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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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Vult, der jezt noch ernster geworden, freue¬
te sich, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach vor
keinem Kenner zu blasen habe, weil seine Brust,
solcher Erschütterungen ungewohnt, heute nicht
genug Athem für sein Spiel behielt. Er stellte
sich weg vom Bruder, gegenüber der strahlenlo¬
sen Abendsonne an einen Kirschbaum, aus wel¬
chem das Brust- und Halsgeschmeide eines blü¬
henden Jelängerjelieber, wie eigne Blüthe hieng;
und blies statt der schwersten Flöten-Passaden,
nur solche einfache Arioso's nebst einigen einge¬
streueten Echos ab, wovon er glauben durfte,
daß sie ins unerzogne Ohr eines juristischen Kan¬
didaten mit dem grösten Glanz und Freuden-Ge¬
folge ziehen würden.

Sie thatens auch. Immer langsamer gieng
Gottwalt, mit einem langen Kirschzweige in der
Hand, zwischen der Morgen- und der Abend-
Gegend auf und nieder. Seeliger als nie in seinem
troknen Leben war er, als er auf die liebäugelnde
Rosen-Sonne losgieng, und über ein breites
goldgrünes Land mit Thurmspizen in Obstwäl¬
dern und in das glatte weisse Mutterdorf der

Vult, der jezt noch ernſter geworden, freue¬
te ſich, daß er aller Wahrſcheinlichkeit nach vor
keinem Kenner zu blaſen habe, weil ſeine Bruſt,
ſolcher Erſchuͤtterungen ungewohnt, heute nicht
genug Athem fuͤr ſein Spiel behielt. Er ſtellte
ſich weg vom Bruder, gegenuͤber der ſtrahlenlo¬
ſen Abendſonne an einen Kirſchbaum, aus wel¬
chem das Bruſt- und Halsgeſchmeide eines bluͤ¬
henden Jelaͤngerjelieber, wie eigne Bluͤthe hieng;
und blies ſtatt der ſchwerſten Floͤten-Paſſaden,
nur ſolche einfache Arioſo's nebſt einigen einge¬
ſtreueten Echos ab, wovon er glauben durfte,
daß ſie ins unerzogne Ohr eines juriſtiſchen Kan¬
didaten mit dem groͤſten Glanz und Freuden-Ge¬
folge ziehen wuͤrden.

Sie thatens auch. Immer langſamer gieng
Gottwalt, mit einem langen Kirſchzweige in der
Hand, zwiſchen der Morgen- und der Abend-
Gegend auf und nieder. Seeliger als nie in ſeinem
troknen Leben war er, als er auf die liebaͤugelnde
Roſen-Sonne losgieng, und uͤber ein breites
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[153/0163] Vult, der jezt noch ernſter geworden, freue¬ te ſich, daß er aller Wahrſcheinlichkeit nach vor keinem Kenner zu blaſen habe, weil ſeine Bruſt, ſolcher Erſchuͤtterungen ungewohnt, heute nicht genug Athem fuͤr ſein Spiel behielt. Er ſtellte ſich weg vom Bruder, gegenuͤber der ſtrahlenlo¬ ſen Abendſonne an einen Kirſchbaum, aus wel¬ chem das Bruſt- und Halsgeſchmeide eines bluͤ¬ henden Jelaͤngerjelieber, wie eigne Bluͤthe hieng; und blies ſtatt der ſchwerſten Floͤten-Paſſaden, nur ſolche einfache Arioſo's nebſt einigen einge¬ ſtreueten Echos ab, wovon er glauben durfte, daß ſie ins unerzogne Ohr eines juriſtiſchen Kan¬ didaten mit dem groͤſten Glanz und Freuden-Ge¬ folge ziehen wuͤrden. Sie thatens auch. Immer langſamer gieng Gottwalt, mit einem langen Kirſchzweige in der Hand, zwiſchen der Morgen- und der Abend- Gegend auf und nieder. Seeliger als nie in ſeinem troknen Leben war er, als er auf die liebaͤugelnde Roſen-Sonne losgieng, und uͤber ein breites goldgruͤnes Land mit Thurmſpizen in Obſtwaͤl¬ dern und in das glatte weiſſe Mutterdorf der

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/163>, abgerufen am 25.11.2024.