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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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so wendete man die Folter an, um die confessio zu erlangen. Nun nahm man die Tortur, jenes nothwendige Glied aus dem Prozesse weg, verlangte aber gleichwohl die convictio und confessio, suchte auch wohl die letztere durch gelinden Zwang, schlechte Kost, enge Wohnung und dergleichen herbeizuführen. Diese innere Mangelhaftigkeit des neueren Prozesses dränge nothwendig zur Einführung der Schwurgerichte, der einzigen guten Erbschaft des Franzosenregimentes in den Rheinprovinzen.

Gerlach ging zu Ostern 1820 nach Göttingen, wendete sich von der Jurisprudenz zur Theologie, und vertrat hier die allerstrengste kirchliche Richtung, die sich besonders in Ehescheidungsachen auf die schroffste Weise kund gab. Auch hier glaubte er seiner persönlichen religiösen Ueberzeugung ohne Rücksicht auf die bestehenden Staatseinrichtungen folgen zu müssen. Seine Predigten in der Elisabethkirche übten, durch ein gewaltiges, zum Herzen sprechendes Organ unterstützt, im Kreise seiner gleichgesinnten, strenggläubigen Gemeinde einen tiefgreifenden Einfluß. Die Anmerkungen zu seiner Bibelausgabe zeugen, wie kompetente Freunde mich versichern, von einer gediegenen theologischen Gelehrsamkeit im Dienste der Orthodoxie. Bis zu seinem frühzeitigen allgemein bedauerten Tode sind wir immer in guter Freundschaft geblieben.

Ein andrer berliner Bekannter vom Grauen Kloster her, Herr von dem Knesebecke, zog zu Ostern 1820 in die Heppei, welche bei ihrer Kleinheit das Geheimniß zu besitzen schien, die Studentenwohnungen zu vervielfältigen. Er war auf der Violine ungefähr eben so weit als ich auf dem Cello, wir paßten also sehr gut zusammen, um leichte Duetten von Pleyel u. a. zu spielen. Trotz

so wendete man die Folter an, um die confessio zu erlangen. Nun nahm man die Tortur, jenes nothwendige Glied aus dem Prozesse weg, verlangte aber gleichwohl die convictio und confessio, suchte auch wohl die letztere durch gelinden Zwang, schlechte Kost, enge Wohnung und dergleichen herbeizuführen. Diese innere Mangelhaftigkeit des neueren Prozesses dränge nothwendig zur Einführung der Schwurgerichte, der einzigen guten Erbschaft des Franzosenregimentes in den Rheinprovinzen.

Gerlach ging zu Ostern 1820 nach Göttingen, wendete sich von der Jurisprudenz zur Theologie, und vertrat hier die allerstrengste kirchliche Richtung, die sich besonders in Ehescheidungsachen auf die schroffste Weise kund gab. Auch hier glaubte er seiner persönlichen religiösen Ueberzeugung ohne Rücksicht auf die bestehenden Staatseinrichtungen folgen zu müssen. Seine Predigten in der Elisabethkirche übten, durch ein gewaltiges, zum Herzen sprechendes Organ unterstützt, im Kreise seiner gleichgesinnten, strenggläubigen Gemeinde einen tiefgreifenden Einfluß. Die Anmerkungen zu seiner Bibelausgabe zeugen, wie kompetente Freunde mich versichern, von einer gediegenen theologischen Gelehrsamkeit im Dienste der Orthodoxie. Bis zu seinem frühzeitigen allgemein bedauerten Tode sind wir immer in guter Freundschaft geblieben.

Ein andrer berliner Bekannter vom Grauen Kloster her, Herr von dem Knesebecke, zog zu Ostern 1820 in die Heppei, welche bei ihrer Kleinheit das Geheimniß zu besitzen schien, die Studentenwohnungen zu vervielfältigen. Er war auf der Violine ungefähr eben so weit als ich auf dem Cello, wir paßten also sehr gut zusammen, um leichte Duetten von Pleyel u. a. zu spielen. Trotz

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[370/0378] so wendete man die Folter an, um die confessio zu erlangen. Nun nahm man die Tortur, jenes nothwendige Glied aus dem Prozesse weg, verlangte aber gleichwohl die convictio und confessio, suchte auch wohl die letztere durch gelinden Zwang, schlechte Kost, enge Wohnung und dergleichen herbeizuführen. Diese innere Mangelhaftigkeit des neueren Prozesses dränge nothwendig zur Einführung der Schwurgerichte, der einzigen guten Erbschaft des Franzosenregimentes in den Rheinprovinzen. Gerlach ging zu Ostern 1820 nach Göttingen, wendete sich von der Jurisprudenz zur Theologie, und vertrat hier die allerstrengste kirchliche Richtung, die sich besonders in Ehescheidungsachen auf die schroffste Weise kund gab. Auch hier glaubte er seiner persönlichen religiösen Ueberzeugung ohne Rücksicht auf die bestehenden Staatseinrichtungen folgen zu müssen. Seine Predigten in der Elisabethkirche übten, durch ein gewaltiges, zum Herzen sprechendes Organ unterstützt, im Kreise seiner gleichgesinnten, strenggläubigen Gemeinde einen tiefgreifenden Einfluß. Die Anmerkungen zu seiner Bibelausgabe zeugen, wie kompetente Freunde mich versichern, von einer gediegenen theologischen Gelehrsamkeit im Dienste der Orthodoxie. Bis zu seinem frühzeitigen allgemein bedauerten Tode sind wir immer in guter Freundschaft geblieben. Ein andrer berliner Bekannter vom Grauen Kloster her, Herr von dem Knesebecke, zog zu Ostern 1820 in die Heppei, welche bei ihrer Kleinheit das Geheimniß zu besitzen schien, die Studentenwohnungen zu vervielfältigen. Er war auf der Violine ungefähr eben so weit als ich auf dem Cello, wir paßten also sehr gut zusammen, um leichte Duetten von Pleyel u. a. zu spielen. Trotz

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/378>, abgerufen am 11.06.2024.