Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Verlust der beiden einzigen hochbegabten Kinder in der Blüthe der Jahre war ein so tragisches Schicksal, daß jeder Trostgrund davor verstummte.

Durch den Auszug von Frau von der Recke nach dem kurländischen Hause war die Wohnung in unserem zweiten Stocke leer geworden; die neuen Ankömmlinge aus Dresden zeigten sich sehr zufrieden, dieselbe einzunehmen (März 1816). Bei der Auflösung ihres Hauswesens in Dresden hatten Körners, um die enormen Kosten des Landtransportes zu sparen, fast ihre sämmtliche Habe auf einen Elbkahn laden lassen, der durch niedrigen Wasserstand an den Schleusen verspätet, durch die Packereien der Zollvisitation an der Gränze aufgehalten, mehr als einen Monat brauchte, um nach Berlin zu gelangen. Dies machte anfangs große Noth in der häuslichen Einrichtung. Wir halfen nach Kräften aus, und freuten uns, als endlich alles in Ordnung kam, und die schönen Oel- und Pastellbilder an den Wänden prangten.

Die Kopie von Doris Stock nach der Sixtinischen Madonna gehörte in Betreff der geistigen Auffassung zu den besten Arbeiten dieser Art. Sie mochte im Anfange dieses Jahrhunderts angefertigt sein, wo das unschätzbare Original sich in großer Vernachlässigung, wie es scheint, ohne einen genügenden Firniß befand: denn Doris Stock durfte den Kopf der Madonna und des Christkindes öfters mit einem feuchten Schwamme überfahren, um die Farben recht lebhaft hervortreten zu lassen. Ein Bildniß von Schiller, dessen Meister mir nicht mehr einfällt, zeigte ihn in der bekannten gebückten Haltung, den Kopf in die Hand gestützt. Von vorzüglichem Werthe schien mir ein Eigenbildniß von Emma Körner, Brustbild in einfachem

Verlust der beiden einzigen hochbegabten Kinder in der Blüthe der Jahre war ein so tragisches Schicksal, daß jeder Trostgrund davor verstummte.

Durch den Auszug von Frau von der Recke nach dem kurländischen Hause war die Wohnung in unserem zweiten Stocke leer geworden; die neuen Ankömmlinge aus Dresden zeigten sich sehr zufrieden, dieselbe einzunehmen (März 1816). Bei der Auflösung ihres Hauswesens in Dresden hatten Körners, um die enormen Kosten des Landtransportes zu sparen, fast ihre sämmtliche Habe auf einen Elbkahn laden lassen, der durch niedrigen Wasserstand an den Schleusen verspätet, durch die Packereien der Zollvisitation an der Gränze aufgehalten, mehr als einen Monat brauchte, um nach Berlin zu gelangen. Dies machte anfangs große Noth in der häuslichen Einrichtung. Wir halfen nach Kräften aus, und freuten uns, als endlich alles in Ordnung kam, und die schönen Oel- und Pastellbilder an den Wänden prangten.

Die Kopie von Doris Stock nach der Sixtinischen Madonna gehörte in Betreff der geistigen Auffassung zu den besten Arbeiten dieser Art. Sie mochte im Anfange dieses Jahrhunderts angefertigt sein, wo das unschätzbare Original sich in großer Vernachlässigung, wie es scheint, ohne einen genügenden Firniß befand: denn Doris Stock durfte den Kopf der Madonna und des Christkindes öfters mit einem feuchten Schwamme überfahren, um die Farben recht lebhaft hervortreten zu lassen. Ein Bildniß von Schiller, dessen Meister mir nicht mehr einfällt, zeigte ihn in der bekannten gebückten Haltung, den Kopf in die Hand gestützt. Von vorzüglichem Werthe schien mir ein Eigenbildniß von Emma Körner, Brustbild in einfachem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0064" n="56"/>
Verlust der beiden einzigen hochbegabten Kinder in der Blüthe der Jahre war ein so tragisches Schicksal, daß jeder Trostgrund davor verstummte. </p><lb/>
        <p>Durch den Auszug von Frau von der Recke nach dem kurländischen Hause war die Wohnung in unserem zweiten Stocke leer geworden; die neuen Ankömmlinge aus Dresden zeigten sich sehr zufrieden, dieselbe einzunehmen (März 1816). Bei der Auflösung ihres Hauswesens in Dresden hatten Körners, um die enormen Kosten des Landtransportes zu sparen, fast ihre sämmtliche Habe auf einen Elbkahn laden lassen, der durch niedrigen Wasserstand an den Schleusen verspätet, durch die Packereien der Zollvisitation an der Gränze aufgehalten, mehr als einen Monat brauchte, um nach Berlin zu gelangen. Dies machte anfangs große Noth in der häuslichen Einrichtung. Wir halfen nach Kräften aus, und freuten uns, als endlich alles in Ordnung kam, und die schönen Oel- und Pastellbilder an den Wänden prangten. </p><lb/>
        <p>Die Kopie von Doris Stock nach der Sixtinischen Madonna gehörte in Betreff der geistigen Auffassung zu den besten Arbeiten dieser Art. Sie mochte im Anfange dieses Jahrhunderts angefertigt sein, wo das unschätzbare Original sich in großer Vernachlässigung, wie es scheint, ohne einen genügenden Firniß befand: denn Doris Stock durfte den Kopf der Madonna und des Christkindes öfters mit einem feuchten Schwamme überfahren, um die Farben recht lebhaft hervortreten zu lassen. Ein Bildniß von Schiller, dessen Meister mir nicht mehr einfällt, zeigte ihn in der bekannten gebückten Haltung, den Kopf in die Hand gestützt. Von vorzüglichem Werthe schien mir ein Eigenbildniß von Emma Körner, Brustbild in einfachem
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0064] Verlust der beiden einzigen hochbegabten Kinder in der Blüthe der Jahre war ein so tragisches Schicksal, daß jeder Trostgrund davor verstummte. Durch den Auszug von Frau von der Recke nach dem kurländischen Hause war die Wohnung in unserem zweiten Stocke leer geworden; die neuen Ankömmlinge aus Dresden zeigten sich sehr zufrieden, dieselbe einzunehmen (März 1816). Bei der Auflösung ihres Hauswesens in Dresden hatten Körners, um die enormen Kosten des Landtransportes zu sparen, fast ihre sämmtliche Habe auf einen Elbkahn laden lassen, der durch niedrigen Wasserstand an den Schleusen verspätet, durch die Packereien der Zollvisitation an der Gränze aufgehalten, mehr als einen Monat brauchte, um nach Berlin zu gelangen. Dies machte anfangs große Noth in der häuslichen Einrichtung. Wir halfen nach Kräften aus, und freuten uns, als endlich alles in Ordnung kam, und die schönen Oel- und Pastellbilder an den Wänden prangten. Die Kopie von Doris Stock nach der Sixtinischen Madonna gehörte in Betreff der geistigen Auffassung zu den besten Arbeiten dieser Art. Sie mochte im Anfange dieses Jahrhunderts angefertigt sein, wo das unschätzbare Original sich in großer Vernachlässigung, wie es scheint, ohne einen genügenden Firniß befand: denn Doris Stock durfte den Kopf der Madonna und des Christkindes öfters mit einem feuchten Schwamme überfahren, um die Farben recht lebhaft hervortreten zu lassen. Ein Bildniß von Schiller, dessen Meister mir nicht mehr einfällt, zeigte ihn in der bekannten gebückten Haltung, den Kopf in die Hand gestützt. Von vorzüglichem Werthe schien mir ein Eigenbildniß von Emma Körner, Brustbild in einfachem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/64
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/64>, abgerufen am 19.05.2024.