Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

um alles was in der Stadt vorgehe zu erfahren, und honorire ihn dafür sehr anständig.

Noch muß ich der beiden Gesellschaftsdamen der Herzogin erwähnen, einer Gräfin von Chassepot und einer Madame Waldron. Die erstere, von Geburt eine Kurländerin, glänzte in ihrer Jugend als Fräulein von Knabenau durch ausgezeichnete Schönheit, heirathete einen Baron von Rönne und nach dessen Tode einen Grafen von Chassepot (vielleicht den Grosvater des Erfinders der nach ihm benannten Gewehre). Ihr Gesicht von edlem Schnitte wurde durch Triefaugen entstellt, doch mit ihrer schlanken Gestalt konnte sie noch immer für eine gutkonservirte Frau gelten. Mit dem Grafen Chassepot lebte sie in sehr glücklicher Ehe, vielleicht mit aus dem Grunde, weil sie sich sehr wenig sahen; sie wohnte bei der Herzogin und er in einem nahe gelegenen Quartiere in der Stadt; ein allerliebstes Töchterchen Adele von 8 oder 9 Jahren war die ganze Freude der Mutter. Der Graf Chassepot, ein Legitimist vom Kopfe bis zur Zeh, rühmte sich, mit einem im Jahre 1815 in Belgien organisirten Freicorps bedeutende Kriegsthaten zu Gunsten der Restauration verübt zu haben; er wurde während meiner Anwesenheit in Paris als Oberst bei einem Regimente in Toulon angestellt. Seine Frau theilte seine ultraroyalistischen Gesinnungen.

Die Herzogin, früher eine enthusiastische Verehrerin Napoleons I., wendete sich bald von seinem unersättlichen Ehrgeize ab, nachdem auch Talleyrand schon i. J. 1808 angeblich wegen des spanischen Krieges sich von dem Kaiser zurückgezogen hatte. Die Herzogin stand jetzt auf der Seite der konstitutionellen Partei, die an dem Grund-

um alles was in der Stadt vorgehe zu erfahren, und honorire ihn dafür sehr anständig.

Noch muß ich der beiden Gesellschaftsdamen der Herzogin erwähnen, einer Gräfin von Chassepot und einer Madame Waldron. Die erstere, von Geburt eine Kurländerin, glänzte in ihrer Jugend als Fräulein von Knabenau durch ausgezeichnete Schönheit, heirathete einen Baron von Rönne und nach dessen Tode einen Grafen von Chassepot (vielleicht den Grosvater des Erfinders der nach ihm benannten Gewehre). Ihr Gesicht von edlem Schnitte wurde durch Triefaugen entstellt, doch mit ihrer schlanken Gestalt konnte sie noch immer für eine gutkonservirte Frau gelten. Mit dem Grafen Chassepot lebte sie in sehr glücklicher Ehe, vielleicht mit aus dem Grunde, weil sie sich sehr wenig sahen; sie wohnte bei der Herzogin und er in einem nahe gelegenen Quartiere in der Stadt; ein allerliebstes Töchterchen Adèle von 8 oder 9 Jahren war die ganze Freude der Mutter. Der Graf Chassepot, ein Legitimist vom Kopfe bis zur Zeh, rühmte sich, mit einem im Jahre 1815 in Belgien organisirten Freicorps bedeutende Kriegsthaten zu Gunsten der Restauration verübt zu haben; er wurde während meiner Anwesenheit in Paris als Oberst bei einem Regimente in Toulon angestellt. Seine Frau theilte seine ultraroyalistischen Gesinnungen.

Die Herzogin, früher eine enthusiastische Verehrerin Napoléons I., wendete sich bald von seinem unersättlichen Ehrgeize ab, nachdem auch Talleyrand schon i. J. 1808 angeblich wegen des spanischen Krieges sich von dem Kaiser zurückgezogen hatte. Die Herzogin stand jetzt auf der Seite der konstitutionellen Partei, die an dem Grund-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0426" n="418"/>
um alles was in der Stadt vorgehe zu erfahren, und honorire ihn dafür sehr anständig. </p><lb/>
        <p>Noch muß ich der beiden Gesellschaftsdamen der Herzogin erwähnen, einer Gräfin von Chassepot und einer Madame Waldron. Die erstere, von Geburt eine Kurländerin, glänzte in ihrer Jugend als Fräulein von Knabenau durch ausgezeichnete Schönheit, heirathete einen Baron von Rönne und nach dessen Tode einen Grafen von Chassepot (vielleicht den Grosvater des Erfinders der nach ihm benannten Gewehre). Ihr Gesicht von edlem Schnitte wurde durch Triefaugen entstellt, doch mit ihrer schlanken Gestalt konnte sie noch immer für eine gutkonservirte Frau gelten. Mit dem Grafen Chassepot lebte sie in sehr glücklicher Ehe, vielleicht mit aus dem Grunde, weil sie sich sehr wenig sahen; sie wohnte bei der Herzogin und er in einem nahe gelegenen Quartiere in der Stadt; ein allerliebstes Töchterchen Adèle von 8 oder 9 Jahren war die ganze Freude der Mutter. Der Graf Chassepot, ein Legitimist vom Kopfe bis zur Zeh, rühmte sich, mit einem im Jahre 1815 in Belgien organisirten Freicorps bedeutende Kriegsthaten zu Gunsten der Restauration verübt zu haben; er wurde während meiner Anwesenheit in Paris als Oberst bei einem Regimente in Toulon angestellt. Seine Frau theilte seine ultraroyalistischen Gesinnungen. </p><lb/>
        <p>Die Herzogin, früher eine enthusiastische Verehrerin Napoléons I., wendete sich bald von seinem unersättlichen Ehrgeize ab, nachdem auch Talleyrand schon i. J. 1808 angeblich wegen des spanischen Krieges sich von dem Kaiser zurückgezogen hatte. Die Herzogin stand jetzt auf der Seite der konstitutionellen Partei, die an dem Grund-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[418/0426] um alles was in der Stadt vorgehe zu erfahren, und honorire ihn dafür sehr anständig. Noch muß ich der beiden Gesellschaftsdamen der Herzogin erwähnen, einer Gräfin von Chassepot und einer Madame Waldron. Die erstere, von Geburt eine Kurländerin, glänzte in ihrer Jugend als Fräulein von Knabenau durch ausgezeichnete Schönheit, heirathete einen Baron von Rönne und nach dessen Tode einen Grafen von Chassepot (vielleicht den Grosvater des Erfinders der nach ihm benannten Gewehre). Ihr Gesicht von edlem Schnitte wurde durch Triefaugen entstellt, doch mit ihrer schlanken Gestalt konnte sie noch immer für eine gutkonservirte Frau gelten. Mit dem Grafen Chassepot lebte sie in sehr glücklicher Ehe, vielleicht mit aus dem Grunde, weil sie sich sehr wenig sahen; sie wohnte bei der Herzogin und er in einem nahe gelegenen Quartiere in der Stadt; ein allerliebstes Töchterchen Adèle von 8 oder 9 Jahren war die ganze Freude der Mutter. Der Graf Chassepot, ein Legitimist vom Kopfe bis zur Zeh, rühmte sich, mit einem im Jahre 1815 in Belgien organisirten Freicorps bedeutende Kriegsthaten zu Gunsten der Restauration verübt zu haben; er wurde während meiner Anwesenheit in Paris als Oberst bei einem Regimente in Toulon angestellt. Seine Frau theilte seine ultraroyalistischen Gesinnungen. Die Herzogin, früher eine enthusiastische Verehrerin Napoléons I., wendete sich bald von seinem unersättlichen Ehrgeize ab, nachdem auch Talleyrand schon i. J. 1808 angeblich wegen des spanischen Krieges sich von dem Kaiser zurückgezogen hatte. Die Herzogin stand jetzt auf der Seite der konstitutionellen Partei, die an dem Grund-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/426
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/426>, abgerufen am 11.06.2024.