Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].machers Bildnisse und der Beischrift: Er predigte gewaltig. Das ist das rechte Wort für seine Reden. Es war uns bekannt, daß er seine Predigten nicht auswendig lernte, sondern frei vortrug. Ehe er seine Wohnung in der Wilhelmstraße verließ, wählte er einen Text, auf dem Wege bis zur Dreifaltigkeitskirche überdachte er die Disposition, sobald er die Kanzel bestieg, senkte sich der heilige Geist der Beredsamkeit auf ihn herab, und begeisterte ihn zu den hinreißendsten Vorträgen. Die Kraft des Wortes stand mit der Tiefe der Gedanken im schönsten Einklange. Weil seine Predigten nicht gelernt waren, sondern frei aus dem Innern hervorquollen, so fanden sie auch den richtigen Weg zum Innern der Zuhörer. Wie er es mit der Vorbereitung zu seinen Vorlesungen hielt, ist mir nicht näher bekannt geworden; sie wurden natürlich auch frei gesprochen, und fesselten vorzüglich durch die Unmittelbarkeit der Entstehung; man konnte glauben, daß die scharfsinnigen dialektischen Deductionen ihm eben erst auf dem Katheder einfielen. Er hielt dabei einen kleinen Zettel in der Hand, in den er zuweilen, gleichsam verstohlen hineinblickte, und ihn dann im weiterströmenden Flusse der Gedanken zwischen den Fingern zusammenwirbelte. Von seinen Freunden erfuhren wir, daß er damals am Magenkrampfe litt, der ihn besonders des Morgens heimsuchte. Wenn er um 7 Uhr früh nach der Universität ging, so mußte er sich unterwegs zuweilen auf die Treppe der einen Gendarmenkirche niedersetzen, um den Anfall vorübergehn zu lassen; während der Vorlesung war niemals etwas von Unwohlsein zu bemerken; der mächtige Geist hielt den unansehnlichen Körper aufrecht. Da wir wußten, daß er in Schlesien machers Bildnisse und der Beischrift: Er predigte gewaltig. Das ist das rechte Wort für seine Reden. Es war uns bekannt, daß er seine Predigten nicht auswendig lernte, sondern frei vortrug. Ehe er seine Wohnung in der Wilhelmstraße verließ, wählte er einen Text, auf dem Wege bis zur Dreifaltigkeitskirche überdachte er die Disposition, sobald er die Kanzel bestieg, senkte sich der heilige Geist der Beredsamkeit auf ihn herab, und begeisterte ihn zu den hinreißendsten Vorträgen. Die Kraft des Wortes stand mit der Tiefe der Gedanken im schönsten Einklange. Weil seine Predigten nicht gelernt waren, sondern frei aus dem Innern hervorquollen, so fanden sie auch den richtigen Weg zum Innern der Zuhörer. Wie er es mit der Vorbereitung zu seinen Vorlesungen hielt, ist mir nicht näher bekannt geworden; sie wurden natürlich auch frei gesprochen, und fesselten vorzüglich durch die Unmittelbarkeit der Entstehung; man konnte glauben, daß die scharfsinnigen dialektischen Deductionen ihm eben erst auf dem Katheder einfielen. Er hielt dabei einen kleinen Zettel in der Hand, in den er zuweilen, gleichsam verstohlen hineinblickte, und ihn dann im weiterströmenden Flusse der Gedanken zwischen den Fingern zusammenwirbelte. Von seinen Freunden erfuhren wir, daß er damals am Magenkrampfe litt, der ihn besonders des Morgens heimsuchte. Wenn er um 7 Uhr früh nach der Universität ging, so mußte er sich unterwegs zuweilen auf die Treppe der einen Gendarmenkirche niedersetzen, um den Anfall vorübergehn zu lassen; während der Vorlesung war niemals etwas von Unwohlsein zu bemerken; der mächtige Geist hielt den unansehnlichen Körper aufrecht. Da wir wußten, daß er in Schlesien <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0236" n="228"/> machers Bildnisse und der Beischrift: Er predigte gewaltig. Das ist das rechte Wort für seine Reden. </p><lb/> <p>Es war uns bekannt, daß er seine Predigten nicht auswendig lernte, sondern frei vortrug. Ehe er seine Wohnung in der Wilhelmstraße verließ, wählte er einen Text, auf dem Wege bis zur Dreifaltigkeitskirche überdachte er die Disposition, sobald er die Kanzel bestieg, senkte sich der heilige Geist der Beredsamkeit auf ihn herab, und begeisterte ihn zu den hinreißendsten Vorträgen. Die Kraft des Wortes stand mit der Tiefe der Gedanken im schönsten Einklange. Weil seine Predigten nicht gelernt waren, sondern frei aus dem Innern hervorquollen, so fanden sie auch den richtigen Weg zum Innern der Zuhörer. Wie er es mit der Vorbereitung zu seinen Vorlesungen hielt, ist mir nicht näher bekannt geworden; sie wurden natürlich auch frei gesprochen, und fesselten vorzüglich durch die Unmittelbarkeit der Entstehung; man konnte glauben, daß die scharfsinnigen dialektischen Deductionen ihm eben erst auf dem Katheder einfielen. Er hielt dabei einen kleinen Zettel in der Hand, in den er zuweilen, gleichsam verstohlen hineinblickte, und ihn dann im weiterströmenden Flusse der Gedanken zwischen den Fingern zusammenwirbelte. Von seinen Freunden erfuhren wir, daß er damals am Magenkrampfe litt, der ihn besonders des Morgens heimsuchte. Wenn er um 7 Uhr früh nach der Universität ging, so mußte er sich unterwegs zuweilen auf die Treppe der einen Gendarmenkirche niedersetzen, um den Anfall vorübergehn zu lassen; während der Vorlesung war niemals etwas von Unwohlsein zu bemerken; der mächtige Geist hielt den unansehnlichen Körper aufrecht. Da wir wußten, daß er in Schlesien </p> </div> </body> </text> </TEI> [228/0236]
machers Bildnisse und der Beischrift: Er predigte gewaltig. Das ist das rechte Wort für seine Reden.
Es war uns bekannt, daß er seine Predigten nicht auswendig lernte, sondern frei vortrug. Ehe er seine Wohnung in der Wilhelmstraße verließ, wählte er einen Text, auf dem Wege bis zur Dreifaltigkeitskirche überdachte er die Disposition, sobald er die Kanzel bestieg, senkte sich der heilige Geist der Beredsamkeit auf ihn herab, und begeisterte ihn zu den hinreißendsten Vorträgen. Die Kraft des Wortes stand mit der Tiefe der Gedanken im schönsten Einklange. Weil seine Predigten nicht gelernt waren, sondern frei aus dem Innern hervorquollen, so fanden sie auch den richtigen Weg zum Innern der Zuhörer. Wie er es mit der Vorbereitung zu seinen Vorlesungen hielt, ist mir nicht näher bekannt geworden; sie wurden natürlich auch frei gesprochen, und fesselten vorzüglich durch die Unmittelbarkeit der Entstehung; man konnte glauben, daß die scharfsinnigen dialektischen Deductionen ihm eben erst auf dem Katheder einfielen. Er hielt dabei einen kleinen Zettel in der Hand, in den er zuweilen, gleichsam verstohlen hineinblickte, und ihn dann im weiterströmenden Flusse der Gedanken zwischen den Fingern zusammenwirbelte. Von seinen Freunden erfuhren wir, daß er damals am Magenkrampfe litt, der ihn besonders des Morgens heimsuchte. Wenn er um 7 Uhr früh nach der Universität ging, so mußte er sich unterwegs zuweilen auf die Treppe der einen Gendarmenkirche niedersetzen, um den Anfall vorübergehn zu lassen; während der Vorlesung war niemals etwas von Unwohlsein zu bemerken; der mächtige Geist hielt den unansehnlichen Körper aufrecht. Da wir wußten, daß er in Schlesien
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/236 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/236>, abgerufen am 16.07.2024. |