Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

gesucht, von den Künstlern Bernhard Rode, Chodowiecki und Meil.

So bildete Nicolais Haus eine Reihe von Jahren hindurch den literarischen und geselligen Mittelpunkt der Residenz; es vertrat die Stelle der späteren Clubs und Casinos. Die Solidität der Bewirthung war mit anständiger bürgerlicher Pracht gepaart; als Eigenthümlichkeit wurde bemerkt, daß die Fremden oft von den Nicolaischen "heißen Suppen" und "scharfen Messern" erzählten.

Obgleich diese Gastmahle längst aufgehört hatten, als ich anfing, heranzuwachsen, so sind doch manche Vorkomnisse aufbewahrt, von denen eins mir haften geblieben.

Ein fremder an Nicolai empfohlener Gelehrter wurde zu einer großen Mittagstafel gezogen, an der unter andern Engel und der Probst Zöllner Theil nahmen. Engel war damals Theaterdirektor und wegen seines Talentes im Erzählen berühmt, allein er hatte die Eigenheit mancher guten Erzähler, daß er, einmal unterbrochen, nicht so leicht wieder das Wort nahm. Zöllner erzählte ebenfalls sehr gut, liebte aber nach einer Unsitte, welche damals besonders den Geistlichen soll angehangen haben, zweideutige Geschichten. Engel machte an jenem Tage anfangs einige ernsthafte Bemerkungen, wurde bald unterbrochen, und saß von nun an stumm, Zöllner dagegen erging sich in dem bekannten frivolen Thema mit großer Ausführlichkeit. Als der Fremde am andern Tage bei Nicolai sich beurlaubte, und von diesem gefragt wurde, wie ihm die Herren gefallen, erwiederte er: O sehr gut, nur hätte ich Zöllner für den Theaterdirektor und Engel für den Probst gehalten.

Mit der edlen Frau Elisa von der Recke war Nicolai

gesucht, von den Künstlern Bernhard Rode, Chodowiecki und Meil.

So bildete Nicolais Haus eine Reihe von Jahren hindurch den literarischen und geselligen Mittelpunkt der Residenz; es vertrat die Stelle der späteren Clubs und Casinos. Die Solidität der Bewirthung war mit anständiger bürgerlicher Pracht gepaart; als Eigenthümlichkeit wurde bemerkt, daß die Fremden oft von den Nicolaischen „heißen Suppen“ und „scharfen Messern“ erzählten.

Obgleich diese Gastmahle längst aufgehört hatten, als ich anfing, heranzuwachsen, so sind doch manche Vorkomnisse aufbewahrt, von denen eins mir haften geblieben.

Ein fremder an Nicolai empfohlener Gelehrter wurde zu einer großen Mittagstafel gezogen, an der unter andern Engel und der Probst Zöllner Theil nahmen. Engel war damals Theaterdirektor und wegen seines Talentes im Erzählen berühmt, allein er hatte die Eigenheit mancher guten Erzähler, daß er, einmal unterbrochen, nicht so leicht wieder das Wort nahm. Zöllner erzählte ebenfalls sehr gut, liebte aber nach einer Unsitte, welche damals besonders den Geistlichen soll angehangen haben, zweideutige Geschichten. Engel machte an jenem Tage anfangs einige ernsthafte Bemerkungen, wurde bald unterbrochen, und saß von nun an stumm, Zöllner dagegen erging sich in dem bekannten frivolen Thema mit großer Ausführlichkeit. Als der Fremde am andern Tage bei Nicolai sich beurlaubte, und von diesem gefragt wurde, wie ihm die Herren gefallen, erwiederte er: O sehr gut, nur hätte ich Zöllner für den Theaterdirektor und Engel für den Probst gehalten.

Mit der edlen Frau Elisa von der Recke war Nicolai

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0049" n="37"/>
gesucht, von den Künstlern Bernhard Rode, Chodowiecki und Meil. </p><lb/>
          <p>So bildete Nicolais Haus eine Reihe von Jahren hindurch den literarischen und geselligen Mittelpunkt der Residenz; es vertrat die Stelle der späteren Clubs und Casinos. Die Solidität der Bewirthung war mit anständiger bürgerlicher Pracht gepaart; als Eigenthümlichkeit wurde bemerkt, daß die Fremden oft von den Nicolaischen &#x201E;heißen Suppen&#x201C; und &#x201E;scharfen Messern&#x201C; erzählten. </p><lb/>
          <p>Obgleich diese Gastmahle längst aufgehört hatten, als ich anfing, heranzuwachsen, so sind doch manche Vorkomnisse aufbewahrt, von denen eins mir haften geblieben. </p><lb/>
          <p>Ein fremder an Nicolai empfohlener Gelehrter wurde zu einer großen Mittagstafel gezogen, an der unter andern Engel und der Probst Zöllner Theil nahmen. Engel war damals Theaterdirektor und wegen seines Talentes im Erzählen berühmt, allein er hatte die Eigenheit mancher guten Erzähler, daß er, einmal unterbrochen, nicht so leicht wieder das Wort nahm. Zöllner erzählte ebenfalls sehr gut, liebte aber nach einer Unsitte, welche damals besonders den Geistlichen soll angehangen haben, zweideutige Geschichten. Engel machte an jenem Tage anfangs einige ernsthafte Bemerkungen, wurde bald unterbrochen, und saß von nun an stumm, Zöllner dagegen erging sich in dem bekannten frivolen Thema mit großer Ausführlichkeit. Als der Fremde am andern Tage bei Nicolai sich beurlaubte, und von diesem gefragt wurde, wie ihm die Herren gefallen, erwiederte er: O sehr gut, nur hätte ich Zöllner für den Theaterdirektor und Engel für den Probst gehalten. </p><lb/>
          <p>Mit der edlen Frau Elisa von der Recke war Nicolai
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0049] gesucht, von den Künstlern Bernhard Rode, Chodowiecki und Meil. So bildete Nicolais Haus eine Reihe von Jahren hindurch den literarischen und geselligen Mittelpunkt der Residenz; es vertrat die Stelle der späteren Clubs und Casinos. Die Solidität der Bewirthung war mit anständiger bürgerlicher Pracht gepaart; als Eigenthümlichkeit wurde bemerkt, daß die Fremden oft von den Nicolaischen „heißen Suppen“ und „scharfen Messern“ erzählten. Obgleich diese Gastmahle längst aufgehört hatten, als ich anfing, heranzuwachsen, so sind doch manche Vorkomnisse aufbewahrt, von denen eins mir haften geblieben. Ein fremder an Nicolai empfohlener Gelehrter wurde zu einer großen Mittagstafel gezogen, an der unter andern Engel und der Probst Zöllner Theil nahmen. Engel war damals Theaterdirektor und wegen seines Talentes im Erzählen berühmt, allein er hatte die Eigenheit mancher guten Erzähler, daß er, einmal unterbrochen, nicht so leicht wieder das Wort nahm. Zöllner erzählte ebenfalls sehr gut, liebte aber nach einer Unsitte, welche damals besonders den Geistlichen soll angehangen haben, zweideutige Geschichten. Engel machte an jenem Tage anfangs einige ernsthafte Bemerkungen, wurde bald unterbrochen, und saß von nun an stumm, Zöllner dagegen erging sich in dem bekannten frivolen Thema mit großer Ausführlichkeit. Als der Fremde am andern Tage bei Nicolai sich beurlaubte, und von diesem gefragt wurde, wie ihm die Herren gefallen, erwiederte er: O sehr gut, nur hätte ich Zöllner für den Theaterdirektor und Engel für den Probst gehalten. Mit der edlen Frau Elisa von der Recke war Nicolai

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/49
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/49>, abgerufen am 24.11.2024.