Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].klärte ihn Klein für einen Halbmenschen, auch sagte er ihm nach, daß er ihn durch Zuckerschlagen mit dem Hausschlüssel im Komponiren störe. Diese geniale Freundschaft dauerte indessen nicht lange; Leidel ging nach Köln zurück und Klein bezog für sich ein Zimmer in der Friedrichstraße. Hier begegnete es ihm, daß er eines Abends beim späten Heimkehren aus einem Weinhause, seine Thür erbrochen, seinen Wasch- und Kleiderschrank gänzlich ausgeräumt fand. Wir wollten diesen Unfall von der tragischen Seite auffassen und ihm unser Beileid bezeigen, er aber lachte und war unerschöpflich an lustigen Trostgründen. Die gestolenen Kleider, meinte er, seien längst abgetragen und aus der Mode gewesen, er hätte sich doch neue anschaffen müssen. Auch habe ihn dies Ereigniß an Sparsamkeit gemahnt; während er früher einen Frack, einen Ueberrock und einen Schlafrock besessen, so werde er künftighin den Ueberrock gleich als Schlafrock benutzen. Unendlich komisch erschien es ihm, daß die Diebe gewiß sehr eifrig nach Baarschaften gesucht, aber nichts gefunden hätten. "Dies Unglück", sagte er, "konnte ich vermeiden, wenn ich mit dem Halbmenschen Kreuser zusammenblieb, der regelmäßig Abends um 10 Uhr nach Hause kam; aber das Zusammenleben mit ihm war unmöglich geworden: er hatte ein Stück geschrieben, worin eine Seitenkulisse spricht und die Hauptperson alle 5 Akte hindurch in Ohnmacht liegt. Dieses Opus versuchte er mir vorzulesen." Noch mehr erhöht wurde Kleins gute Laune, als bald darauf von dem Weinwirte eine Rechnung einlief, adressirt: An den Herrn Baron von Klein, Hochwohlgeboren. "Der Kerl hält mich für insolvent", lachte Klein, "weil ich ausgestolen bin, aber klärte ihn Klein für einen Halbmenschen, auch sagte er ihm nach, daß er ihn durch Zuckerschlagen mit dem Hausschlüssel im Komponiren störe. Diese geniale Freundschaft dauerte indessen nicht lange; Leidel ging nach Köln zurück und Klein bezog für sich ein Zimmer in der Friedrichstraße. Hier begegnete es ihm, daß er eines Abends beim späten Heimkehren aus einem Weinhause, seine Thür erbrochen, seinen Wasch- und Kleiderschrank gänzlich ausgeräumt fand. Wir wollten diesen Unfall von der tragischen Seite auffassen und ihm unser Beileid bezeigen, er aber lachte und war unerschöpflich an lustigen Trostgründen. Die gestolenen Kleider, meinte er, seien längst abgetragen und aus der Mode gewesen, er hätte sich doch neue anschaffen müssen. Auch habe ihn dies Ereigniß an Sparsamkeit gemahnt; während er früher einen Frack, einen Ueberrock und einen Schlafrock besessen, so werde er künftighin den Ueberrock gleich als Schlafrock benutzen. Unendlich komisch erschien es ihm, daß die Diebe gewiß sehr eifrig nach Baarschaften gesucht, aber nichts gefunden hätten. „Dies Unglück“, sagte er, „konnte ich vermeiden, wenn ich mit dem Halbmenschen Kreuser zusammenblieb, der regelmäßig Abends um 10 Uhr nach Hause kam; aber das Zusammenleben mit ihm war unmöglich geworden: er hatte ein Stück geschrieben, worin eine Seitenkulisse spricht und die Hauptperson alle 5 Akte hindurch in Ohnmacht liegt. Dieses Opus versuchte er mir vorzulesen.“ Noch mehr erhöht wurde Kleins gute Laune, als bald darauf von dem Weinwirte eine Rechnung einlief, adressirt: An den Herrn Baron von Klein, Hochwohlgeboren. „Der Kerl hält mich für insolvent“, lachte Klein, „weil ich ausgestolen bin, aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0205" n="197"/> klärte ihn Klein für einen Halbmenschen, auch sagte er ihm nach, daß er ihn durch Zuckerschlagen mit dem Hausschlüssel im Komponiren störe. </p><lb/> <p>Diese geniale Freundschaft dauerte indessen nicht lange; Leidel ging nach Köln zurück und Klein bezog für sich ein Zimmer in der Friedrichstraße. Hier begegnete es ihm, daß er eines Abends beim späten Heimkehren aus einem Weinhause, seine Thür erbrochen, seinen Wasch- und Kleiderschrank gänzlich ausgeräumt fand. Wir wollten diesen Unfall von der tragischen Seite auffassen und ihm unser Beileid bezeigen, er aber lachte und war unerschöpflich an lustigen Trostgründen. Die gestolenen Kleider, meinte er, seien längst abgetragen und aus der Mode gewesen, er hätte sich doch neue anschaffen müssen. Auch habe ihn dies Ereigniß an Sparsamkeit gemahnt; während er früher einen Frack, einen Ueberrock und einen Schlafrock besessen, so werde er künftighin den Ueberrock gleich als Schlafrock benutzen. Unendlich komisch erschien es ihm, daß die Diebe gewiß sehr eifrig nach Baarschaften gesucht, aber nichts gefunden hätten. „Dies Unglück“, sagte er, „konnte ich vermeiden, wenn ich mit dem Halbmenschen Kreuser zusammenblieb, der regelmäßig Abends um 10 Uhr nach Hause kam; aber das Zusammenleben mit ihm war unmöglich geworden: er hatte ein Stück geschrieben, worin eine Seitenkulisse spricht und die Hauptperson alle 5 Akte hindurch in Ohnmacht liegt. Dieses Opus versuchte er mir vorzulesen.“ Noch mehr erhöht wurde Kleins gute Laune, als bald darauf von dem Weinwirte eine Rechnung einlief, adressirt: An den Herrn Baron von Klein, Hochwohlgeboren. „Der Kerl hält mich für insolvent“, lachte Klein, „weil ich ausgestolen bin, aber </p> </div> </body> </text> </TEI> [197/0205]
klärte ihn Klein für einen Halbmenschen, auch sagte er ihm nach, daß er ihn durch Zuckerschlagen mit dem Hausschlüssel im Komponiren störe.
Diese geniale Freundschaft dauerte indessen nicht lange; Leidel ging nach Köln zurück und Klein bezog für sich ein Zimmer in der Friedrichstraße. Hier begegnete es ihm, daß er eines Abends beim späten Heimkehren aus einem Weinhause, seine Thür erbrochen, seinen Wasch- und Kleiderschrank gänzlich ausgeräumt fand. Wir wollten diesen Unfall von der tragischen Seite auffassen und ihm unser Beileid bezeigen, er aber lachte und war unerschöpflich an lustigen Trostgründen. Die gestolenen Kleider, meinte er, seien längst abgetragen und aus der Mode gewesen, er hätte sich doch neue anschaffen müssen. Auch habe ihn dies Ereigniß an Sparsamkeit gemahnt; während er früher einen Frack, einen Ueberrock und einen Schlafrock besessen, so werde er künftighin den Ueberrock gleich als Schlafrock benutzen. Unendlich komisch erschien es ihm, daß die Diebe gewiß sehr eifrig nach Baarschaften gesucht, aber nichts gefunden hätten. „Dies Unglück“, sagte er, „konnte ich vermeiden, wenn ich mit dem Halbmenschen Kreuser zusammenblieb, der regelmäßig Abends um 10 Uhr nach Hause kam; aber das Zusammenleben mit ihm war unmöglich geworden: er hatte ein Stück geschrieben, worin eine Seitenkulisse spricht und die Hauptperson alle 5 Akte hindurch in Ohnmacht liegt. Dieses Opus versuchte er mir vorzulesen.“ Noch mehr erhöht wurde Kleins gute Laune, als bald darauf von dem Weinwirte eine Rechnung einlief, adressirt: An den Herrn Baron von Klein, Hochwohlgeboren. „Der Kerl hält mich für insolvent“, lachte Klein, „weil ich ausgestolen bin, aber
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/205>, abgerufen am 28.07.2024. |