Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Seht Ihr, rief die Mutter, er will nur
wieder recht über seine langen Verse her, denn
er hats ja vorhin so gotteslästerlich beschworen --
ich hab' es nicht vergessen, Walt!"

"So wollt' ich doch, daß Donner und Teu¬
fel -- rief Lukas, der rein- froh seyn wollte --
muß man denn aus jedem Thurmknopf einen
Nadelknopf machen wie du?" Er wollte gerade
das Umgekehrte vorbringen. Er zog den Ehe¬
manns Vexierzug: schweig! Sie thats immer
sogleich, wiewohl mit dem Entschluß, etwas spä¬
ter erst recht anzufangen.

Man schritt zur AbendTafel wie man da
stand, Walt im Schanzlooper, obgleich in der
Heu-Erndte, weil er sein Nanking-Rökgen schonte.
Goldinens Freudenwein war mit vielen Thränen
über die Trennung des Morgens gewässert. Der
Notar war unendlich entzükt über die Entzückung
des Vaters, welcher allmählig, da er sie ein
wenig verdauet hatte, nun milder wurde und an¬
fieng, mit Trenchiermesser und Gabel der noch
fliegenden gebratenen Taube der Erbschaft entge¬
gen zu gehen, und dem Sohne zum erstenmal

Seht Ihr, rief die Mutter, er will nur
wieder recht uͤber ſeine langen Verſe her, denn
er hats ja vorhin ſo gotteslaͤſterlich beſchworen —
ich hab' es nicht vergeſſen, Walt!“

„So wollt' ich doch, daß Donner und Teu¬
fel — rief Lukas, der rein- froh ſeyn wollte —
muß man denn aus jedem Thurmknopf einen
Nadelknopf machen wie du?“ Er wollte gerade
das Umgekehrte vorbringen. Er zog den Ehe¬
manns Vexierzug: ſchweig! Sie thats immer
ſogleich, wiewohl mit dem Entſchluß, etwas ſpaͤ¬
ter erſt recht anzufangen.

Man ſchritt zur AbendTafel wie man da
ſtand, Walt im Schanzlooper, obgleich in der
Heu-Erndte, weil er ſein Nanking-Roͤkgen ſchonte.
Goldinens Freudenwein war mit vielen Thraͤnen
uͤber die Trennung des Morgens gewaͤſſert. Der
Notar war unendlich entzuͤkt uͤber die Entzuͤckung
des Vaters, welcher allmaͤhlig, da er ſie ein
wenig verdauet hatte, nun milder wurde und an¬
fieng, mit Trenchiermeſſer und Gabel der noch
fliegenden gebratenen Taube der Erbſchaft entge¬
gen zu gehen, und dem Sohne zum erſtenmal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0135" n="125"/>
        <p>Seht Ihr, rief die Mutter, er will nur<lb/>
wieder recht u&#x0364;ber &#x017F;eine langen Ver&#x017F;e her, denn<lb/>
er hats ja vorhin &#x017F;o gottesla&#x0364;&#x017F;terlich be&#x017F;chworen &#x2014;<lb/>
ich hab' es nicht verge&#x017F;&#x017F;en, Walt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So wollt' ich doch, daß Donner und Teu¬<lb/>
fel &#x2014; rief Lukas, der rein- froh &#x017F;eyn wollte &#x2014;<lb/>
muß man denn aus jedem Thurmknopf einen<lb/>
Nadelknopf machen wie du?&#x201C; Er wollte gerade<lb/>
das Umgekehrte vorbringen. Er zog den Ehe¬<lb/>
manns Vexierzug: &#x017F;chweig! Sie thats immer<lb/>
&#x017F;ogleich, wiewohl mit dem Ent&#x017F;chluß, etwas &#x017F;pa&#x0364;¬<lb/>
ter er&#x017F;t recht anzufangen.</p><lb/>
        <p>Man &#x017F;chritt zur AbendTafel wie man da<lb/>
&#x017F;tand, Walt im Schanzlooper, obgleich in der<lb/>
Heu-Erndte, weil er &#x017F;ein Nanking-Ro&#x0364;kgen &#x017F;chonte.<lb/>
Goldinens Freudenwein war mit vielen Thra&#x0364;nen<lb/>
u&#x0364;ber die Trennung des Morgens gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert. Der<lb/>
Notar war unendlich entzu&#x0364;kt u&#x0364;ber die Entzu&#x0364;ckung<lb/>
des Vaters, welcher allma&#x0364;hlig, da er &#x017F;ie ein<lb/>
wenig verdauet hatte, nun milder wurde und an¬<lb/>
fieng, mit Trenchierme&#x017F;&#x017F;er und Gabel der noch<lb/>
fliegenden gebratenen Taube der Erb&#x017F;chaft entge¬<lb/>
gen zu gehen, und dem Sohne zum er&#x017F;tenmal<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0135] Seht Ihr, rief die Mutter, er will nur wieder recht uͤber ſeine langen Verſe her, denn er hats ja vorhin ſo gotteslaͤſterlich beſchworen — ich hab' es nicht vergeſſen, Walt!“ „So wollt' ich doch, daß Donner und Teu¬ fel — rief Lukas, der rein- froh ſeyn wollte — muß man denn aus jedem Thurmknopf einen Nadelknopf machen wie du?“ Er wollte gerade das Umgekehrte vorbringen. Er zog den Ehe¬ manns Vexierzug: ſchweig! Sie thats immer ſogleich, wiewohl mit dem Entſchluß, etwas ſpaͤ¬ ter erſt recht anzufangen. Man ſchritt zur AbendTafel wie man da ſtand, Walt im Schanzlooper, obgleich in der Heu-Erndte, weil er ſein Nanking-Roͤkgen ſchonte. Goldinens Freudenwein war mit vielen Thraͤnen uͤber die Trennung des Morgens gewaͤſſert. Der Notar war unendlich entzuͤkt uͤber die Entzuͤckung des Vaters, welcher allmaͤhlig, da er ſie ein wenig verdauet hatte, nun milder wurde und an¬ fieng, mit Trenchiermeſſer und Gabel der noch fliegenden gebratenen Taube der Erbſchaft entge¬ gen zu gehen, und dem Sohne zum erſtenmal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/135
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/135>, abgerufen am 30.04.2024.