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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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rung: erst viele Jahre später kam ich in die Lage, sie benutzen zu können. In dem langen, mit einem Tonnengewölbe versehenen Hauptsaale bemerkte man in der Wölbung nicht unbedeutende Risse, und unter den Bogen eine Menge dicker eiserner, von einer Seitenwand zur andern gezogener Stangen, die das Gewölbe zusammenzuhalten schienen. Und so war es in der That. Vor mehreren Jahren fingen die Risse in der Decke an, bedenklich zu werden; man zog die eisernen Stäbe durch die beiden Seitenmauern und befestigte sie von außen mit Schrauben. Durch gleichmäßiges starkes Kohlenfeuer dehnte das Eisen sich aus, die Schrauben konnten etwas angezogen werden, und die Gewalt des erkaltenden Metalles zog die Wölbung zusammen. Sollte dennoch, schloß Hase seine Erklärung, das Gewölbe einmal einstürzen, so wird der Bibliothekar sagen können: impavidum ferient ruinae!

Von den geraubten vatikanischen Handschriften, die nach Paris kamen, machte Hase einen sorgfältigen gelehrten Katalog, war aber nicht zum Drucke desselben zu bewegen. Als die Handschriften im Jahre 1816 in die römische Finsterniß zurückkehrten, würde manchem Gelehrten ein Verzeichniß derselben sehr willkommen gewesen sein. Viele Jahre nachher und kurz vor Hases Tode brachte ich ihm eine dringende Aufforderung von Immanuel Bekker zur Herausgabe des Kataloges, aber Hase erwiederte mit seiner langsamen deutlichen Sprache und dem gewöhnlichen sarkastischen Lächeln: ich glaube, die Ewigkeit wird ihren großen Gang gehn, ob ich nun das Verzeichniß herausgebe oder nicht!

Die Unzugänglichkeit der vatikanischen Schätze war Hasen sehr wohl bekannt; man hatte ihm in Rom Hand-

rung: erst viele Jahre später kam ich in die Lage, sie benutzen zu können. In dem langen, mit einem Tonnengewölbe versehenen Hauptsaale bemerkte man in der Wölbung nicht unbedeutende Risse, und unter den Bogen eine Menge dicker eiserner, von einer Seitenwand zur andern gezogener Stangen, die das Gewölbe zusammenzuhalten schienen. Und so war es in der That. Vor mehreren Jahren fingen die Risse in der Decke an, bedenklich zu werden; man zog die eisernen Stäbe durch die beiden Seitenmauern und befestigte sie von außen mit Schrauben. Durch gleichmäßiges starkes Kohlenfeuer dehnte das Eisen sich aus, die Schrauben konnten etwas angezogen werden, und die Gewalt des erkaltenden Metalles zog die Wölbung zusammen. Sollte dennoch, schloß Hase seine Erklärung, das Gewölbe einmal einstürzen, so wird der Bibliothekar sagen können: impavidum ferient ruinae!

Von den geraubten vatikanischen Handschriften, die nach Paris kamen, machte Hase einen sorgfältigen gelehrten Katalog, war aber nicht zum Drucke desselben zu bewegen. Als die Handschriften im Jahre 1816 in die römische Finsterniß zurückkehrten, würde manchem Gelehrten ein Verzeichniß derselben sehr willkommen gewesen sein. Viele Jahre nachher und kurz vor Hases Tode brachte ich ihm eine dringende Aufforderung von Immanuel Bekker zur Herausgabe des Kataloges, aber Hase erwiederte mit seiner langsamen deutlichen Sprache und dem gewöhnlichen sarkastischen Lächeln: ich glaube, die Ewigkeit wird ihren großen Gang gehn, ob ich nun das Verzeichniß herausgebe oder nicht!

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[466/0474] rung: erst viele Jahre später kam ich in die Lage, sie benutzen zu können. In dem langen, mit einem Tonnengewölbe versehenen Hauptsaale bemerkte man in der Wölbung nicht unbedeutende Risse, und unter den Bogen eine Menge dicker eiserner, von einer Seitenwand zur andern gezogener Stangen, die das Gewölbe zusammenzuhalten schienen. Und so war es in der That. Vor mehreren Jahren fingen die Risse in der Decke an, bedenklich zu werden; man zog die eisernen Stäbe durch die beiden Seitenmauern und befestigte sie von außen mit Schrauben. Durch gleichmäßiges starkes Kohlenfeuer dehnte das Eisen sich aus, die Schrauben konnten etwas angezogen werden, und die Gewalt des erkaltenden Metalles zog die Wölbung zusammen. Sollte dennoch, schloß Hase seine Erklärung, das Gewölbe einmal einstürzen, so wird der Bibliothekar sagen können: impavidum ferient ruinae! Von den geraubten vatikanischen Handschriften, die nach Paris kamen, machte Hase einen sorgfältigen gelehrten Katalog, war aber nicht zum Drucke desselben zu bewegen. Als die Handschriften im Jahre 1816 in die römische Finsterniß zurückkehrten, würde manchem Gelehrten ein Verzeichniß derselben sehr willkommen gewesen sein. Viele Jahre nachher und kurz vor Hases Tode brachte ich ihm eine dringende Aufforderung von Immanuel Bekker zur Herausgabe des Kataloges, aber Hase erwiederte mit seiner langsamen deutlichen Sprache und dem gewöhnlichen sarkastischen Lächeln: ich glaube, die Ewigkeit wird ihren großen Gang gehn, ob ich nun das Verzeichniß herausgebe oder nicht! Die Unzugänglichkeit der vatikanischen Schätze war Hasen sehr wohl bekannt; man hatte ihm in Rom Hand-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/474>, abgerufen am 23.06.2024.