Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

2, mit der physischen Geschichte der Menschenracen; eben so wie Geologie
und Geognosie streng geschieden werden müssen.

Wir haben gesehn, dass die Flexibilität der menschlichen Natur nicht
von der grösseren Blutwärme oder von der Eigenschaft herrührt, sich
eine eigne Temperatur zu bilden, sondern von der Intelligenz, die sich
als Willenskraft ausspricht, und dass die ungebildeten Völker am we-
nigsten Biegsamkeit haben. Die Missionare in Südamerika wissen
sehr wohl, wie gefährlich es ist, die Waldindianer in die Ebne zu ver-
pflanzen: denn es sterben 60-70 Prozent davon. Wenn man sieht,
dass die Neger aus Afrika welche durch die Grausamkeit der Europäer
nach dem neuen Kontinent geschlept werden, hier sehr gut aus-
dauern, so liegt dies nicht an der grösseren Flexibilität ihrer Na-
tur, als sondern daran, dass 1/3 oder 1/4 von ihnen auf der Überfahrt
sterben, also kommen schon die an sich stärkeren nach Amerika hin.

Man hat lange geglaubt, dass die Menschen allein Stimmwerk-
zeuge zu einer artikulirten Sprache haben. Camper war der Meinung,
dass der Larynx der Affen von dem der Menschen verschieden sei.
Einige wilde Völker behaupten, dass die Affen leise unter sich sprechen,
weil, wenn die Menschen es hörten, man sie zur Arbeit zwingen
würde. Es ist aber gewis, dass sie stumm sind, nicht weil ihr Larynx
anders gebaut ist, sondern weil sie sich nichts zu sagen haben, wie

2, mit der physischen Geschichte der Menschenracen; eben so wie Geologie
und Geognosie streng geschieden werden müssen.

Wir haben gesehn, dass die Flexibilität der menschlichen Natur nicht
von der grösseren Blutwärme oder von der Eigenschaft herrührt, sich
eine eigne Temperatur zu bilden, sondern von der Intelligenz, die sich
als Willenskraft ausspricht, und dass die ungebildeten Völker am we-
nigsten Biegsamkeit haben. Die Missionare in Südamerika wissen
sehr wohl, wie gefährlich es ist, die Waldindianer in die Ebne zu ver-
pflanzen: denn es sterben 60–70 Prozent davon. Wenn man sieht,
dass die Neger aus Afrika welche durch die Grausamkeit der Europäer
nach dem neuen Kontinent geschlept werden, hier sehr gut aus-
dauern, so liegt dies nicht an der grösseren Flexibilität ihrer Na-
tur, als sondern daran, dass ⅓ oder ¼ von ihnen auf der Überfahrt
sterben, also kommen schon die an sich stärkeren nach Amerika hin.

Man hat lange geglaubt, dass die Menschen allein Stimmwerk-
zeuge zu einer artikulirten Sprache haben. Camper war der Meinung,
dass der Larynx der Affen von dem der Menschen verschieden sei.
Einige wilde Völker behaupten, dass die Affen leise unter sich sprechen,
weil, wenn die Menschen es hörten, man sie zur Arbeit zwingen
würde. Es ist aber gewis, dass sie stumm sind, nicht weil ihr Larynx
anders gebaut ist, sondern weil sie sich nichts zu sagen haben, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="session" n="60">
          <p><pb facs="#f0761" n="379r"/>
2, mit der physischen Geschichte der Menschenracen; eben so wie Geologie<lb/>
und Geognosie streng geschieden werden müssen.</p><lb/>
          <p>Wir haben gesehn, dass die Flexibilität der menschlichen Natur nicht<lb/>
von der grösseren Blutwärme oder von der Eigenschaft herrührt, sich<lb/>
eine eigne Temperatur zu bilden, sondern von der Intelligenz, die sich<lb/>
als Willenskraft ausspricht, und dass die ungebildeten Völker am we-<lb/>
nigsten Biegsamkeit haben. Die Missionare in Südamerika wissen<lb/>
sehr wohl, wie gefährlich es ist, die Waldindianer in die Ebne zu ver-<lb/>
pflanzen: denn es sterben 60&#x2013;70 <choice><orig>pr. Cent</orig><reg resp="#CT">Prozent</reg></choice> davon. Wenn man sieht,<lb/>
dass die Neger aus Afrika <add place="superlinear"><metamark/>welche </add>durch die Grausamkeit der Europäer<lb/>
nach dem neuen Kontinent geschlept werden, hier sehr gut aus-<lb/>
dauern, so liegt dies nicht an der grösseren Flexibilität ihrer Na-<lb/>
tur, <del rendition="#s">als</del> sondern daran, dass &#x2153; oder ¼ von ihnen auf der Überfahrt<lb/>
sterben, also kommen schon die an sich stärkeren nach Amerika hin.</p><lb/>
          <p>Man hat lange geglaubt, dass die <hi rendition="#u">Menschen allein</hi> Stimmwerk-<lb/>
zeuge zu einer artikulirten Sprache haben. <persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119291827 http://d-nb.info/gnd/119291827">Camper</persName> war der Meinung,<lb/>
dass der Larynx der Affen von dem der Menschen verschieden sei.<lb/>
Einige wilde Völker behaupten, dass die Affen leise unter sich sprechen,<lb/>
weil, wenn die Menschen es hörten, man sie zur Arbeit zwingen<lb/>
würde. Es ist aber gewis, dass sie stumm sind, nicht weil ihr Larynx<lb/>
anders gebaut ist, sondern weil sie sich nichts zu sagen haben, wie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379r/0761] 2, mit der physischen Geschichte der Menschenracen; eben so wie Geologie und Geognosie streng geschieden werden müssen. Wir haben gesehn, dass die Flexibilität der menschlichen Natur nicht von der grösseren Blutwärme oder von der Eigenschaft herrührt, sich eine eigne Temperatur zu bilden, sondern von der Intelligenz, die sich als Willenskraft ausspricht, und dass die ungebildeten Völker am we- nigsten Biegsamkeit haben. Die Missionare in Südamerika wissen sehr wohl, wie gefährlich es ist, die Waldindianer in die Ebne zu ver- pflanzen: denn es sterben 60–70 pr. Cent davon. Wenn man sieht, dass die Neger aus Afrika welche durch die Grausamkeit der Europäer nach dem neuen Kontinent geschlept werden, hier sehr gut aus- dauern, so liegt dies nicht an der grösseren Flexibilität ihrer Na- tur, sondern daran, dass ⅓ oder ¼ von ihnen auf der Überfahrt sterben, also kommen schon die an sich stärkeren nach Amerika hin. Man hat lange geglaubt, dass die Menschen allein Stimmwerk- zeuge zu einer artikulirten Sprache haben. Camper war der Meinung, dass der Larynx der Affen von dem der Menschen verschieden sei. Einige wilde Völker behaupten, dass die Affen leise unter sich sprechen, weil, wenn die Menschen es hörten, man sie zur Arbeit zwingen würde. Es ist aber gewis, dass sie stumm sind, nicht weil ihr Larynx anders gebaut ist, sondern weil sie sich nichts zu sagen haben, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/761
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 379r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/761>, abgerufen am 21.11.2024.