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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Dies führte uns auf den Widerspruch zwischen dem freien Willen des Menschen und der Allwissenheit Gottes. Paul hatte den spitzfindigen aber geistvollen Satz irgend eines Kirchenvaters aufgepickt, daß die Handlungen der Menschen von Gott vorhergewußt werden, qua freie, insofern in Gott die Gegensätze von frei und unfrei aufgehoben sind. Paul führte ferner mit großer Feinheit aus, daß wenn der Mensch auch die freie Wahl habe zwischen 2, 3 oder 100 Handlungen, und doch nur eine davon ausführen könne, so sei ja diese eine schon nicht mehr frei, sondern vorherbestimmt gewesen.

Wie stand es demnächst mit der Zurechnungsfähigkeit des Menschen für seine guten und bösen Thaten? Nur zu leicht ist der Mensch veranlaßt, dasjenige was er Gutes vollbringt, als sein Verdienst in Anspruch zu nehmen, seine Uebelthaten aber als die Einflüsse eines bösen Sternes, als die Eingebungen des Teufels zu betrachten. Hier zeigte ich mich weit strenger als Paul, der nicht abgeneigt schien, manches ungesetzmäßige Thun, durch eine ungünstige Verkettung von Umständen herbeigeführt, wo nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen. Er führte mit vielem Scharfsinne einige Beispiele an, wo durch eine schlechte Handlung ein guter Zweck gefördert worden sei, ich blieb immer bei der schlechten Handlung als solcher stehn, und behauptete, daß es bei allem menschlichen Thun auf den guten Willen ankomme, und daß die Folgen unserer Thaten außer unserer Macht liegen.

Paul fragte mich, ob denn Christus formell im Rechte gewesen, als er durch seine neue Lehre die alten Satzungen seines Landes über den Haufen warf? und ob die Juden ihn von ihrem Standpunkte aus nicht mit Recht

Dies führte uns auf den Widerspruch zwischen dem freien Willen des Menschen und der Allwissenheit Gottes. Paul hatte den spitzfindigen aber geistvollen Satz irgend eines Kirchenvaters aufgepickt, daß die Handlungen der Menschen von Gott vorhergewußt werden, qua freie, insofern in Gott die Gegensätze von frei und unfrei aufgehoben sind. Paul führte ferner mit großer Feinheit aus, daß wenn der Mensch auch die freie Wahl habe zwischen 2, 3 oder 100 Handlungen, und doch nur eine davon ausführen könne, so sei ja diese eine schon nicht mehr frei, sondern vorherbestimmt gewesen.

Wie stand es demnächst mit der Zurechnungsfähigkeit des Menschen für seine guten und bösen Thaten? Nur zu leicht ist der Mensch veranlaßt, dasjenige was er Gutes vollbringt, als sein Verdienst in Anspruch zu nehmen, seine Uebelthaten aber als die Einflüsse eines bösen Sternes, als die Eingebungen des Teufels zu betrachten. Hier zeigte ich mich weit strenger als Paul, der nicht abgeneigt schien, manches ungesetzmäßige Thun, durch eine ungünstige Verkettung von Umständen herbeigeführt, wo nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen. Er führte mit vielem Scharfsinne einige Beispiele an, wo durch eine schlechte Handlung ein guter Zweck gefördert worden sei, ich blieb immer bei der schlechten Handlung als solcher stehn, und behauptete, daß es bei allem menschlichen Thun auf den guten Willen ankomme, und daß die Folgen unserer Thaten außer unserer Macht liegen.

Paul fragte mich, ob denn Christus formell im Rechte gewesen, als er durch seine neue Lehre die alten Satzungen seines Landes über den Haufen warf? und ob die Juden ihn von ihrem Standpunkte aus nicht mit Recht

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[166/0174] Dies führte uns auf den Widerspruch zwischen dem freien Willen des Menschen und der Allwissenheit Gottes. Paul hatte den spitzfindigen aber geistvollen Satz irgend eines Kirchenvaters aufgepickt, daß die Handlungen der Menschen von Gott vorhergewußt werden, qua freie, insofern in Gott die Gegensätze von frei und unfrei aufgehoben sind. Paul führte ferner mit großer Feinheit aus, daß wenn der Mensch auch die freie Wahl habe zwischen 2, 3 oder 100 Handlungen, und doch nur eine davon ausführen könne, so sei ja diese eine schon nicht mehr frei, sondern vorherbestimmt gewesen. Wie stand es demnächst mit der Zurechnungsfähigkeit des Menschen für seine guten und bösen Thaten? Nur zu leicht ist der Mensch veranlaßt, dasjenige was er Gutes vollbringt, als sein Verdienst in Anspruch zu nehmen, seine Uebelthaten aber als die Einflüsse eines bösen Sternes, als die Eingebungen des Teufels zu betrachten. Hier zeigte ich mich weit strenger als Paul, der nicht abgeneigt schien, manches ungesetzmäßige Thun, durch eine ungünstige Verkettung von Umständen herbeigeführt, wo nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen. Er führte mit vielem Scharfsinne einige Beispiele an, wo durch eine schlechte Handlung ein guter Zweck gefördert worden sei, ich blieb immer bei der schlechten Handlung als solcher stehn, und behauptete, daß es bei allem menschlichen Thun auf den guten Willen ankomme, und daß die Folgen unserer Thaten außer unserer Macht liegen. Paul fragte mich, ob denn Christus formell im Rechte gewesen, als er durch seine neue Lehre die alten Satzungen seines Landes über den Haufen warf? und ob die Juden ihn von ihrem Standpunkte aus nicht mit Recht

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/174>, abgerufen am 22.11.2024.