Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

jugendlichen Gestalten umflossen. Das Bild mochte im Anfange dieses Jahrhunderts gemalt sein; schwerlich würde man jetzt etwas ähnliches in einem Gesellschaftsaale aufhängen.

Mein kleiner Reisewagen hatte sich bei den letzten Fahrten von Heidelberg gut gehalten; Johann trat jetzt seinen Dienst an, ordnete alles mit vieler Umsicht, und ich fand es bald höchst bequem, für die großen und kleinen Reisebedürfnisse nicht mehr selbst zu sorgen.

Am 26. Oktober 1820 verließen wir Löbichau, und erreichten nach zwei kleinen Tagereisen Baireuth, wo die Herzogin sogleich den Legationsrath Richter zum Abend einladen ließ. Den vielverehrten Jean Paul von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, gewährte mir eine unbeschreibliche Freude; ich fand ihn dem Bilde recht ähnlich, das ich mir nach Lesung seiner Schriften und nach Emiliens Beschreibung von ihm gemacht. Seine Korpulenz gab ihm etwas unbehülfliches, sein Gesicht glich dem eines ehrlichen Pächters, aber auf der hohen, schöngewölbten Stirn thronte ein hervorragender Geist. Seinen Humor zu zeigen fand er wenig Gelegenheit; nach einigen kleinen Proben sah man, daß er durchaus trocken, d. h. von dem Mantel des Ernstes umhüllt sei, wie dies in dem unschätzbaren Kleinode: Attila Schmelzles Reise nach Fläz, durchgängig der Fall ist. Als die Herzogin bedauerte, ihm keinen Thee anbieten zu können, da sie von Löbichau her wisse, daß er denselben nicht trinke, so sagte er mit der größten Harmlosigkeit: "Ei, wenn Ew. Durchlaucht gütigst erlauben, so setze ich mein Bierkrügel neben die Theetassen." Und alsbald erschien ein Humpen des besten baireuther Bieres, der im Laufe des Abends unter den

jugendlichen Gestalten umflossen. Das Bild mochte im Anfange dieses Jahrhunderts gemalt sein; schwerlich würde man jetzt etwas ähnliches in einem Gesellschaftsaale aufhängen.

Mein kleiner Reisewagen hatte sich bei den letzten Fahrten von Heidelberg gut gehalten; Johann trat jetzt seinen Dienst an, ordnete alles mit vieler Umsicht, und ich fand es bald höchst bequem, für die großen und kleinen Reisebedürfnisse nicht mehr selbst zu sorgen.

Am 26. Oktober 1820 verließen wir Löbichau, und erreichten nach zwei kleinen Tagereisen Baireuth, wo die Herzogin sogleich den Legationsrath Richter zum Abend einladen ließ. Den vielverehrten Jean Paul von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, gewährte mir eine unbeschreibliche Freude; ich fand ihn dem Bilde recht ähnlich, das ich mir nach Lesung seiner Schriften und nach Emiliens Beschreibung von ihm gemacht. Seine Korpulenz gab ihm etwas unbehülfliches, sein Gesicht glich dem eines ehrlichen Pächters, aber auf der hohen, schöngewölbten Stirn thronte ein hervorragender Geist. Seinen Humor zu zeigen fand er wenig Gelegenheit; nach einigen kleinen Proben sah man, daß er durchaus trocken, d. h. von dem Mantel des Ernstes umhüllt sei, wie dies in dem unschätzbaren Kleinode: Attila Schmelzles Reise nach Fläz, durchgängig der Fall ist. Als die Herzogin bedauerte, ihm keinen Thee anbieten zu können, da sie von Löbichau her wisse, daß er denselben nicht trinke, so sagte er mit der größten Harmlosigkeit: „Ei, wenn Ew. Durchlaucht gütigst erlauben, so setze ich mein Bierkrügel neben die Theetassen.“ Und alsbald erschien ein Humpen des besten baireuther Bieres, der im Laufe des Abends unter den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0418" n="410"/>
jugendlichen Gestalten umflossen. Das Bild mochte im Anfange dieses Jahrhunderts gemalt sein; schwerlich würde man jetzt etwas ähnliches in einem Gesellschaftsaale aufhängen. </p><lb/>
        <p>Mein kleiner Reisewagen hatte sich bei den letzten Fahrten von Heidelberg gut gehalten; Johann trat jetzt seinen Dienst an, ordnete alles mit vieler Umsicht, und ich fand es bald höchst bequem, für die großen und kleinen Reisebedürfnisse nicht mehr selbst zu sorgen. </p><lb/>
        <p>Am 26. Oktober 1820 verließen wir Löbichau, und erreichten nach zwei kleinen Tagereisen Baireuth, wo die Herzogin sogleich den Legationsrath Richter zum Abend einladen ließ. Den vielverehrten Jean Paul von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, gewährte mir eine unbeschreibliche Freude; ich fand ihn dem Bilde recht ähnlich, das ich mir nach Lesung seiner Schriften und nach Emiliens Beschreibung von ihm gemacht. Seine Korpulenz gab ihm etwas unbehülfliches, sein Gesicht glich dem eines ehrlichen Pächters, aber auf der hohen, schöngewölbten Stirn thronte ein hervorragender Geist. Seinen Humor zu zeigen fand er wenig Gelegenheit; nach einigen kleinen Proben sah man, daß er durchaus trocken, d. h. von dem Mantel des Ernstes umhüllt sei, wie dies in dem unschätzbaren Kleinode: Attila Schmelzles Reise nach Fläz, durchgängig der Fall ist. Als die Herzogin bedauerte, ihm keinen Thee anbieten zu können, da sie von Löbichau her wisse, daß er denselben nicht trinke, so sagte er mit der größten Harmlosigkeit: &#x201E;Ei, wenn Ew. Durchlaucht gütigst erlauben, so setze ich mein Bierkrügel neben die Theetassen.&#x201C; Und alsbald erschien ein Humpen des besten baireuther Bieres, der im Laufe des Abends unter den
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0418] jugendlichen Gestalten umflossen. Das Bild mochte im Anfange dieses Jahrhunderts gemalt sein; schwerlich würde man jetzt etwas ähnliches in einem Gesellschaftsaale aufhängen. Mein kleiner Reisewagen hatte sich bei den letzten Fahrten von Heidelberg gut gehalten; Johann trat jetzt seinen Dienst an, ordnete alles mit vieler Umsicht, und ich fand es bald höchst bequem, für die großen und kleinen Reisebedürfnisse nicht mehr selbst zu sorgen. Am 26. Oktober 1820 verließen wir Löbichau, und erreichten nach zwei kleinen Tagereisen Baireuth, wo die Herzogin sogleich den Legationsrath Richter zum Abend einladen ließ. Den vielverehrten Jean Paul von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, gewährte mir eine unbeschreibliche Freude; ich fand ihn dem Bilde recht ähnlich, das ich mir nach Lesung seiner Schriften und nach Emiliens Beschreibung von ihm gemacht. Seine Korpulenz gab ihm etwas unbehülfliches, sein Gesicht glich dem eines ehrlichen Pächters, aber auf der hohen, schöngewölbten Stirn thronte ein hervorragender Geist. Seinen Humor zu zeigen fand er wenig Gelegenheit; nach einigen kleinen Proben sah man, daß er durchaus trocken, d. h. von dem Mantel des Ernstes umhüllt sei, wie dies in dem unschätzbaren Kleinode: Attila Schmelzles Reise nach Fläz, durchgängig der Fall ist. Als die Herzogin bedauerte, ihm keinen Thee anbieten zu können, da sie von Löbichau her wisse, daß er denselben nicht trinke, so sagte er mit der größten Harmlosigkeit: „Ei, wenn Ew. Durchlaucht gütigst erlauben, so setze ich mein Bierkrügel neben die Theetassen.“ Und alsbald erschien ein Humpen des besten baireuther Bieres, der im Laufe des Abends unter den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/418
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/418>, abgerufen am 24.11.2024.