Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].welches ebenfalls in der Brüderstraße ein Haus besaß. Hier erhielt Ludwig sehr bald ein eignes Zimmer, wo ich zusammen mit Paul und anderen Freunden sehr gern des Abends verkehrte. Eben so gern kam Ludwig in unseren musikalischen Cirkel hinüber, und brachte uns seinen jüngeren Bruder Fritz, der von frühster Kindheit an nur der Musik lebte. Dieser hatte damals noch nicht die Stimme gewechselt, und sang einen entzückend reinen Diskant. Da wurde ihm denn irgend ein Band Gedichte von Göthe oder Schiller am Klaviere aufgeschlagen vorgelegt, er las das Gedicht durch, und sang es improvisirend mit der angenehmsten Begleitung. Ein so frühzeitiges Talent hatte etwas gefährliches: denn die allseitig gespendeten Lobsprüche mußten den jungen Komponisten eitel machen. Seine Mutter war verständig genug, ihn von allen zerstreuenden Gesellschaften fern zu halten, und sah seine Anlagen auf das schönste emporblühen. Ludwig bewahrte den ernsten Studien ein so warmes Herz, daß er Zeit fand, in einigen Abendstunden mit Paul einen lateinischen Autor zu lesen. Den kaufmännischen Geschäften widmete er sich mit regem Eifer, und wußte darin gut Bescheid; mit Erstaunen hörten wir, wie er sich mit Kielmann über Disconto, kurze Devisen etc. unterhielt, was für uns böhmische Dörfer waren. Ganz besonders liebenswürdig zeigte sich Ludwig, wenn er in seinem Zimmer eine kleine Abendgesellschaft veranstaltete, zu welcher sein väterlicher Weinkeller die ausgesuchtesten Sorten lieferte. Er selbst trank nicht einen Tropfen Wein, und doch hielt seine muntere Laune mit der erhöhten Stimmung der andern gleichen Schritt. Daß dabei nicht immer das gehörige Maaß beobachtet welches ebenfalls in der Brüderstraße ein Haus besaß. Hier erhielt Ludwig sehr bald ein eignes Zimmer, wo ich zusammen mit Paul und anderen Freunden sehr gern des Abends verkehrte. Eben so gern kam Ludwig in unseren musikalischen Cirkel hinüber, und brachte uns seinen jüngeren Bruder Fritz, der von frühster Kindheit an nur der Musik lebte. Dieser hatte damals noch nicht die Stimme gewechselt, und sang einen entzückend reinen Diskant. Da wurde ihm denn irgend ein Band Gedichte von Göthe oder Schiller am Klaviere aufgeschlagen vorgelegt, er las das Gedicht durch, und sang es improvisirend mit der angenehmsten Begleitung. Ein so frühzeitiges Talent hatte etwas gefährliches: denn die allseitig gespendeten Lobsprüche mußten den jungen Komponisten eitel machen. Seine Mutter war verständig genug, ihn von allen zerstreuenden Gesellschaften fern zu halten, und sah seine Anlagen auf das schönste emporblühen. Ludwig bewahrte den ernsten Studien ein so warmes Herz, daß er Zeit fand, in einigen Abendstunden mit Paul einen lateinischen Autor zu lesen. Den kaufmännischen Geschäften widmete er sich mit regem Eifer, und wußte darin gut Bescheid; mit Erstaunen hörten wir, wie er sich mit Kielmann über Disconto, kurze Devisen etc. unterhielt, was für uns böhmische Dörfer waren. Ganz besonders liebenswürdig zeigte sich Ludwig, wenn er in seinem Zimmer eine kleine Abendgesellschaft veranstaltete, zu welcher sein väterlicher Weinkeller die ausgesuchtesten Sorten lieferte. Er selbst trank nicht einen Tropfen Wein, und doch hielt seine muntere Laune mit der erhöhten Stimmung der andern gleichen Schritt. Daß dabei nicht immer das gehörige Maaß beobachtet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0163" n="155"/> welches ebenfalls in der Brüderstraße ein Haus besaß. Hier erhielt Ludwig sehr bald ein eignes Zimmer, wo ich zusammen mit Paul und anderen Freunden sehr gern des Abends verkehrte. Eben so gern kam Ludwig in unseren musikalischen Cirkel hinüber, und brachte uns seinen jüngeren Bruder Fritz, der von frühster Kindheit an nur der Musik lebte. Dieser hatte damals noch nicht die Stimme gewechselt, und sang einen entzückend reinen Diskant. Da wurde ihm denn irgend ein Band Gedichte von Göthe oder Schiller am Klaviere aufgeschlagen vorgelegt, er las das Gedicht durch, und sang es improvisirend mit der angenehmsten Begleitung. Ein so frühzeitiges Talent hatte etwas gefährliches: denn die allseitig gespendeten Lobsprüche mußten den jungen Komponisten eitel machen. Seine Mutter war verständig genug, ihn von allen zerstreuenden Gesellschaften fern zu halten, und sah seine Anlagen auf das schönste emporblühen. </p><lb/> <p>Ludwig bewahrte den ernsten Studien ein so warmes Herz, daß er Zeit fand, in einigen Abendstunden mit Paul einen lateinischen Autor zu lesen. Den kaufmännischen Geschäften widmete er sich mit regem Eifer, und wußte darin gut Bescheid; mit Erstaunen hörten wir, wie er sich mit Kielmann über Disconto, kurze Devisen etc. unterhielt, was für uns böhmische Dörfer waren. Ganz besonders liebenswürdig zeigte sich Ludwig, wenn er in seinem Zimmer eine kleine Abendgesellschaft veranstaltete, zu welcher sein väterlicher Weinkeller die ausgesuchtesten Sorten lieferte. Er selbst trank nicht einen Tropfen Wein, und doch hielt seine muntere Laune mit der erhöhten Stimmung der andern gleichen Schritt. </p><lb/> <p>Daß dabei nicht immer das gehörige Maaß beobachtet </p> </div> </body> </text> </TEI> [155/0163]
welches ebenfalls in der Brüderstraße ein Haus besaß. Hier erhielt Ludwig sehr bald ein eignes Zimmer, wo ich zusammen mit Paul und anderen Freunden sehr gern des Abends verkehrte. Eben so gern kam Ludwig in unseren musikalischen Cirkel hinüber, und brachte uns seinen jüngeren Bruder Fritz, der von frühster Kindheit an nur der Musik lebte. Dieser hatte damals noch nicht die Stimme gewechselt, und sang einen entzückend reinen Diskant. Da wurde ihm denn irgend ein Band Gedichte von Göthe oder Schiller am Klaviere aufgeschlagen vorgelegt, er las das Gedicht durch, und sang es improvisirend mit der angenehmsten Begleitung. Ein so frühzeitiges Talent hatte etwas gefährliches: denn die allseitig gespendeten Lobsprüche mußten den jungen Komponisten eitel machen. Seine Mutter war verständig genug, ihn von allen zerstreuenden Gesellschaften fern zu halten, und sah seine Anlagen auf das schönste emporblühen.
Ludwig bewahrte den ernsten Studien ein so warmes Herz, daß er Zeit fand, in einigen Abendstunden mit Paul einen lateinischen Autor zu lesen. Den kaufmännischen Geschäften widmete er sich mit regem Eifer, und wußte darin gut Bescheid; mit Erstaunen hörten wir, wie er sich mit Kielmann über Disconto, kurze Devisen etc. unterhielt, was für uns böhmische Dörfer waren. Ganz besonders liebenswürdig zeigte sich Ludwig, wenn er in seinem Zimmer eine kleine Abendgesellschaft veranstaltete, zu welcher sein väterlicher Weinkeller die ausgesuchtesten Sorten lieferte. Er selbst trank nicht einen Tropfen Wein, und doch hielt seine muntere Laune mit der erhöhten Stimmung der andern gleichen Schritt.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/163>, abgerufen am 05.07.2024. |