schenliebe an ihm nennst, nur Anekdotenliebe ist. Schon im gelehrten Deutschland gelten keine Wasser für tiefe als die flach breiten, vol¬ lends aber im geadelten; nur breite lange Ge¬ schichte wollte der General von dir aus Lang¬ weile, wenn er sie auch schon wuste. Freund, wir Bücher-Menschen -- so täglich, so stünd¬ lich in Konversazion mit den größten belebtesten Männern aus der gedruckten Vorwelt, und zwar wieder über die grösten Weltbegebenheiten -- wir stellen uns freilich den Hunds-Ennui der Gros¬ sen nicht vor, die weiter nichts haben, als was sie hören und essen bei Tafel. Gott danken sie auf Knien, wenn sie irgend eine Anekdote erzählen hören, die sie schon erzählen hörten; -- aber ich weiß nicht, was du dazu sagst?"
"Ueber Sachen, versezte Walt, kann man leicht die fremde Meinung borgen und glauben, aber nicht über Personen. Wenn die ganze Welt gegen dich spräche: müst' ich wohl eher ihr als mir glauben?"
"Natürlich, sagte Vult. Was Wina an¬ langt, so ists mir ganz lieb, daß sie ihre wei¬
ſchenliebe an ihm nennſt, nur Anekdotenliebe iſt. Schon im gelehrten Deutſchland gelten keine Waſſer fuͤr tiefe als die flach breiten, vol¬ lends aber im geadelten; nur breite lange Ge¬ ſchichte wollte der General von dir aus Lang¬ weile, wenn er ſie auch ſchon wuſte. Freund, wir Buͤcher-Menſchen — ſo taͤglich, ſo ſtuͤnd¬ lich in Konverſazion mit den groͤßten belebteſten Maͤnnern aus der gedruckten Vorwelt, und zwar wieder uͤber die groͤſten Weltbegebenheiten — wir ſtellen uns freilich den Hunds-Ennui der Groſ¬ ſen nicht vor, die weiter nichts haben, als was ſie hoͤren und eſſen bei Tafel. Gott danken ſie auf Knien, wenn ſie irgend eine Anekdote erzaͤhlen hoͤren, die ſie ſchon erzaͤhlen hoͤrten; — aber ich weiß nicht, was du dazu ſagſt?“
„Ueber Sachen, verſezte Walt, kann man leicht die fremde Meinung borgen und glauben, aber nicht uͤber Perſonen. Wenn die ganze Welt gegen dich ſpraͤche: muͤſt' ich wohl eher ihr als mir glauben?“
„Natuͤrlich, ſagte Vult. Was Wina an¬ langt, ſo iſts mir ganz lieb, daß ſie ihre wei¬
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ſchenliebe an ihm nennſt, nur Anekdotenliebe iſt.
Schon im gelehrten Deutſchland gelten keine
Waſſer fuͤr tiefe als die flach breiten, vol¬
lends aber im geadelten; nur breite lange Ge¬
ſchichte wollte der General von dir aus Lang¬
weile, wenn er ſie auch ſchon wuſte. Freund,
wir Buͤcher-Menſchen — ſo taͤglich, ſo ſtuͤnd¬
lich in Konverſazion mit den groͤßten belebteſten
Maͤnnern aus der gedruckten Vorwelt, und zwar
wieder uͤber die groͤſten Weltbegebenheiten — wir
ſtellen uns freilich den Hunds-Ennui der Groſ¬
ſen nicht vor, die weiter nichts haben, als was
ſie hoͤren und eſſen bei Tafel. Gott danken ſie
auf Knien, wenn ſie irgend eine Anekdote erzaͤhlen
hoͤren, die ſie ſchon erzaͤhlen hoͤrten; — aber ich
weiß nicht, was du dazu ſagſt?“
„Ueber Sachen, verſezte Walt, kann man
leicht die fremde Meinung borgen und glauben,
aber nicht uͤber Perſonen. Wenn die ganze Welt
gegen dich ſpraͤche: muͤſt' ich wohl eher ihr als
mir glauben?“
„Natuͤrlich, ſagte Vult. Was Wina an¬
langt, ſo iſts mir ganz lieb, daß ſie ihre wei¬
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/191>, abgerufen am 31.07.2024.
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