Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Universität aufgestellt, und den Studenten der Zutritt gegen Vorzeigung der Erkennungskarten gestattet. Dähling ging einige Male mit mir hin, und machte den belehrenden Cicerone. Er war in den Jahren I811 und 1812 in Paris gewesen, wo das napoleonische Raubsystem eine solche Fülle von Kunstschätzen aufgehäuft, wie sie vorher noch niemals beisammen gewesen. Hier fanden sich beinahe alle die vortrefflichsten Staffeleigemälde Rafaels vereinigt, der Borghesische Fechter und andre Antiken waren von dem Schwager des Kaisers, dem römischen Fürsten Borghese, käuflich erworben. Dähling hielt es daher für überflüssig, nach Italien zu gehn, wo den meisten Gallerien ihre hauptsächlichsten Zierden fehlten. Die Giustinianische Gallerie besaß eine bedeutende Anzahl von Werken zweiten Ranges, deren einige mit großen Namen prangten. Ein auf Wolken thronender Johannes wurde dem Rafael beigelegt, eine kleine Geißelung Christi dem Michelangelo. Dähling machte mich darauf aufmerksam, daß man, um die Aechtheit dieser Namen zu beurtheilen, die übrigen Büder der Meister kennen lernen und genau betrachten müsse, daß man sich ihre Eigenthümlichkeiten in Zeichnung und Komposition einprägen, daß man endlich ihre Behandlung der Farben, ihre Art der Malerei studiren müsse. Dies leuchtete mir vollkommen ein, und zeigte mir die unendlichen Schwierigkeiten, die ein ächter Kunstkenner zu überwinden habe. Vorläufig beschloß ich, die kleine Giustinianische Gallerie recht genau kennen zu lernen; ich schaffte mir den Katalog an, und verbrachte dort manche freie Stunde mit eben so viel Nutzen als Vergnügen. Noch jetzt ergreift mich das wonnige Gefühl der Studentenzeit, wenn ich eins der altbekannten Bilder in Universität aufgestellt, und den Studenten der Zutritt gegen Vorzeigung der Erkennungskarten gestattet. Dähling ging einige Male mit mir hin, und machte den belehrenden Cicerone. Er war in den Jahren I811 und 1812 in Paris gewesen, wo das napoleonische Raubsystem eine solche Fülle von Kunstschätzen aufgehäuft, wie sie vorher noch niemals beisammen gewesen. Hier fanden sich beinahe alle die vortrefflichsten Staffeleigemälde Rafaels vereinigt, der Borghesische Fechter und andre Antiken waren von dem Schwager des Kaisers, dem römischen Fürsten Borghese, käuflich erworben. Dähling hielt es daher für überflüssig, nach Italien zu gehn, wo den meisten Gallerien ihre hauptsächlichsten Zierden fehlten. Die Giustinianische Gallerie besaß eine bedeutende Anzahl von Werken zweiten Ranges, deren einige mit großen Namen prangten. Ein auf Wolken thronender Johannes wurde dem Rafael beigelegt, eine kleine Geißelung Christi dem Michelangelo. Dähling machte mich darauf aufmerksam, daß man, um die Aechtheit dieser Namen zu beurtheilen, die übrigen Büder der Meister kennen lernen und genau betrachten müsse, daß man sich ihre Eigenthümlichkeiten in Zeichnung und Komposition einprägen, daß man endlich ihre Behandlung der Farben, ihre Art der Malerei studiren müsse. Dies leuchtete mir vollkommen ein, und zeigte mir die unendlichen Schwierigkeiten, die ein ächter Kunstkenner zu überwinden habe. Vorläufig beschloß ich, die kleine Giustinianische Gallerie recht genau kennen zu lernen; ich schaffte mir den Katalog an, und verbrachte dort manche freie Stunde mit eben so viel Nutzen als Vergnügen. Noch jetzt ergreift mich das wonnige Gefühl der Studentenzeit, wenn ich eins der altbekannten Bilder in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0287" n="279"/> Universität aufgestellt, und den Studenten der Zutritt gegen Vorzeigung der Erkennungskarten gestattet. Dähling ging einige Male mit mir hin, und machte den belehrenden Cicerone. Er war in den Jahren I811 und 1812 in Paris gewesen, wo das napoleonische Raubsystem eine solche Fülle von Kunstschätzen aufgehäuft, wie sie vorher noch niemals beisammen gewesen. Hier fanden sich beinahe alle die vortrefflichsten Staffeleigemälde Rafaels vereinigt, der Borghesische Fechter und andre Antiken waren von dem Schwager des Kaisers, dem römischen Fürsten Borghese, käuflich erworben. Dähling hielt es daher für überflüssig, nach Italien zu gehn, wo den meisten Gallerien ihre hauptsächlichsten Zierden fehlten. </p><lb/> <p>Die Giustinianische Gallerie besaß eine bedeutende Anzahl von Werken zweiten Ranges, deren einige mit großen Namen prangten. Ein auf Wolken thronender Johannes wurde dem Rafael beigelegt, eine kleine Geißelung Christi dem Michelangelo. Dähling machte mich darauf aufmerksam, daß man, um die Aechtheit dieser Namen zu beurtheilen, die übrigen Büder der Meister kennen lernen und genau betrachten müsse, daß man sich ihre Eigenthümlichkeiten in Zeichnung und Komposition einprägen, daß man endlich ihre Behandlung der Farben, ihre Art der Malerei studiren müsse. Dies leuchtete mir vollkommen ein, und zeigte mir die unendlichen Schwierigkeiten, die ein ächter Kunstkenner zu überwinden habe. Vorläufig beschloß ich, die kleine Giustinianische Gallerie recht genau kennen zu lernen; ich schaffte mir den Katalog an, und verbrachte dort manche freie Stunde mit eben so viel Nutzen als Vergnügen. Noch jetzt ergreift mich das wonnige Gefühl der Studentenzeit, wenn ich eins der altbekannten Bilder in </p> </div> </body> </text> </TEI> [279/0287]
Universität aufgestellt, und den Studenten der Zutritt gegen Vorzeigung der Erkennungskarten gestattet. Dähling ging einige Male mit mir hin, und machte den belehrenden Cicerone. Er war in den Jahren I811 und 1812 in Paris gewesen, wo das napoleonische Raubsystem eine solche Fülle von Kunstschätzen aufgehäuft, wie sie vorher noch niemals beisammen gewesen. Hier fanden sich beinahe alle die vortrefflichsten Staffeleigemälde Rafaels vereinigt, der Borghesische Fechter und andre Antiken waren von dem Schwager des Kaisers, dem römischen Fürsten Borghese, käuflich erworben. Dähling hielt es daher für überflüssig, nach Italien zu gehn, wo den meisten Gallerien ihre hauptsächlichsten Zierden fehlten.
Die Giustinianische Gallerie besaß eine bedeutende Anzahl von Werken zweiten Ranges, deren einige mit großen Namen prangten. Ein auf Wolken thronender Johannes wurde dem Rafael beigelegt, eine kleine Geißelung Christi dem Michelangelo. Dähling machte mich darauf aufmerksam, daß man, um die Aechtheit dieser Namen zu beurtheilen, die übrigen Büder der Meister kennen lernen und genau betrachten müsse, daß man sich ihre Eigenthümlichkeiten in Zeichnung und Komposition einprägen, daß man endlich ihre Behandlung der Farben, ihre Art der Malerei studiren müsse. Dies leuchtete mir vollkommen ein, und zeigte mir die unendlichen Schwierigkeiten, die ein ächter Kunstkenner zu überwinden habe. Vorläufig beschloß ich, die kleine Giustinianische Gallerie recht genau kennen zu lernen; ich schaffte mir den Katalog an, und verbrachte dort manche freie Stunde mit eben so viel Nutzen als Vergnügen. Noch jetzt ergreift mich das wonnige Gefühl der Studentenzeit, wenn ich eins der altbekannten Bilder in
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