Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].und linken Rockschoß des Königs auf, und ein dritter schob ihm den schweren Sessel unter den Leib. Während der Mahlzeit, die aus sehr vielen Schüsseln bestand, ward nicht ein lautes Wort gesprochen, und jeder blickte nur auf seinen Teller. Unser gerechtes Erstaunen erregte die ganz unglaubliche Quantität der Speisen, die von den königlichen Personen, besonders von den beiden jungen Prinzen Friedrich und Johann verzehrt wurde. Das Volumen des genossenen schien die gewöhnliche Capacität eines menschlichen Magens weit zu übersteigen, und doch waren alle die hohen Herrschaften mehr mager als wohlbeleibt zu nennen. Auf dem Rückwege erregte die Erinnerung an das Aufheben der Rockschöße des Königs unser herzlichstes Lachen, in das zuletzt auch die dresdner Cousinen einstimmten, die trotz aller Abneigung gegen das, dem Lande gänzlich fremde, katholische Regentenhaus, doch nicht leicht die Ehre desselben antasten ließen. Unsre Lust ward erhöht, als mein Vater, halb im Ernst, halb im Scherz, den König in Schutz nahm, und die Meinung aussprach, daß die Sache doch so ganz uneben nicht sei. Beim nächsten Mittagessen versuchten Paul und ich, zur allgemeinen Erheiterung, jenen Kammerherrndienst bei ihm zu verrichten. Auch an einem großen öffentlichen Spektakelstück sollte es bei unserm Aufenthalte in Dresden nicht fehlen. Am 21. August 1819 sahen wir den feierlichen Einzug eines spanischen Gesandten, der für seinen Herrn, den König Ferdinand VII. um die Hand der sächsischen Prinzessin Maria Josephina, die außerdem noch 14 andre Vornamen führte, werben sollte. Die kolossalen vergoldeten Hofwagen, die altmodischen Livreen der Bedienten, die gepuderten und linken Rockschoß des Königs auf, und ein dritter schob ihm den schweren Sessel unter den Leib. Während der Mahlzeit, die aus sehr vielen Schüsseln bestand, ward nicht ein lautes Wort gesprochen, und jeder blickte nur auf seinen Teller. Unser gerechtes Erstaunen erregte die ganz unglaubliche Quantität der Speisen, die von den königlichen Personen, besonders von den beiden jungen Prinzen Friedrich und Johann verzehrt wurde. Das Volumen des genossenen schien die gewöhnliche Capacität eines menschlichen Magens weit zu übersteigen, und doch waren alle die hohen Herrschaften mehr mager als wohlbeleibt zu nennen. Auf dem Rückwege erregte die Erinnerung an das Aufheben der Rockschöße des Königs unser herzlichstes Lachen, in das zuletzt auch die dresdner Cousinen einstimmten, die trotz aller Abneigung gegen das, dem Lande gänzlich fremde, katholische Regentenhaus, doch nicht leicht die Ehre desselben antasten ließen. Unsre Lust ward erhöht, als mein Vater, halb im Ernst, halb im Scherz, den König in Schutz nahm, und die Meinung aussprach, daß die Sache doch so ganz uneben nicht sei. Beim nächsten Mittagessen versuchten Paul und ich, zur allgemeinen Erheiterung, jenen Kammerherrndienst bei ihm zu verrichten. Auch an einem großen öffentlichen Spektakelstück sollte es bei unserm Aufenthalte in Dresden nicht fehlen. Am 21. August 1819 sahen wir den feierlichen Einzug eines spanischen Gesandten, der für seinen Herrn, den König Ferdinand VII. um die Hand der sächsischen Prinzessin Maria Josephina, die außerdem noch 14 andre Vornamen führte, werben sollte. Die kolossalen vergoldeten Hofwagen, die altmodischen Livreen der Bedienten, die gepuderten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0311" n="303"/> und linken Rockschoß des Königs auf, und ein dritter schob ihm den schweren Sessel unter den Leib. Während der Mahlzeit, die aus sehr vielen Schüsseln bestand, ward nicht ein lautes Wort gesprochen, und jeder blickte nur auf seinen Teller. Unser gerechtes Erstaunen erregte die ganz unglaubliche Quantität der Speisen, die von den königlichen Personen, besonders von den beiden jungen Prinzen Friedrich und Johann verzehrt wurde. 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und linken Rockschoß des Königs auf, und ein dritter schob ihm den schweren Sessel unter den Leib. Während der Mahlzeit, die aus sehr vielen Schüsseln bestand, ward nicht ein lautes Wort gesprochen, und jeder blickte nur auf seinen Teller. Unser gerechtes Erstaunen erregte die ganz unglaubliche Quantität der Speisen, die von den königlichen Personen, besonders von den beiden jungen Prinzen Friedrich und Johann verzehrt wurde. Das Volumen des genossenen schien die gewöhnliche Capacität eines menschlichen Magens weit zu übersteigen, und doch waren alle die hohen Herrschaften mehr mager als wohlbeleibt zu nennen.
Auf dem Rückwege erregte die Erinnerung an das Aufheben der Rockschöße des Königs unser herzlichstes Lachen, in das zuletzt auch die dresdner Cousinen einstimmten, die trotz aller Abneigung gegen das, dem Lande gänzlich fremde, katholische Regentenhaus, doch nicht leicht die Ehre desselben antasten ließen. Unsre Lust ward erhöht, als mein Vater, halb im Ernst, halb im Scherz, den König in Schutz nahm, und die Meinung aussprach, daß die Sache doch so ganz uneben nicht sei. Beim nächsten Mittagessen versuchten Paul und ich, zur allgemeinen Erheiterung, jenen Kammerherrndienst bei ihm zu verrichten.
Auch an einem großen öffentlichen Spektakelstück sollte es bei unserm Aufenthalte in Dresden nicht fehlen. Am 21. August 1819 sahen wir den feierlichen Einzug eines spanischen Gesandten, der für seinen Herrn, den König Ferdinand VII. um die Hand der sächsischen Prinzessin Maria Josephina, die außerdem noch 14 andre Vornamen führte, werben sollte. Die kolossalen vergoldeten Hofwagen, die altmodischen Livreen der Bedienten, die gepuderten
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