Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

und hat sich durch seine Violoncello-Schule einen bleibenden Namen erworben. Hansmann übertraf Kielmann bei weitem an Kraft der Bogenführung, hatte aber nicht die elegische Weichheit des Tones. Der jüngere Bruder, Kammergerichtsrath Hansmann, übernahm gern die zweite Geige oder die Bratsche. Beide Brüder lebten als Junggesellen einträchtig miteinander, wurden immer zusammen eingeladen, besaßen den vollkommensten Umgangston, waren zu jedem gesellschaftlichen Unternehmen bereit und erinnerten mich oft an die beiden anonymen Theaterfreunde im Wilhelm Meister.

Als ersten Geiger hörten wir öfter Herrn Clementi von der königlichen Kapelle, in seltnen Fällen auch den trefflichen Konzertmeister Seidler, am liebsten aber Tante Jettchen. Ihr Spiel stand natürlich weit hinter dem jener Virtuosen zurück, aber das Ungewöhnliche der Erscheinung hatte etwas Anziehendes, und wir freuten uns, wenn die schweren Passagen, an denen wir sie oft üben gehört, nun recht glatt von Statten gingen.

Zuweilen wurden die Quartette auch in der Blumenstraße gegeben, wegen des überaus günstigen Klanges der Musik im Gartensaale. Es ist mir unvergessen, daß Schinkel, der gerade damals das neue Schauspielhaus, und darin den Konzertsaal zu bauen hatte, sich gar nicht genug über die vollendete Tonbildung in unserem Saale verwundern konnte. Hier war vielleicht durch einen Zufall das erreicht, dem die Baumeister so oft vergebens nachstreben: Klarheit der Resonanz ohne eine Spur von Echo. Sehr richtig sagte Schinkel: es sei schlimm, daß man im geheimnisvollen Gebiete der Akustik nicht so, wie in andern Gebieten der Naturwissenschaften, im

und hat sich durch seine Violoncello-Schule einen bleibenden Namen erworben. Hansmann übertraf Kielmann bei weitem an Kraft der Bogenführung, hatte aber nicht die elegische Weichheit des Tones. Der jüngere Bruder, Kammergerichtsrath Hansmann, übernahm gern die zweite Geige oder die Bratsche. Beide Brüder lebten als Junggesellen einträchtig miteinander, wurden immer zusammen eingeladen, besaßen den vollkommensten Umgangston, waren zu jedem gesellschaftlichen Unternehmen bereit und erinnerten mich oft an die beiden anonymen Theaterfreunde im Wilhelm Meister.

Als ersten Geiger hörten wir öfter Herrn Clementi von der königlichen Kapelle, in seltnen Fällen auch den trefflichen Konzertmeister Seidler, am liebsten aber Tante Jettchen. Ihr Spiel stand natürlich weit hinter dem jener Virtuosen zurück, aber das Ungewöhnliche der Erscheinung hatte etwas Anziehendes, und wir freuten uns, wenn die schweren Passagen, an denen wir sie oft üben gehört, nun recht glatt von Statten gingen.

Zuweilen wurden die Quartette auch in der Blumenstraße gegeben, wegen des überaus günstigen Klanges der Musik im Gartensaale. Es ist mir unvergessen, daß Schinkel, der gerade damals das neue Schauspielhaus, und darin den Konzertsaal zu bauen hatte, sich gar nicht genug über die vollendete Tonbildung in unserem Saale verwundern konnte. Hier war vielleicht durch einen Zufall das erreicht, dem die Baumeister so oft vergebens nachstreben: Klarheit der Resonanz ohne eine Spur von Echo. Sehr richtig sagte Schinkel: es sei schlimm, daß man im geheimnisvollen Gebiete der Akustik nicht so, wie in andern Gebieten der Naturwissenschaften, im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="117"/>
und hat sich durch seine Violoncello-Schule einen bleibenden Namen erworben. Hansmann übertraf Kielmann bei weitem an Kraft der Bogenführung, hatte aber nicht die elegische Weichheit des Tones. Der jüngere Bruder, Kammergerichtsrath Hansmann, übernahm gern die zweite Geige oder die Bratsche. Beide Brüder lebten als Junggesellen einträchtig miteinander, wurden immer zusammen eingeladen, besaßen den vollkommensten Umgangston, waren zu jedem gesellschaftlichen Unternehmen bereit und erinnerten mich oft an die beiden anonymen Theaterfreunde im Wilhelm Meister. </p><lb/>
        <p>Als ersten Geiger hörten wir öfter Herrn Clementi von der königlichen Kapelle, in seltnen Fällen auch den trefflichen Konzertmeister Seidler, am liebsten aber Tante Jettchen. Ihr Spiel stand natürlich weit hinter dem jener Virtuosen zurück, aber das Ungewöhnliche der Erscheinung hatte etwas Anziehendes, und wir freuten uns, wenn die schweren Passagen, an denen wir sie oft üben gehört, nun recht glatt von Statten gingen. </p><lb/>
        <p>Zuweilen wurden die Quartette auch in der Blumenstraße gegeben, wegen des überaus günstigen Klanges der Musik im Gartensaale. Es ist mir unvergessen, daß Schinkel, der gerade damals das neue Schauspielhaus, und darin den Konzertsaal zu bauen hatte, sich gar nicht genug über die vollendete Tonbildung in unserem Saale verwundern konnte. Hier war vielleicht durch einen Zufall das erreicht, dem die Baumeister so oft vergebens nachstreben: Klarheit der Resonanz ohne eine Spur von Echo. Sehr richtig sagte Schinkel: es sei schlimm, daß man im geheimnisvollen Gebiete der Akustik nicht so, wie in andern Gebieten der Naturwissenschaften, im
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0125] und hat sich durch seine Violoncello-Schule einen bleibenden Namen erworben. Hansmann übertraf Kielmann bei weitem an Kraft der Bogenführung, hatte aber nicht die elegische Weichheit des Tones. Der jüngere Bruder, Kammergerichtsrath Hansmann, übernahm gern die zweite Geige oder die Bratsche. Beide Brüder lebten als Junggesellen einträchtig miteinander, wurden immer zusammen eingeladen, besaßen den vollkommensten Umgangston, waren zu jedem gesellschaftlichen Unternehmen bereit und erinnerten mich oft an die beiden anonymen Theaterfreunde im Wilhelm Meister. Als ersten Geiger hörten wir öfter Herrn Clementi von der königlichen Kapelle, in seltnen Fällen auch den trefflichen Konzertmeister Seidler, am liebsten aber Tante Jettchen. Ihr Spiel stand natürlich weit hinter dem jener Virtuosen zurück, aber das Ungewöhnliche der Erscheinung hatte etwas Anziehendes, und wir freuten uns, wenn die schweren Passagen, an denen wir sie oft üben gehört, nun recht glatt von Statten gingen. Zuweilen wurden die Quartette auch in der Blumenstraße gegeben, wegen des überaus günstigen Klanges der Musik im Gartensaale. Es ist mir unvergessen, daß Schinkel, der gerade damals das neue Schauspielhaus, und darin den Konzertsaal zu bauen hatte, sich gar nicht genug über die vollendete Tonbildung in unserem Saale verwundern konnte. Hier war vielleicht durch einen Zufall das erreicht, dem die Baumeister so oft vergebens nachstreben: Klarheit der Resonanz ohne eine Spur von Echo. Sehr richtig sagte Schinkel: es sei schlimm, daß man im geheimnisvollen Gebiete der Akustik nicht so, wie in andern Gebieten der Naturwissenschaften, im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/125
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/125>, abgerufen am 19.05.2024.