noch herrischer gegen die Sklavin bist als gegen den Sklaven -- sei das doch Sonntags nach dem Essen nicht! Die Leute in deinem Dienste sind arme Landteufel, für welche der Sonntag, der in großen Städten, in der großen Welt und auf großen Reisen gar nicht zu haben ist, sonst ein Ruhe-Tag war, als sie noch glücklicher wa¬ ren, nämlich noch Kinder. Gern werden sie, ohne etwas zu wünschen, leer und trocken bei deinen Hoffesten, Hochzeit- und Leichenfesten ste¬ hen, und die Teller und die Kleider halten; aber an dem Sonntage, dem Volks- und Menschen¬ fest, auf das alle Wochen-Hoffnungen zielen, glauben die Armen, daß ihnen irgend eine Freu¬ de der Erde gebühre, da ihnen zumal die Kin¬ derzeit einfallen muß, wo sie an diesem Bundes- Feste der Lust wirklich etwas hatten, keine Schul¬ stunde -- schöne Kleider -- spaßhafte Eltern -- Spielkinder -- Abendbraten -- grünende Wiesen und einen Spaziergang, wo gesellige Freiheit dem frischen Herzen die frische Welt ausschmückte. Liebe Freiin! wenn dann am Sonntage, wo ge¬ dachte Person weniger in der Arbeit, der Lethe
noch herriſcher gegen die Sklavin biſt als gegen den Sklaven — ſei das doch Sonntags nach dem Eſſen nicht! Die Leute in deinem Dienſte ſind arme Landteufel, fuͤr welche der Sonntag, der in großen Staͤdten, in der großen Welt und auf großen Reiſen gar nicht zu haben iſt, ſonſt ein Ruhe-Tag war, als ſie noch gluͤcklicher wa¬ ren, naͤmlich noch Kinder. Gern werden ſie, ohne etwas zu wuͤnſchen, leer und trocken bei deinen Hoffeſten, Hochzeit- und Leichenfeſten ſte¬ hen, und die Teller und die Kleider halten; aber an dem Sonntage, dem Volks- und Menſchen¬ feſt, auf das alle Wochen-Hoffnungen zielen, glauben die Armen, daß ihnen irgend eine Freu¬ de der Erde gebuͤhre, da ihnen zumal die Kin¬ derzeit einfallen muß, wo ſie an dieſem Bundes- Feſte der Luſt wirklich etwas hatten, keine Schul¬ ſtunde — ſchoͤne Kleider — ſpaßhafte Eltern — Spielkinder — Abendbraten — gruͤnende Wieſen und einen Spaziergang, wo geſellige Freiheit dem friſchen Herzen die friſche Welt ausſchmuͤckte. Liebe Freiin! wenn dann am Sonntage, wo ge¬ dachte Perſon weniger in der Arbeit, der Lethe
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noch herriſcher gegen die Sklavin biſt als gegen
den Sklaven — ſei das doch Sonntags nach
dem Eſſen nicht! Die Leute in deinem Dienſte
ſind arme Landteufel, fuͤr welche der Sonntag,
der in großen Staͤdten, in der großen Welt und
auf großen Reiſen gar nicht zu haben iſt, ſonſt
ein Ruhe-Tag war, als ſie noch gluͤcklicher wa¬
ren, naͤmlich noch Kinder. Gern werden ſie,
ohne etwas zu wuͤnſchen, leer und trocken bei
deinen Hoffeſten, Hochzeit- und Leichenfeſten ſte¬
hen, und die Teller und die Kleider halten; aber
an dem Sonntage, dem Volks- und Menſchen¬
feſt, auf das alle Wochen-Hoffnungen zielen,
glauben die Armen, daß ihnen irgend eine Freu¬
de der Erde gebuͤhre, da ihnen zumal die Kin¬
derzeit einfallen muß, wo ſie an dieſem Bundes-
Feſte der Luſt wirklich etwas hatten, keine Schul¬
ſtunde — ſchoͤne Kleider — ſpaßhafte Eltern —
Spielkinder — Abendbraten — gruͤnende Wieſen und
einen Spaziergang, wo geſellige Freiheit dem
friſchen Herzen die friſche Welt ausſchmuͤckte.
Liebe Freiin! wenn dann am Sonntage, wo ge¬
dachte Perſon weniger in der Arbeit, der Lethe
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/227>, abgerufen am 03.05.2024.
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