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Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. 1. Band: A-L. Berlin, 1898.

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"Humoresken" oder "heiteren" Bilder aus dem Leben geschrieben, gleich dem Komiker, der den nagenden Wurm, den Trübsinn im Herzen, in Ausübung seines Berufes und im Dienste der "heitern Kunst" auf der Bühne, seine und seiner Zuhörer Lachmuskeln in Bewegung setzt.

So manche hat eigenes Unglück z.B. Erblindung, Siechtum, welches die Betreffende seit frühester Jugend auf das Krankenlager geworfen hat und sie für das ganze Leben nicht mehr verlassen soll, zur Schriftstellerin, zur Poetin gemacht. Wie viele Tausende wären diesem namenlosen Unglücke, diesen qualvollen, durch zahllose unmenschliche Operationen erhöhten Leiden geistig erlegen; hier haben diese "Starken" des schwachen Geschlechts Trost und Kraft in dem Selbststudium der verschiedensten Gebiete des Wissens gefunden, bis die "Lust zum Fabulieren" erwachte.

In vielen Fällen zeigt sich die Frau als überaus wertvolle Mitarbeiterin des schriftstellernden Gatten und aus der gemeinsamen Thätigkeit des kongenialen Ehepaares entspringt ein Quell von Ehe-, Familien- und Berufsfreuden, wie sie schöner und edler kaum zu denken sind.

Dieses sich Vertiefen in den Werdeprozess vieler unserer "schreibenden" Frauen würde alle jene, die verächtlich oder mitleidig über den "Blaustrumpf" die Nase rümpfen, belehren, dass die schreibende Frau den ihr von den Verhältnissen oder der Gesellschaft aufgebürdeten Daseinskampf ebenso "mannhaft" auszufechten weiss, wie ihr männlicher Kollege. Es würde sie ferner belehren, dass, so kurz auch die Zeit ist, seitdem sie mit der Feder diesen Daseinskampf zu führen gelernt hat, oder auch ohne diesen Kampf, nur dem inneren Drange folgend, ihr Wissen und ihr Talent mit der Feder zum Ausdruck bringt, doch schon eine Stellung im Reiche des Geistes sich zu erringen wusste, die von der gebildeten Welt nicht mehr missachtet oder übersehen werden kann.

Auch das könnten Viele, die es nicht schon wissen, aus den Biographieen erfahren, dass die schreibende Frau, ganz entgegen der Annahme des vorurteilsvollen Teiles unserer Gesellschaft, dort, wo sie es sein kann, eine überaus aufopfernde, pflichttreue, hingebungsvolle Hausfrau, Gattin und Mutter ist.

Dass fast jedes Gebiet, auch das der exakten Wissenschaften, von der schreibenden Frau betreten worden ist, wird ein Durchblättern dieses Werkes ebenso bezeugen, wie die Thatsache, dass alle Gebiete der Prosa und Poesie ihr heimisch sind. Es ist aber gar nicht lange her, dass dem nicht so war. Kaum 60 Jahre sind es, da hat, mit geringen Ausnahmen,

»Humoresken« oder »heiteren« Bilder aus dem Leben geschrieben, gleich dem Komiker, der den nagenden Wurm, den Trübsinn im Herzen, in Ausübung seines Berufes und im Dienste der »heitern Kunst« auf der Bühne, seine und seiner Zuhörer Lachmuskeln in Bewegung setzt.

So manche hat eigenes Unglück z.B. Erblindung, Siechtum, welches die Betreffende seit frühester Jugend auf das Krankenlager geworfen hat und sie für das ganze Leben nicht mehr verlassen soll, zur Schriftstellerin, zur Poetin gemacht. Wie viele Tausende wären diesem namenlosen Unglücke, diesen qualvollen, durch zahllose unmenschliche Operationen erhöhten Leiden geistig erlegen; hier haben diese »Starken« des schwachen Geschlechts Trost und Kraft in dem Selbststudium der verschiedensten Gebiete des Wissens gefunden, bis die »Lust zum Fabulieren« erwachte.

In vielen Fällen zeigt sich die Frau als überaus wertvolle Mitarbeiterin des schriftstellernden Gatten und aus der gemeinsamen Thätigkeit des kongenialen Ehepaares entspringt ein Quell von Ehe-, Familien- und Berufsfreuden, wie sie schöner und edler kaum zu denken sind.

Dieses sich Vertiefen in den Werdeprozess vieler unserer »schreibenden« Frauen würde alle jene, die verächtlich oder mitleidig über den »Blaustrumpf« die Nase rümpfen, belehren, dass die schreibende Frau den ihr von den Verhältnissen oder der Gesellschaft aufgebürdeten Daseinskampf ebenso »mannhaft« auszufechten weiss, wie ihr männlicher Kollege. Es würde sie ferner belehren, dass, so kurz auch die Zeit ist, seitdem sie mit der Feder diesen Daseinskampf zu führen gelernt hat, oder auch ohne diesen Kampf, nur dem inneren Drange folgend, ihr Wissen und ihr Talent mit der Feder zum Ausdruck bringt, doch schon eine Stellung im Reiche des Geistes sich zu erringen wusste, die von der gebildeten Welt nicht mehr missachtet oder übersehen werden kann.

Auch das könnten Viele, die es nicht schon wissen, aus den Biographieen erfahren, dass die schreibende Frau, ganz entgegen der Annahme des vorurteilsvollen Teiles unserer Gesellschaft, dort, wo sie es sein kann, eine überaus aufopfernde, pflichttreue, hingebungsvolle Hausfrau, Gattin und Mutter ist.

Dass fast jedes Gebiet, auch das der exakten Wissenschaften, von der schreibenden Frau betreten worden ist, wird ein Durchblättern dieses Werkes ebenso bezeugen, wie die Thatsache, dass alle Gebiete der Prosa und Poesie ihr heimisch sind. Es ist aber gar nicht lange her, dass dem nicht so war. Kaum 60 Jahre sind es, da hat, mit geringen Ausnahmen,

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Zitationshilfe: Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. 1. Band: A-L. Berlin, 1898, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pataky_lexikon01_1898/10>, abgerufen am 21.11.2024.