Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

lange gewartet, um eine gute Nummer zu treffen, wie eine innere Stimme ihm gesagt: jetzt ist es Zeit! wie er dann voll Siegeszuversicht seinen Gulden hingelegt, und wie unmittelbar darauf der bestialisch aussehende Croupier das Geldstück mit seiner hölzernen Harke weggeharkt. Uebrigens mußte er eingestehn, daß er nach dem Verluste der beiden Gulden eine fast unwiderstehliche Begierde empfunden, noch mehr zu setzen, und daß ihm dabei die Wahrheit dessen klar geworden, was man in den moralischen Lehrbüchern von der Versuchung des Teufels lese. Paul von Medem dagegen, der älteste der beiden Brüder, spielte Rouge et Noir mit solchem Geschick und Glück, daß er eines Abends eine erkleckliche Anzahl Napoleons heimbrachte.

Schon in jener Zeit wurde Baden von vielen französischen vornehmen Herren und Damen besucht, und dies waren die ärgsten Spieler. Eine alte Gräfin Montbuisson ließ sich alle Tage eine schwere Schatulle von dem Bedienten zur Bank nachtragen; sie verlebte hier ganze Stunden und fühlte sich heimisch am Spieltische. Ihr fahles Gesicht ward von einer grünen Brille und einer schwarzen Kapuze entstellt; sie zitterte mit der Hand, so oft sie ein Goldstück hinschob, und fiel in ihren Stuhl zurück, wenn sie verlor. Ein alter französischer Offizier mit dem Bande der Ehrenlegion im Knopfloche, ganz kahl bis auf zwei von den Schläfen abstehende weiße Locken, legte beide Hände auf sein spanisches Rohr, und stützte das Kinn darauf, so daß die schwere rothe Nase wie eine Gurke herabhing. Er verzog keine Miene weder beim Gewinne noch beim Verluste, sondern starrte mit einem fürchterlich gläsernen Blicke nach dem unablässig schnurrenden und

lange gewartet, um eine gute Nummer zu treffen, wie eine innere Stimme ihm gesagt: jetzt ist es Zeit! wie er dann voll Siegeszuversicht seinen Gulden hingelegt, und wie unmittelbar darauf der bestialisch aussehende Croupier das Geldstück mit seiner hölzernen Harke weggeharkt. Uebrigens mußte er eingestehn, daß er nach dem Verluste der beiden Gulden eine fast unwiderstehliche Begierde empfunden, noch mehr zu setzen, und daß ihm dabei die Wahrheit dessen klar geworden, was man in den moralischen Lehrbüchern von der Versuchung des Teufels lese. Paul von Medem dagegen, der älteste der beiden Brüder, spielte Rouge et Noir mit solchem Geschick und Glück, daß er eines Abends eine erkleckliche Anzahl Napoléons heimbrachte.

Schon in jener Zeit wurde Baden von vielen französischen vornehmen Herren und Damen besucht, und dies waren die ärgsten Spieler. Eine alte Gräfin Montbuisson ließ sich alle Tage eine schwere Schatulle von dem Bedienten zur Bank nachtragen; sie verlebte hier ganze Stunden und fühlte sich heimisch am Spieltische. Ihr fahles Gesicht ward von einer grünen Brille und einer schwarzen Kapuze entstellt; sie zitterte mit der Hand, so oft sie ein Goldstück hinschob, und fiel in ihren Stuhl zurück, wenn sie verlor. Ein alter französischer Offizier mit dem Bande der Ehrenlegion im Knopfloche, ganz kahl bis auf zwei von den Schläfen abstehende weiße Locken, legte beide Hände auf sein spanisches Rohr, und stützte das Kinn darauf, so daß die schwere rothe Nase wie eine Gurke herabhing. Er verzog keine Miene weder beim Gewinne noch beim Verluste, sondern starrte mit einem fürchterlich gläsernen Blicke nach dem unablässig schnurrenden und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0388" n="380"/>
lange gewartet, um eine gute Nummer zu treffen, wie eine innere Stimme ihm gesagt: jetzt ist es Zeit! wie er dann voll Siegeszuversicht seinen Gulden hingelegt, und wie unmittelbar darauf der bestialisch aussehende Croupier das Geldstück mit seiner hölzernen Harke weggeharkt. Uebrigens mußte er eingestehn, daß er nach dem Verluste der beiden Gulden eine fast unwiderstehliche Begierde empfunden, noch mehr zu setzen, und daß ihm dabei die Wahrheit dessen klar geworden, was man in den moralischen Lehrbüchern von der Versuchung des Teufels lese. Paul von Medem dagegen, der älteste der beiden Brüder, spielte Rouge et Noir mit solchem Geschick und Glück, daß er eines Abends eine erkleckliche Anzahl Napoléons heimbrachte. </p><lb/>
        <p>Schon in jener Zeit wurde Baden von vielen französischen vornehmen Herren und Damen besucht, und dies waren die ärgsten Spieler. Eine alte Gräfin Montbuisson ließ sich alle Tage eine schwere Schatulle von dem Bedienten zur Bank nachtragen; sie verlebte hier ganze Stunden und fühlte sich heimisch am Spieltische. Ihr fahles Gesicht ward von einer grünen Brille und einer schwarzen Kapuze entstellt; sie zitterte mit der Hand, so oft sie ein Goldstück hinschob, und fiel in ihren Stuhl zurück, wenn sie verlor. Ein alter französischer Offizier mit dem Bande der Ehrenlegion im Knopfloche, ganz kahl bis auf zwei von den Schläfen abstehende weiße Locken, legte beide Hände auf sein spanisches Rohr, und stützte das Kinn darauf, so daß die schwere rothe Nase wie eine Gurke herabhing. Er verzog keine Miene weder beim Gewinne noch beim Verluste, sondern starrte mit einem fürchterlich gläsernen Blicke nach dem unablässig schnurrenden und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0388] lange gewartet, um eine gute Nummer zu treffen, wie eine innere Stimme ihm gesagt: jetzt ist es Zeit! wie er dann voll Siegeszuversicht seinen Gulden hingelegt, und wie unmittelbar darauf der bestialisch aussehende Croupier das Geldstück mit seiner hölzernen Harke weggeharkt. Uebrigens mußte er eingestehn, daß er nach dem Verluste der beiden Gulden eine fast unwiderstehliche Begierde empfunden, noch mehr zu setzen, und daß ihm dabei die Wahrheit dessen klar geworden, was man in den moralischen Lehrbüchern von der Versuchung des Teufels lese. Paul von Medem dagegen, der älteste der beiden Brüder, spielte Rouge et Noir mit solchem Geschick und Glück, daß er eines Abends eine erkleckliche Anzahl Napoléons heimbrachte. Schon in jener Zeit wurde Baden von vielen französischen vornehmen Herren und Damen besucht, und dies waren die ärgsten Spieler. Eine alte Gräfin Montbuisson ließ sich alle Tage eine schwere Schatulle von dem Bedienten zur Bank nachtragen; sie verlebte hier ganze Stunden und fühlte sich heimisch am Spieltische. Ihr fahles Gesicht ward von einer grünen Brille und einer schwarzen Kapuze entstellt; sie zitterte mit der Hand, so oft sie ein Goldstück hinschob, und fiel in ihren Stuhl zurück, wenn sie verlor. Ein alter französischer Offizier mit dem Bande der Ehrenlegion im Knopfloche, ganz kahl bis auf zwei von den Schläfen abstehende weiße Locken, legte beide Hände auf sein spanisches Rohr, und stützte das Kinn darauf, so daß die schwere rothe Nase wie eine Gurke herabhing. Er verzog keine Miene weder beim Gewinne noch beim Verluste, sondern starrte mit einem fürchterlich gläsernen Blicke nach dem unablässig schnurrenden und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/388
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/388>, abgerufen am 11.06.2024.