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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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C'est bien, j'ai besoin de soldats! Er berechnete also schon jetzt, wie er die noch ungebornen Kinder seines Landes dereinst werde zur Schlachtbank führen können.

Als eine hohe Ehre mußte die Gräfin Perigord es betrachten, daß sie zur Dame d'honneur bei der Kaiserin Marie Luise ernannt ward. Als solche machte sie im Gefolge des Kaiserpaars eine Rundreise durch Frankreich mit, auf welcher ganz ungewohnte Mühen und Entbehrungen erduldet wurden. Bei der blitzartigen Schnelligkeit dieses Durchfluges waren alle Haltepunkte aufs genauste bestimmt; die 6 oder 8 Vierspänner für das Gefolge durften nicht eine Minute länger als vorgeschrieben beim Frühstück, Mittag- und Abendessen verweilen. Abtheilungen von Chasseurs de la Garde eröffeten und schlossen den Zug, um alles in Ordnung zu halten. Der Wagen des Kaiserpaars war in der Mitte durch eine Gardine getheilt, damit der gestrenge Herr, so oft er wollte, sich zum lesen oder schlafen isoliren könne. Nach dem Pferdewechsel auf jeder Station ritt der Reisemarschall an den kaiserlichen Wagen heran und fragte: Peut-on partir? Auf ein kurzes Kopfnicken sauste dann der ganze Zug in rasender Eile davon. Nun geschah es, daß auf einer Station der Reisemarschall, wie schon öfter, seine Frage an die Kaiserin richtete. Diese hatte den Kaiser nicht aussteigen gesehn, und gab das Zeichen zur Abfahrt. Als eben die letzten Wagen vorbeirauschten, tauchte der Kaiser mit unvollendeter unterer Toilette aus dem Chausseegraben auf, und schrie wie besessen: Arretez! Sehr bald kam der Zug zum stehen, der Kaiser tobte in ächt korsischem Zorne, und schickte den Reisemarschall auf sechs Wochen in Arrest.

C’est bien, j’ai besoin de soldats! Er berechnete also schon jetzt, wie er die noch ungebornen Kinder seines Landes dereinst werde zur Schlachtbank führen können.

Als eine hohe Ehre mußte die Gräfin Périgord es betrachten, daß sie zur Dame d’honneur bei der Kaiserin Marie Luise ernannt ward. Als solche machte sie im Gefolge des Kaiserpaars eine Rundreise durch Frankreich mit, auf welcher ganz ungewohnte Mühen und Entbehrungen erduldet wurden. Bei der blitzartigen Schnelligkeit dieses Durchfluges waren alle Haltepunkte aufs genauste bestimmt; die 6 oder 8 Vierspänner für das Gefolge durften nicht eine Minute länger als vorgeschrieben beim Frühstück, Mittag- und Abendessen verweilen. Abtheilungen von Chasseurs de la Garde eröffeten und schlossen den Zug, um alles in Ordnung zu halten. Der Wagen des Kaiserpaars war in der Mitte durch eine Gardine getheilt, damit der gestrenge Herr, so oft er wollte, sich zum lesen oder schlafen isoliren könne. Nach dem Pferdewechsel auf jeder Station ritt der Reisemarschall an den kaiserlichen Wagen heran und fragte: Peut-on partir? Auf ein kurzes Kopfnicken sauste dann der ganze Zug in rasender Eile davon. Nun geschah es, daß auf einer Station der Reisemarschall, wie schon öfter, seine Frage an die Kaiserin richtete. Diese hatte den Kaiser nicht aussteigen gesehn, und gab das Zeichen zur Abfahrt. Als eben die letzten Wagen vorbeirauschten, tauchte der Kaiser mit unvollendeter unterer Toilette aus dem Chausséegraben auf, und schrie wie besessen: Arrêtez! Sehr bald kam der Zug zum stehen, der Kaiser tobte in ächt korsischem Zorne, und schickte den Reisemarschall auf sechs Wochen in Arrest.

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[430/0438] C’est bien, j’ai besoin de soldats! Er berechnete also schon jetzt, wie er die noch ungebornen Kinder seines Landes dereinst werde zur Schlachtbank führen können. Als eine hohe Ehre mußte die Gräfin Périgord es betrachten, daß sie zur Dame d’honneur bei der Kaiserin Marie Luise ernannt ward. Als solche machte sie im Gefolge des Kaiserpaars eine Rundreise durch Frankreich mit, auf welcher ganz ungewohnte Mühen und Entbehrungen erduldet wurden. Bei der blitzartigen Schnelligkeit dieses Durchfluges waren alle Haltepunkte aufs genauste bestimmt; die 6 oder 8 Vierspänner für das Gefolge durften nicht eine Minute länger als vorgeschrieben beim Frühstück, Mittag- und Abendessen verweilen. Abtheilungen von Chasseurs de la Garde eröffeten und schlossen den Zug, um alles in Ordnung zu halten. Der Wagen des Kaiserpaars war in der Mitte durch eine Gardine getheilt, damit der gestrenge Herr, so oft er wollte, sich zum lesen oder schlafen isoliren könne. Nach dem Pferdewechsel auf jeder Station ritt der Reisemarschall an den kaiserlichen Wagen heran und fragte: Peut-on partir? Auf ein kurzes Kopfnicken sauste dann der ganze Zug in rasender Eile davon. Nun geschah es, daß auf einer Station der Reisemarschall, wie schon öfter, seine Frage an die Kaiserin richtete. Diese hatte den Kaiser nicht aussteigen gesehn, und gab das Zeichen zur Abfahrt. Als eben die letzten Wagen vorbeirauschten, tauchte der Kaiser mit unvollendeter unterer Toilette aus dem Chausséegraben auf, und schrie wie besessen: Arrêtez! Sehr bald kam der Zug zum stehen, der Kaiser tobte in ächt korsischem Zorne, und schickte den Reisemarschall auf sechs Wochen in Arrest.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/438>, abgerufen am 24.11.2024.