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Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. 2. Band: M-Z. Berlin, 1898.

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die sie namentlich im Sommer oft monatelang an das dunkle Zimmer bannte und ihre ganze Zukunft in Frage stellte. Sie litt nicht schwer unter der aufgedrungenen Einsamkeit; ihr heiteres Gemüt half ihr auch darüber hinweg; nur der Gedanke, dass es nun vielleicht unmöglich sein werde, sich zur Lehrerin auszubilden, warf einen düsteren Schatten auf die damalige Zeit und presste ihr oft bittere Thränen aus. Da sich nach ein paar Jahren eine merkliche Besserung zeigte, wurde sie auf ihr unablässiges Bitten in ein Institut nach Klagenfurt gebracht, wo ihre Schulbildung fortgesetzt werden sollte. Leider trat durch die notwendig gewordene Anstrengung das alte Leiden wieder mit grösster Heftigkeit auf, sozwar, dass sie wieder monatelang dem Unterrichte fernbleiben musste. Endlich wurden die Eltern von der Nutzlosigkeit des Aufenthaltes im Institute überzeugt und wollten das Kind nachhause bringen. Aber auch jetzt noch wollte sie um keinen Preis ihre Studien aufgeben. Gerührt durch Bitten und Thränen beschloss der Vater, einen tüchtigen Augenarzt zu Rate zu ziehen, dessen Urteil sie sich widerstandslos unterwerfen sollte. Sie war damit einverstanden. Die Augen wurden nochmals gründlich untersucht, sie wurde weggeschickt, hörte aber, wie der alte Herr zu dem Vater sich äusserte: "Lassen Sie dem armen Kinde die Freude; vielleicht ist es die letzte, die Sie ihm machen können! Lange wird es ja ohnehin nicht währen, denn ich kann es Ihnen nicht verhehlen, dass vielleicht bald schon völlige Blindheit eintreten wird." Der Vater war wie vom Schlage gerührt, die Tochter aber hätte aufjubeln mögen vor Freude und Glück; sie achtete gar nicht darauf, welch trauriges Los ihr bestimmt sein sollte; sie hörte nur das eine heraus, dass sie nun doch ihre Studien machen dürfe. Kurze Zeit darauf war sie als eine der ersten unter die Zöglinge der neuerrichteten Lehrerinnenbildungsanstalt in Klagenfurt aufgenommen. Jetzt begannen für sie ein paar bittere, mühevolle und doch so glückliche Jahre. Ihr Augenleiden, das zeitweilig wohl sich milderte, machte ihr oft monatelang jedes Studium unmöglich, und sie musste sich fast vollständig darauf beschränken, die Vorträge aus dem Gedächtnisse so oft zu wiederholen, bis sie sich dieselben vollständig eingeprägt hatte. Dabei musste sie beständig auf die Wiederholung des Ganzen bedacht sein, wollte sie Hoffnung auf wirklichen Erfolg haben. Im letzten Jahrgang erst trat eine entschiedene Wendung zum Besseren ein. Trotzdem ist es ihr gelungen, ihre Studien mit dem besten Erfolge zu absolvieren. Im Mai 1873 machte sie die Prüfung als Volksschullehrerin; im Oktober desselben Jahres erhielt sie eine Anstellung an der Bürgerschule in Klagenfurt, legte im Mai 1874 das Examen für Bürgerschulen aus Mathematik, Physik und Naturgeschichte ab und erhielt im Jahre 1876 eine Stelle an der k. u. k. Marine-Bürgerschule für Mädchen in Pola, wo sie noch gegenwärtig diese Gegenstände lehrt. Nun ist sie seit 24 Jahren in ihrem erhabenen Berufe thätig und findet in ihm eine Quelle des schönsten und reichsten Glückes.

- Auf Irrwegen u. anderes. 16. (88) Wien 1893, A. Pichlers Witwe & Sohn. kart. -.70

- Verschollen. Erzählg. 16. (80) Ebda. 1897. geb. -.80

die sie namentlich im Sommer oft monatelang an das dunkle Zimmer bannte und ihre ganze Zukunft in Frage stellte. Sie litt nicht schwer unter der aufgedrungenen Einsamkeit; ihr heiteres Gemüt half ihr auch darüber hinweg; nur der Gedanke, dass es nun vielleicht unmöglich sein werde, sich zur Lehrerin auszubilden, warf einen düsteren Schatten auf die damalige Zeit und presste ihr oft bittere Thränen aus. Da sich nach ein paar Jahren eine merkliche Besserung zeigte, wurde sie auf ihr unablässiges Bitten in ein Institut nach Klagenfurt gebracht, wo ihre Schulbildung fortgesetzt werden sollte. Leider trat durch die notwendig gewordene Anstrengung das alte Leiden wieder mit grösster Heftigkeit auf, sozwar, dass sie wieder monatelang dem Unterrichte fernbleiben musste. Endlich wurden die Eltern von der Nutzlosigkeit des Aufenthaltes im Institute überzeugt und wollten das Kind nachhause bringen. Aber auch jetzt noch wollte sie um keinen Preis ihre Studien aufgeben. Gerührt durch Bitten und Thränen beschloss der Vater, einen tüchtigen Augenarzt zu Rate zu ziehen, dessen Urteil sie sich widerstandslos unterwerfen sollte. Sie war damit einverstanden. Die Augen wurden nochmals gründlich untersucht, sie wurde weggeschickt, hörte aber, wie der alte Herr zu dem Vater sich äusserte: »Lassen Sie dem armen Kinde die Freude; vielleicht ist es die letzte, die Sie ihm machen können! Lange wird es ja ohnehin nicht währen, denn ich kann es Ihnen nicht verhehlen, dass vielleicht bald schon völlige Blindheit eintreten wird.« Der Vater war wie vom Schlage gerührt, die Tochter aber hätte aufjubeln mögen vor Freude und Glück; sie achtete gar nicht darauf, welch trauriges Los ihr bestimmt sein sollte; sie hörte nur das eine heraus, dass sie nun doch ihre Studien machen dürfe. Kurze Zeit darauf war sie als eine der ersten unter die Zöglinge der neuerrichteten Lehrerinnenbildungsanstalt in Klagenfurt aufgenommen. Jetzt begannen für sie ein paar bittere, mühevolle und doch so glückliche Jahre. Ihr Augenleiden, das zeitweilig wohl sich milderte, machte ihr oft monatelang jedes Studium unmöglich, und sie musste sich fast vollständig darauf beschränken, die Vorträge aus dem Gedächtnisse so oft zu wiederholen, bis sie sich dieselben vollständig eingeprägt hatte. Dabei musste sie beständig auf die Wiederholung des Ganzen bedacht sein, wollte sie Hoffnung auf wirklichen Erfolg haben. Im letzten Jahrgang erst trat eine entschiedene Wendung zum Besseren ein. Trotzdem ist es ihr gelungen, ihre Studien mit dem besten Erfolge zu absolvieren. Im Mai 1873 machte sie die Prüfung als Volksschullehrerin; im Oktober desselben Jahres erhielt sie eine Anstellung an der Bürgerschule in Klagenfurt, legte im Mai 1874 das Examen für Bürgerschulen aus Mathematik, Physik und Naturgeschichte ab und erhielt im Jahre 1876 eine Stelle an der k. u. k. Marine-Bürgerschule für Mädchen in Pola, wo sie noch gegenwärtig diese Gegenstände lehrt. Nun ist sie seit 24 Jahren in ihrem erhabenen Berufe thätig und findet in ihm eine Quelle des schönsten und reichsten Glückes.

‒ Auf Irrwegen u. anderes. 16. (88) Wien 1893, A. Pichlers Witwe & Sohn. kart. –.70

‒ Verschollen. Erzählg. 16. (80) Ebda. 1897. geb. –.80

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die sie namentlich im Sommer oft monatelang an das dunkle Zimmer bannte und ihre ganze Zukunft in Frage stellte. Sie litt nicht schwer unter der aufgedrungenen Einsamkeit; ihr heiteres Gemüt half ihr auch darüber hinweg; nur der Gedanke, dass es nun vielleicht unmöglich sein werde, sich zur Lehrerin auszubilden, warf einen düsteren Schatten auf die damalige Zeit und presste ihr oft bittere Thränen aus. Da sich nach ein paar Jahren eine merkliche Besserung zeigte, wurde sie auf ihr unablässiges Bitten in ein Institut nach Klagenfurt gebracht, wo ihre Schulbildung fortgesetzt werden sollte. Leider trat durch die notwendig gewordene Anstrengung das alte Leiden wieder mit grösster Heftigkeit auf, sozwar, dass sie wieder monatelang dem Unterrichte fernbleiben musste. Endlich wurden die Eltern von der Nutzlosigkeit des Aufenthaltes im Institute überzeugt und wollten das Kind nachhause bringen. Aber auch jetzt noch wollte sie um keinen Preis ihre Studien aufgeben. Gerührt durch Bitten und Thränen beschloss der Vater, einen tüchtigen Augenarzt zu Rate zu ziehen, dessen Urteil sie sich widerstandslos unterwerfen sollte. Sie war damit einverstanden. Die Augen wurden nochmals gründlich untersucht, sie wurde weggeschickt, hörte aber, wie der alte Herr zu dem Vater sich äusserte: »Lassen Sie dem armen Kinde die Freude; vielleicht ist es die letzte, die Sie ihm machen können! Lange wird es ja ohnehin nicht währen, denn ich kann es Ihnen nicht verhehlen, dass vielleicht bald schon völlige Blindheit eintreten wird.« Der Vater war wie vom Schlage gerührt, die Tochter aber hätte aufjubeln mögen vor Freude und Glück; sie achtete gar nicht darauf, welch trauriges Los ihr bestimmt sein sollte; sie hörte nur das eine heraus, dass sie nun doch ihre Studien machen dürfe. Kurze Zeit darauf war sie als eine der ersten unter die Zöglinge der neuerrichteten Lehrerinnenbildungsanstalt in Klagenfurt aufgenommen. Jetzt begannen für sie ein paar bittere, mühevolle und doch so glückliche Jahre. Ihr Augenleiden, das zeitweilig wohl sich milderte, machte ihr oft monatelang jedes Studium unmöglich, und sie musste sich fast vollständig darauf beschränken, die Vorträge aus dem Gedächtnisse so oft zu wiederholen, bis sie sich dieselben vollständig eingeprägt hatte. Dabei musste sie beständig auf die Wiederholung des Ganzen bedacht sein, wollte sie Hoffnung auf wirklichen Erfolg haben. Im letzten Jahrgang erst trat eine entschiedene Wendung zum Besseren ein. Trotzdem ist es ihr gelungen, ihre Studien mit dem besten Erfolge zu absolvieren. Im Mai 1873 machte sie die Prüfung als Volksschullehrerin; im Oktober desselben Jahres erhielt sie eine Anstellung an der Bürgerschule in Klagenfurt, legte im Mai 1874 das Examen für Bürgerschulen aus Mathematik, Physik und Naturgeschichte ab und erhielt im Jahre 1876 eine Stelle an der k. u. k. Marine-Bürgerschule für Mädchen in Pola, wo sie noch gegenwärtig diese Gegenstände lehrt. Nun ist sie seit 24 Jahren in ihrem erhabenen Berufe thätig und findet in ihm eine Quelle des schönsten und reichsten Glückes.</p><lb/>
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Zitationshilfe: Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. 2. Band: M-Z. Berlin, 1898, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pataky_lexikon02_1898/70>, abgerufen am 17.05.2024.