Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].in der deutschen Litteratur kenne er Autoren, die er über Shakspeare setze. Auf unsre ungeduldige Frage, wer das sein könne, nannte er zu unsrer unbeschreiblichen Ueberraschung - Kotzebue! Gegen eine solche Behauptung verstummte natürlich jeder Widerspruch, aber Seymour war von einer so großen, ächt englischen Hartnäckigkeit, daß er nicht eher nachließ, als bis wir eins der kleinen Stücke von seinem Lieblinge Kotzebue zur Uebung ins englische übersetzten. Inzwischen machte ich mich auf eigne Hand an den Shakspeare, von dem der Grosvater mehrere der besten Aufgaben (Malone, Johnson und Steevens) angeschafft, und sah zu meiner Freude, daß mit etwas Ausdauer recht gut durchzukommen sei. Da ich eben Kotzebues erwähnte, so will ich hier anführen, daß die Nachricht von seiner Ermordung am 23. März, in Berlin erst am 1. April 1819 anlangte, als wir eben beschäftigt waren, eins seiner kleinen Stücke ins englische zu übersetzen. Die Verwunderung war nicht viel kleiner als die Entrüstung, und in den von mir besuchten Studentenkreisen fand sich nicht ein einziger Kommilitone, der die That gebilligt hätte. Welch' eine heillose Begriffsverwirrung mußte in den Köpfen der Jenenser Burschenschafter herrschen, daß sie sich einbilden konnten, durch eine solche Blutthat, an dem alleroberflächlichsten Scribenten vollbracht, auch nur das allermindeste zum Wohle oder zur Einigung Deutschlands beizutragen! Kotzebue lebte in Mannheim als Privatmann von dem Ertrage seiner überaus fruchtbaren Feder. Man erzählte von ihm, daß er alle Morgen gleich nach dem Aufstehen sich an den Schreibtisch setze, und nicht eher zum Frühstück sich erhebe, als bis er Manuscript für in der deutschen Litteratur kenne er Autoren, die er über Shakspeare setze. Auf unsre ungeduldige Frage, wer das sein könne, nannte er zu unsrer unbeschreiblichen Ueberraschung – Kotzebue! Gegen eine solche Behauptung verstummte natürlich jeder Widerspruch, aber Seymour war von einer so großen, ächt englischen Hartnäckigkeit, daß er nicht eher nachließ, als bis wir eins der kleinen Stücke von seinem Lieblinge Kotzebue zur Uebung ins englische übersetzten. Inzwischen machte ich mich auf eigne Hand an den Shakspeare, von dem der Grosvater mehrere der besten Aufgaben (Malone, Johnson und Steevens) angeschafft, und sah zu meiner Freude, daß mit etwas Ausdauer recht gut durchzukommen sei. Da ich eben Kotzebues erwähnte, so will ich hier anführen, daß die Nachricht von seiner Ermordung am 23. März, in Berlin erst am 1. April 1819 anlangte, als wir eben beschäftigt waren, eins seiner kleinen Stücke ins englische zu übersetzen. Die Verwunderung war nicht viel kleiner als die Entrüstung, und in den von mir besuchten Studentenkreisen fand sich nicht ein einziger Kommilitone, der die That gebilligt hätte. Welch’ eine heillose Begriffsverwirrung mußte in den Köpfen der Jenenser Burschenschafter herrschen, daß sie sich einbilden konnten, durch eine solche Blutthat, an dem alleroberflächlichsten Scribenten vollbracht, auch nur das allermindeste zum Wohle oder zur Einigung Deutschlands beizutragen! Kotzebue lebte in Mannheim als Privatmann von dem Ertrage seiner überaus fruchtbaren Feder. Man erzählte von ihm, daß er alle Morgen gleich nach dem Aufstehen sich an den Schreibtisch setze, und nicht eher zum Frühstück sich erhebe, als bis er Manuscript für <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0297" n="289"/> in der deutschen Litteratur kenne er Autoren, die er über Shakspeare setze. Auf unsre ungeduldige Frage, wer das sein könne, nannte er zu unsrer unbeschreiblichen Ueberraschung – Kotzebue! Gegen eine solche Behauptung verstummte natürlich jeder Widerspruch, aber Seymour war von einer so großen, ächt englischen Hartnäckigkeit, daß er nicht eher nachließ, als bis wir eins der kleinen Stücke von seinem Lieblinge Kotzebue zur Uebung ins englische übersetzten. Inzwischen machte ich mich auf eigne Hand an den Shakspeare, von dem der Grosvater mehrere der besten Aufgaben (Malone, Johnson und Steevens) angeschafft, und sah zu meiner Freude, daß mit etwas Ausdauer recht gut durchzukommen sei. </p><lb/> <p>Da ich eben Kotzebues erwähnte, so will ich hier anführen, daß die Nachricht von seiner Ermordung am 23. März, in Berlin erst am 1. April 1819 anlangte, als wir eben beschäftigt waren, eins seiner kleinen Stücke ins englische zu übersetzen. Die Verwunderung war nicht viel kleiner als die Entrüstung, und in den von mir besuchten Studentenkreisen fand sich nicht ein einziger Kommilitone, der die That gebilligt hätte. Welch’ eine heillose Begriffsverwirrung mußte in den Köpfen der Jenenser Burschenschafter herrschen, daß sie sich einbilden konnten, durch eine solche Blutthat, an dem alleroberflächlichsten Scribenten vollbracht, auch nur das allermindeste zum Wohle oder zur Einigung Deutschlands beizutragen! Kotzebue lebte in Mannheim als Privatmann von dem Ertrage seiner überaus fruchtbaren Feder. Man erzählte von ihm, daß er alle Morgen gleich nach dem Aufstehen sich an den Schreibtisch setze, und nicht eher zum Frühstück sich erhebe, als bis er Manuscript für </p> </div> </body> </text> </TEI> [289/0297]
in der deutschen Litteratur kenne er Autoren, die er über Shakspeare setze. Auf unsre ungeduldige Frage, wer das sein könne, nannte er zu unsrer unbeschreiblichen Ueberraschung – Kotzebue! Gegen eine solche Behauptung verstummte natürlich jeder Widerspruch, aber Seymour war von einer so großen, ächt englischen Hartnäckigkeit, daß er nicht eher nachließ, als bis wir eins der kleinen Stücke von seinem Lieblinge Kotzebue zur Uebung ins englische übersetzten. Inzwischen machte ich mich auf eigne Hand an den Shakspeare, von dem der Grosvater mehrere der besten Aufgaben (Malone, Johnson und Steevens) angeschafft, und sah zu meiner Freude, daß mit etwas Ausdauer recht gut durchzukommen sei.
Da ich eben Kotzebues erwähnte, so will ich hier anführen, daß die Nachricht von seiner Ermordung am 23. März, in Berlin erst am 1. April 1819 anlangte, als wir eben beschäftigt waren, eins seiner kleinen Stücke ins englische zu übersetzen. Die Verwunderung war nicht viel kleiner als die Entrüstung, und in den von mir besuchten Studentenkreisen fand sich nicht ein einziger Kommilitone, der die That gebilligt hätte. Welch’ eine heillose Begriffsverwirrung mußte in den Köpfen der Jenenser Burschenschafter herrschen, daß sie sich einbilden konnten, durch eine solche Blutthat, an dem alleroberflächlichsten Scribenten vollbracht, auch nur das allermindeste zum Wohle oder zur Einigung Deutschlands beizutragen! Kotzebue lebte in Mannheim als Privatmann von dem Ertrage seiner überaus fruchtbaren Feder. Man erzählte von ihm, daß er alle Morgen gleich nach dem Aufstehen sich an den Schreibtisch setze, und nicht eher zum Frühstück sich erhebe, als bis er Manuscript für
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/297>, abgerufen am 27.07.2024. |