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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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That für häßlich ansähen, und zeigtest ein Mit¬
leid?" -- "Desto besser, sagte Walt, wenn
sie sich schöner finden. Bei allen Mädgen ent¬
schuldige ich das, weil sie sich nur im Spiegel
sehen, mithin, wie du aus der Katoptrik wohl
weist, gerade in einer noch einmal so großen
Ferne als der Fremde sie; jede Ferne aber, auch
die optische, macht schöner."

"So scheints, sagte Vult erstaunt. Spas¬
ses halber will ich dir doch nur die 3 Weiber, so
weit ich sie im Klatschrosen-Thal kennen ler¬
nen, aufstellen. Die alte Engelberta -- nein,
das ist die Tochter -- die Mutter also, mag noch
hingehen; ihr Herz ist ein ausgesessener Gros¬
vaterstuhl, und übrigens hat sie von der Mu¬
schel-Auster nicht nur die Seele geerbt, sondern
auch die Perlen. Freilich wäre der Agent weni¬
ger bemittelt, so würde sie wohl, als Widerspiel
der Oesterreicher Infanterie, die im Kriege aus
den Zwilchkitteln Brodsäcke machen muß*),
seinen Brodsack zu einem bunten Kittel verschnei¬

*) Gesezbuch für die kais. k. Armee. 1785. S. 248.

That fuͤr haͤßlich anſaͤhen, und zeigteſt ein Mit¬
leid?“ — „Deſto beſſer, ſagte Walt, wenn
ſie ſich ſchoͤner finden. Bei allen Maͤdgen ent¬
ſchuldige ich das, weil ſie ſich nur im Spiegel
ſehen, mithin, wie du aus der Katoptrik wohl
weiſt, gerade in einer noch einmal ſo großen
Ferne als der Fremde ſie; jede Ferne aber, auch
die optiſche, macht ſchoͤner.“

„So ſcheints, ſagte Vult erſtaunt. Spaſ¬
ſes halber will ich dir doch nur die 3 Weiber, ſo
weit ich ſie im Klatſchroſen-Thal kennen ler¬
nen, aufſtellen. Die alte Engelberta — nein,
das iſt die Tochter — die Mutter alſo, mag noch
hingehen; ihr Herz iſt ein ausgeſeſſener Gros¬
vaterſtuhl, und uͤbrigens hat ſie von der Mu¬
ſchel-Auſter nicht nur die Seele geerbt, ſondern
auch die Perlen. Freilich waͤre der Agent weni¬
ger bemittelt, ſo wuͤrde ſie wohl, als Widerſpiel
der Oeſterreicher Infanterie, die im Kriege aus
den Zwilchkitteln Brodſaͤcke machen muß*),
ſeinen Brodſack zu einem bunten Kittel verſchnei¬

*) Geſezbuch fuͤr die kaiſ. k. Armee. 1785. S. 248.
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[141/0149] That fuͤr haͤßlich anſaͤhen, und zeigteſt ein Mit¬ leid?“ — „Deſto beſſer, ſagte Walt, wenn ſie ſich ſchoͤner finden. Bei allen Maͤdgen ent¬ ſchuldige ich das, weil ſie ſich nur im Spiegel ſehen, mithin, wie du aus der Katoptrik wohl weiſt, gerade in einer noch einmal ſo großen Ferne als der Fremde ſie; jede Ferne aber, auch die optiſche, macht ſchoͤner.“ „So ſcheints, ſagte Vult erſtaunt. Spaſ¬ ſes halber will ich dir doch nur die 3 Weiber, ſo weit ich ſie im Klatſchroſen-Thal kennen ler¬ nen, aufſtellen. Die alte Engelberta — nein, das iſt die Tochter — die Mutter alſo, mag noch hingehen; ihr Herz iſt ein ausgeſeſſener Gros¬ vaterſtuhl, und uͤbrigens hat ſie von der Mu¬ ſchel-Auſter nicht nur die Seele geerbt, ſondern auch die Perlen. Freilich waͤre der Agent weni¬ ger bemittelt, ſo wuͤrde ſie wohl, als Widerſpiel der Oeſterreicher Infanterie, die im Kriege aus den Zwilchkitteln Brodſaͤcke machen muß *), ſeinen Brodſack zu einem bunten Kittel verſchnei¬ *) Geſezbuch fuͤr die kaiſ. k. Armee. 1785. S. 248.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/149>, abgerufen am 25.11.2024.