassen, und
nicht wie im Winter unter die Bett-Decke ge¬
jagt. Man isset am Tage und weis kaum, wo
der Leuchter steht. Im Schlafzimmer sind die
Fenster Tag und Nacht offen, auch die meisten

Wolken laufen, die Voͤgel fliegen darzwiſchen
auf und ab, Handwerkspurſche wandern leicht
mit ihren Buͤndeln und brauchen keine Arbeit.
Sogar im Regenwetter ſteht man ſehr gern drauſ¬
ſen und riecht die Erquickung, und es ſchadet
den Viehhirten weiter nichts, die Naͤſſe. Und
iſts Nacht, ſo ſizt man nur in einem kuͤhlern
Schatten, von wo aus man den Tag deutlich
ſieht am noͤrdlichen Horizont, und an den ſuͤſ¬
ſen warmen Himmels-Sternen. Wohin ich nur
blicke, ſo find' ich mein liebes Blau, am Flachs
in der Bluͤthe, an den Kornblumen und am goͤtt¬
lichen unendlichen Himmel, in den ich gleich
hineinſpringen moͤchte wie in eine Fluth. —
Kommt man nun wieder nach Hauſe, ſo findet
ſich in der That friſche Wonne. Die Gaſſe iſt eine
wahre Kinder-Stube, ſogar Abends nach dem
Eſſen werden die Kleinen, ob ſie gleich ſehr we¬
nig anhaben, wieder ins Freie gelaſſen, und
nicht wie im Winter unter die Bett-Decke ge¬
jagt. Man iſſet am Tage und weis kaum, wo
der Leuchter ſteht. Im Schlafzimmer ſind die
Fenſter Tag und Nacht offen, auch die meiſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="23"/>
Wolken laufen, die Vo&#x0364;gel fliegen darzwi&#x017F;chen<lb/>
auf und ab, Handwerkspur&#x017F;che wandern leicht<lb/>
mit ihren Bu&#x0364;ndeln und brauchen keine Arbeit.<lb/>
Sogar im Regenwetter &#x017F;teht man &#x017F;ehr gern drau&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en und riecht die Erquickung, und es &#x017F;chadet<lb/>
den Viehhirten weiter nichts, die Na&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Und<lb/>
i&#x017F;ts Nacht, &#x017F;o &#x017F;izt man nur in einem ku&#x0364;hlern<lb/>
Schatten, von wo aus man den Tag deutlich<lb/>
&#x017F;ieht am no&#x0364;rdlichen Horizont, und an den &#x017F;u&#x0364;&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en warmen Himmels-Sternen. Wohin ich nur<lb/>
blicke, &#x017F;o find' ich mein liebes Blau, am Flachs<lb/>
in der Blu&#x0364;the, an den Kornblumen und am go&#x0364;tt¬<lb/>
lichen unendlichen Himmel, in den ich gleich<lb/>
hinein&#x017F;pringen mo&#x0364;chte wie in eine Fluth. &#x2014;<lb/>
Kommt man nun wieder nach Hau&#x017F;e, &#x017F;o findet<lb/>
&#x017F;ich in der That fri&#x017F;che Wonne. Die Ga&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t eine<lb/>
wahre Kinder-Stube, &#x017F;ogar Abends nach dem<lb/>
E&#x017F;&#x017F;en werden die Kleinen, ob &#x017F;ie gleich &#x017F;ehr we¬<lb/>
nig anhaben, wieder ins Freie gela&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
nicht wie im Winter unter die Bett-Decke ge¬<lb/>
jagt. Man i&#x017F;&#x017F;et am Tage und weis kaum, wo<lb/>
der Leuchter &#x017F;teht. Im Schlafzimmer &#x017F;ind die<lb/>
Fen&#x017F;ter Tag und Nacht offen, auch die mei&#x017F;ten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] Wolken laufen, die Voͤgel fliegen darzwiſchen auf und ab, Handwerkspurſche wandern leicht mit ihren Buͤndeln und brauchen keine Arbeit. Sogar im Regenwetter ſteht man ſehr gern drauſ¬ ſen und riecht die Erquickung, und es ſchadet den Viehhirten weiter nichts, die Naͤſſe. Und iſts Nacht, ſo ſizt man nur in einem kuͤhlern Schatten, von wo aus man den Tag deutlich ſieht am noͤrdlichen Horizont, und an den ſuͤſ¬ ſen warmen Himmels-Sternen. Wohin ich nur blicke, ſo find' ich mein liebes Blau, am Flachs in der Bluͤthe, an den Kornblumen und am goͤtt¬ lichen unendlichen Himmel, in den ich gleich hineinſpringen moͤchte wie in eine Fluth. — Kommt man nun wieder nach Hauſe, ſo findet ſich in der That friſche Wonne. Die Gaſſe iſt eine wahre Kinder-Stube, ſogar Abends nach dem Eſſen werden die Kleinen, ob ſie gleich ſehr we¬ nig anhaben, wieder ins Freie gelaſſen, und nicht wie im Winter unter die Bett-Decke ge¬ jagt. Man iſſet am Tage und weis kaum, wo der Leuchter ſteht. Im Schlafzimmer ſind die Fenſter Tag und Nacht offen, auch die meiſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/31
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/31>, abgerufen am 22.11.2024.