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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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nicht mit dem Anstande vertrügen (Hintern statt Rücken). Da die Ausgabe nicht zur Hand war, so konnte ich nur meine bescheidenen Zweifel äußern, daß Göthe so geschrieben habe. Als ich die Ausgabe lange nachher erhielt, sah ich, daß Tiedge Unrecht gehabt hatte. Wissen Sie denn, fragte er mich eines Abends, wie der herrliche Sohn des Bacchus und der Aphrodite heißt, der den Dichter in der eilften Elegie auf dem Altare der Grazien mit Rosen und Myrten bekränzt? Schlagen Sie im Hederich nach, und Sie werden finden, das es niemand anderes ist als - Priap! Diese Wahrheit konnte ich nicht läugnen, und tröstete mich mit der Hoffnung, daß die meisten Leser und Leserinnen den bekannteren Sohn Amor im Sinne haben würden.

In solchen Unterhandlungen verging die Zeit, bis der Bediente durch ein solennes: die Frau Gräfin lassen bitten - uns in den strahlenden Salon nach der andern Seite hinübernöthigte. Diese allgemein gebrauchte Benennung: Frau Gräfin, war mir auffallend, da ich wußte, daß Herr von der Recke nur ein simpler Edelmann gewesen, bis ich erfuhr, daß eine "Reichsgräfin von Medem" wohl eine Mesalliance mit einem simpeln Edelmann eingehn, aber nie ihren Karakter als Gräfin verlieren könne.

Im Gesellschaftsaal fanden wir einen größeren oder kleineren Kreis aller derer, die wie wir durch Frau von der Reckes Nähe sich angezogen fühlten; gegen alle negativen, kritischen, unzufriedenen und spöttischen Naturen übte sie eine abstoßende Kraft aus. Ein fleißiger Abendgast war mein Pathe Göckingk, der durch die unbedingte Sicherheit seiner Gegenwart und durch die Entschiedenheit seines Urtheils allen Besuchern imponirte. Von Berliner Litteraten kamen Franz Horn, Professor Wolke, Direktor

nicht mit dem Anstande vertrügen (Hintern statt Rücken). Da die Ausgabe nicht zur Hand war, so konnte ich nur meine bescheidenen Zweifel äußern, daß Göthe so geschrieben habe. Als ich die Ausgabe lange nachher erhielt, sah ich, daß Tiedge Unrecht gehabt hatte. Wissen Sie denn, fragte er mich eines Abends, wie der herrliche Sohn des Bacchus und der Aphrodite heißt, der den Dichter in der eilften Elegie auf dem Altare der Grazien mit Rosen und Myrten bekränzt? Schlagen Sie im Hederich nach, und Sie werden finden, das es niemand anderes ist als – Priap! Diese Wahrheit konnte ich nicht läugnen, und tröstete mich mit der Hoffnung, daß die meisten Leser und Leserinnen den bekannteren Sohn Amor im Sinne haben würden.

In solchen Unterhandlungen verging die Zeit, bis der Bediente durch ein solennes: die Frau Gräfin lassen bitten – uns in den strahlenden Salon nach der andern Seite hinübernöthigte. Diese allgemein gebrauchte Benennung: Frau Gräfin, war mir auffallend, da ich wußte, daß Herr von der Recke nur ein simpler Edelmann gewesen, bis ich erfuhr, daß eine „Reichsgräfin von Medem“ wohl eine Mesalliance mit einem simpeln Edelmann eingehn, aber nie ihren Karakter als Gräfin verlieren könne.

Im Gesellschaftsaal fanden wir einen größeren oder kleineren Kreis aller derer, die wie wir durch Frau von der Reckes Nähe sich angezogen fühlten; gegen alle negativen, kritischen, unzufriedenen und spöttischen Naturen übte sie eine abstoßende Kraft aus. Ein fleißiger Abendgast war mein Pathe Göckingk, der durch die unbedingte Sicherheit seiner Gegenwart und durch die Entschiedenheit seines Urtheils allen Besuchern imponirte. Von Berliner Litteraten kamen Franz Horn, Professor Wolke, Direktor

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[12/0020] nicht mit dem Anstande vertrügen (Hintern statt Rücken). Da die Ausgabe nicht zur Hand war, so konnte ich nur meine bescheidenen Zweifel äußern, daß Göthe so geschrieben habe. Als ich die Ausgabe lange nachher erhielt, sah ich, daß Tiedge Unrecht gehabt hatte. Wissen Sie denn, fragte er mich eines Abends, wie der herrliche Sohn des Bacchus und der Aphrodite heißt, der den Dichter in der eilften Elegie auf dem Altare der Grazien mit Rosen und Myrten bekränzt? Schlagen Sie im Hederich nach, und Sie werden finden, das es niemand anderes ist als – Priap! Diese Wahrheit konnte ich nicht läugnen, und tröstete mich mit der Hoffnung, daß die meisten Leser und Leserinnen den bekannteren Sohn Amor im Sinne haben würden. In solchen Unterhandlungen verging die Zeit, bis der Bediente durch ein solennes: die Frau Gräfin lassen bitten – uns in den strahlenden Salon nach der andern Seite hinübernöthigte. Diese allgemein gebrauchte Benennung: Frau Gräfin, war mir auffallend, da ich wußte, daß Herr von der Recke nur ein simpler Edelmann gewesen, bis ich erfuhr, daß eine „Reichsgräfin von Medem“ wohl eine Mesalliance mit einem simpeln Edelmann eingehn, aber nie ihren Karakter als Gräfin verlieren könne. Im Gesellschaftsaal fanden wir einen größeren oder kleineren Kreis aller derer, die wie wir durch Frau von der Reckes Nähe sich angezogen fühlten; gegen alle negativen, kritischen, unzufriedenen und spöttischen Naturen übte sie eine abstoßende Kraft aus. Ein fleißiger Abendgast war mein Pathe Göckingk, der durch die unbedingte Sicherheit seiner Gegenwart und durch die Entschiedenheit seines Urtheils allen Besuchern imponirte. Von Berliner Litteraten kamen Franz Horn, Professor Wolke, Direktor

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/20>, abgerufen am 22.11.2024.