Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

leonischen Krieger sträubte sich so gewaltig gegen diese unkluge Maasregel, daß man bald davon Abstand nehmen mußte.

Für die in Paris einquartirten fremden Truppen wurde auf das beste gesorgt. Sie erhielten eine so reichliche Feldzulage, daß sie an den vielfachen Genüssen des üppigen Pariser Lebens mit aller Gemächlichkeit Theil nehmen konnten. Die Offiziere thaten sich gewöhnlich zusammen, und besuchten zu Mittage die besten Gasthäuser des Palais Royal, unter denen Very, Vefour, les quatre freres Provenceaux und andre sehr oft genannt wurden. Dies Zusammenschließen hatte auch darin seinen Grund, daß nicht alle preußischen Offiziere des französischen so weit mächtig waren, um sich bequem ausdrücken zu können. Zu den letzten gehörte der inzwischen zum Major vorgerückte Herr von Osten, der sich durch Dienstgeschäfte angehalten, einmal in der Lage befand, sein Mittagsmahl allein einzunehmen. Er hielt es für das sicherste, auf dem Speisezettel von oben anzufangen, und dann zu sehn, wie weit er kommen werde. Mit stummer Gebehrde zeigte er dem Kellner die erste Zeile und erhielt eine Suppe; nachdem diese verzehrt war, deutete er auf die zweite Zeile, und erhielt eine andere Suppe; er ließ sich nicht irre machen, aber die dritte Zeile brachte noch eine neue Suppe. Nun faßte er das Ding vom unteren Ende an. Die letzte Zeile gab einen Salat, die vorletzte und drittletzte desgleichen. Erzürnt stand er auf, zahlte seine Rechnung, und tadelte überall aufs schärfste die französische Küche, bei der man in den Fall kommen könne, ein Diner von dreimal Suppe und dreimal Salat zu machen.


léonischen Krieger sträubte sich so gewaltig gegen diese unkluge Maasregel, daß man bald davon Abstand nehmen mußte.

Für die in Paris einquartirten fremden Truppen wurde auf das beste gesorgt. Sie erhielten eine so reichliche Feldzulage, daß sie an den vielfachen Genüssen des üppigen Pariser Lebens mit aller Gemächlichkeit Theil nehmen konnten. Die Offiziere thaten sich gewöhnlich zusammen, und besuchten zu Mittage die besten Gasthäuser des Palais Royal, unter denen Véry, Véfour, les quatre frères Provenceaux und andre sehr oft genannt wurden. Dies Zusammenschließen hatte auch darin seinen Grund, daß nicht alle preußischen Offiziere des französischen so weit mächtig waren, um sich bequem ausdrücken zu können. Zu den letzten gehörte der inzwischen zum Major vorgerückte Herr von Osten, der sich durch Dienstgeschäfte angehalten, einmal in der Lage befand, sein Mittagsmahl allein einzunehmen. Er hielt es für das sicherste, auf dem Speisezettel von oben anzufangen, und dann zu sehn, wie weit er kommen werde. Mit stummer Gebehrde zeigte er dem Kellner die erste Zeile und erhielt eine Suppe; nachdem diese verzehrt war, deutete er auf die zweite Zeile, und erhielt eine andere Suppe; er ließ sich nicht irre machen, aber die dritte Zeile brachte noch eine neue Suppe. Nun faßte er das Ding vom unteren Ende an. Die letzte Zeile gab einen Salat, die vorletzte und drittletzte desgleichen. Erzürnt stand er auf, zahlte seine Rechnung, und tadelte überall aufs schärfste die französische Küche, bei der man in den Fall kommen könne, ein Diner von dreimal Suppe und dreimal Salat zu machen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0463" n="451"/>
léonischen Krieger sträubte sich so gewaltig gegen diese unkluge Maasregel, daß man bald davon Abstand nehmen mußte. </p><lb/>
          <p>Für die in Paris einquartirten fremden Truppen wurde auf das beste gesorgt. Sie erhielten eine so reichliche Feldzulage, daß sie an den vielfachen Genüssen des üppigen Pariser Lebens mit aller Gemächlichkeit Theil nehmen konnten. Die Offiziere thaten sich gewöhnlich zusammen, und besuchten zu Mittage die besten Gasthäuser des Palais Royal, unter denen Véry, Véfour, les quatre frères Provenceaux und andre sehr oft genannt wurden. Dies Zusammenschließen hatte auch darin seinen Grund, daß nicht alle preußischen Offiziere des französischen so weit mächtig waren, um sich bequem ausdrücken zu können. Zu den letzten gehörte der inzwischen zum Major vorgerückte Herr von Osten, der sich durch Dienstgeschäfte angehalten, einmal in der Lage befand, sein Mittagsmahl allein einzunehmen. Er hielt es für das sicherste, auf dem Speisezettel von oben anzufangen, und dann zu sehn, wie weit er kommen werde. Mit stummer Gebehrde zeigte er dem Kellner die erste Zeile und erhielt eine Suppe; nachdem diese verzehrt war, deutete er auf die zweite Zeile, und erhielt eine andere Suppe; er ließ sich nicht irre machen, aber die dritte Zeile brachte noch eine neue Suppe. Nun faßte er das Ding vom unteren Ende an. Die letzte Zeile gab einen Salat, die vorletzte und drittletzte desgleichen. Erzürnt stand er auf, zahlte seine Rechnung, und tadelte überall aufs schärfste die französische Küche, bei der man in den Fall kommen könne, ein Diner von dreimal Suppe und dreimal Salat zu machen. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
    <back>
</back>
  </text>
</TEI>
[451/0463] léonischen Krieger sträubte sich so gewaltig gegen diese unkluge Maasregel, daß man bald davon Abstand nehmen mußte. Für die in Paris einquartirten fremden Truppen wurde auf das beste gesorgt. Sie erhielten eine so reichliche Feldzulage, daß sie an den vielfachen Genüssen des üppigen Pariser Lebens mit aller Gemächlichkeit Theil nehmen konnten. Die Offiziere thaten sich gewöhnlich zusammen, und besuchten zu Mittage die besten Gasthäuser des Palais Royal, unter denen Véry, Véfour, les quatre frères Provenceaux und andre sehr oft genannt wurden. Dies Zusammenschließen hatte auch darin seinen Grund, daß nicht alle preußischen Offiziere des französischen so weit mächtig waren, um sich bequem ausdrücken zu können. Zu den letzten gehörte der inzwischen zum Major vorgerückte Herr von Osten, der sich durch Dienstgeschäfte angehalten, einmal in der Lage befand, sein Mittagsmahl allein einzunehmen. Er hielt es für das sicherste, auf dem Speisezettel von oben anzufangen, und dann zu sehn, wie weit er kommen werde. Mit stummer Gebehrde zeigte er dem Kellner die erste Zeile und erhielt eine Suppe; nachdem diese verzehrt war, deutete er auf die zweite Zeile, und erhielt eine andere Suppe; er ließ sich nicht irre machen, aber die dritte Zeile brachte noch eine neue Suppe. Nun faßte er das Ding vom unteren Ende an. Die letzte Zeile gab einen Salat, die vorletzte und drittletzte desgleichen. Erzürnt stand er auf, zahlte seine Rechnung, und tadelte überall aufs schärfste die französische Küche, bei der man in den Fall kommen könne, ein Diner von dreimal Suppe und dreimal Salat zu machen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/463
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/463>, abgerufen am 25.11.2024.