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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Alle Artillerie, alles Gepäck, darunter der Reisewagen des Kaisers, und viele Gefangne fielen den Siegern in die Hände.

Napoleons Rolle in Frankreich war nun ausgespielt. Er wollte sich in Boulogne einschiffen, aber englische Kreuzer sperrten den Hafen. In der äußersten Noth schrieb er einen pathetischen Brief an den Prinz-Regenten von England, worin er als Flüchtling die Gastfreundschaft des englischen Volkes anrief. Vielleicht hätte man Grosmuth geübt, und ihn gelind behandelt, aber seine Entweichung von Elba hatte die Sieger gewitzigt, ihm nicht zu trauen. Ein englisches Kriegschiff, der Bellerophon, brachte ihn nach der wüsten Felseninsel S. Helena im atlantischen Oceane, wo er 5 Jahre lang den Qualen seines unersättlichen Ehrgeizes Preis gegeben, hinschmachtete, bis eine schmerzhafte Krankheit am 5. Mai 1821 seine Meteorlaufbahn endigte.

Diese wichtigen Ereignisse meiner Jugend habe ich mir mit aller Ausführlichkeit ins Gedächtniß zurückgerufen, weil es immer heilsam ist, dergleichen große Wendepunkte der Geschichte gegenwärtig zu behalten.

Nach dem Siege von Waterloo oder Belle-Alliance rückten die Preußen und Engländer ungesäumt vor Paris, das sich ohne Schwertstreich ergab. Ludwig XVIII., der seinen schwerfälligen Körper auf der Flucht bis Gent getragen, kehrte nach dem kurzen Intermezzo der 100 Tage wieder in seine Residenz zurück. Die Pariser nannten ihn daher statt Louis dix-huit: Louis tout-de-suite.

Diesmal wurde in Paris besser aufgeräumt, als im Jahre 1814. Aus einer unerklärlichen Galanterie hatte man damals alle geraubten Kunstwerke in Paris gelassen. Die politischen Erfolge, die man erreicht, waren so groß,

Alle Artillerie, alles Gepäck, darunter der Reisewagen des Kaisers, und viele Gefangne fielen den Siegern in die Hände.

Napoléons Rolle in Frankreich war nun ausgespielt. Er wollte sich in Boulogne einschiffen, aber englische Kreuzer sperrten den Hafen. In der äußersten Noth schrieb er einen pathetischen Brief an den Prinz-Regenten von England, worin er als Flüchtling die Gastfreundschaft des englischen Volkes anrief. Vielleicht hätte man Grosmuth geübt, und ihn gelind behandelt, aber seine Entweichung von Elba hatte die Sieger gewitzigt, ihm nicht zu trauen. Ein englisches Kriegschiff, der Bellerophon, brachte ihn nach der wüsten Felseninsel S. Helena im atlantischen Oceane, wo er 5 Jahre lang den Qualen seines unersättlichen Ehrgeizes Preis gegeben, hinschmachtete, bis eine schmerzhafte Krankheit am 5. Mai 1821 seine Meteorlaufbahn endigte.

Diese wichtigen Ereignisse meiner Jugend habe ich mir mit aller Ausführlichkeit ins Gedächtniß zurückgerufen, weil es immer heilsam ist, dergleichen große Wendepunkte der Geschichte gegenwärtig zu behalten.

Nach dem Siege von Waterloo oder Belle-Alliance rückten die Preußen und Engländer ungesäumt vor Paris, das sich ohne Schwertstreich ergab. Ludwig XVIII., der seinen schwerfälligen Körper auf der Flucht bis Gent getragen, kehrte nach dem kurzen Intermezzo der 100 Tage wieder in seine Residenz zurück. Die Pariser nannten ihn daher statt Louis dix-huit: Louis tout-de-suite.

Diesmal wurde in Paris besser aufgeräumt, als im Jahre 1814. Aus einer unerklärlichen Galanterie hatte man damals alle geraubten Kunstwerke in Paris gelassen. Die politischen Erfolge, die man erreicht, waren so groß,

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[42/0050] Alle Artillerie, alles Gepäck, darunter der Reisewagen des Kaisers, und viele Gefangne fielen den Siegern in die Hände. Napoléons Rolle in Frankreich war nun ausgespielt. Er wollte sich in Boulogne einschiffen, aber englische Kreuzer sperrten den Hafen. In der äußersten Noth schrieb er einen pathetischen Brief an den Prinz-Regenten von England, worin er als Flüchtling die Gastfreundschaft des englischen Volkes anrief. Vielleicht hätte man Grosmuth geübt, und ihn gelind behandelt, aber seine Entweichung von Elba hatte die Sieger gewitzigt, ihm nicht zu trauen. Ein englisches Kriegschiff, der Bellerophon, brachte ihn nach der wüsten Felseninsel S. Helena im atlantischen Oceane, wo er 5 Jahre lang den Qualen seines unersättlichen Ehrgeizes Preis gegeben, hinschmachtete, bis eine schmerzhafte Krankheit am 5. Mai 1821 seine Meteorlaufbahn endigte. Diese wichtigen Ereignisse meiner Jugend habe ich mir mit aller Ausführlichkeit ins Gedächtniß zurückgerufen, weil es immer heilsam ist, dergleichen große Wendepunkte der Geschichte gegenwärtig zu behalten. Nach dem Siege von Waterloo oder Belle-Alliance rückten die Preußen und Engländer ungesäumt vor Paris, das sich ohne Schwertstreich ergab. Ludwig XVIII., der seinen schwerfälligen Körper auf der Flucht bis Gent getragen, kehrte nach dem kurzen Intermezzo der 100 Tage wieder in seine Residenz zurück. Die Pariser nannten ihn daher statt Louis dix-huit: Louis tout-de-suite. Diesmal wurde in Paris besser aufgeräumt, als im Jahre 1814. Aus einer unerklärlichen Galanterie hatte man damals alle geraubten Kunstwerke in Paris gelassen. Die politischen Erfolge, die man erreicht, waren so groß,

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/50>, abgerufen am 22.11.2024.