Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].haben. Er soll ihnen als Friedensbedingungen die Rheingränze, die Auflösung des Rheinbundes und einen freiwilligen Abzug aus Deutschland angeboten haben. Mit Recht erblickten die Verbündeten hierin ein Zeichen seiner Schwäche, da er bisher gewohnt war, die Friedensbedingungen vorzuschreiben, nicht anzubieten. Am 18. früh wurde der Kampf fortgesetzt. So viel Blut er auch kostete, so war doch sein Ausgang kaum zweifelhaft. Napoleon hielt mit den Garden bei Propstheyda, befahl aber bald den Rückzug, nachdem er sich von der Vergeblichkeit eines längeren Widerstandes überzeugt hatte. Während des Gefechtes erinnerten sich 10,000 Mann Sachsen, die auf der Seite der Franzosen standen, ihrer deutschen Abkunft, gingen zu den Verbündeten über, und kehrten sogleich ihre Kanonen gegen die Franzosen. In den französischen Berichten wurde dies später auf eine Weise dargestellt, als sei dadurch der Sieg der Verbündeten entschieden worden; es diente jedoch nur dazu, die Niederlage der Franzosen zu vervollständigen. Wohl erinnre ich mich eines Gespräches, das ich viele Jahre später mit einem Dresdner Vetter darüber führte. Er theilte den glühenden Preußenhaß, der schon seit dem siebenjährigen Kriege bei den Sachsen einheimisch ist, und sich in neuerer Zeit noch vermehrt hat; wir waren aber gute Freunde, da ich alles vermied, was ihn verletzen konnte. Einmal kamen wir auf jenen Uebergang der Sachsen zu sprechen, und ich lobte ihren deutschen Patriotismus, der um eine größere Pflicht zu erfüllen, die Verletzung einer kleineren nicht gescheut habe. Da entfärbte sich mein Vetter und brachte mit bebenden Lippen das Geständniß hervor, daß er in der ganzen sächsischen Geschichte keinen so schmach- haben. Er soll ihnen als Friedensbedingungen die Rheingränze, die Auflösung des Rheinbundes und einen freiwilligen Abzug aus Deutschland angeboten haben. Mit Recht erblickten die Verbündeten hierin ein Zeichen seiner Schwäche, da er bisher gewohnt war, die Friedensbedingungen vorzuschreiben, nicht anzubieten. Am 18. früh wurde der Kampf fortgesetzt. So viel Blut er auch kostete, so war doch sein Ausgang kaum zweifelhaft. Napoléon hielt mit den Garden bei Propstheyda, befahl aber bald den Rückzug, nachdem er sich von der Vergeblichkeit eines längeren Widerstandes überzeugt hatte. Während des Gefechtes erinnerten sich 10,000 Mann Sachsen, die auf der Seite der Franzosen standen, ihrer deutschen Abkunft, gingen zu den Verbündeten über, und kehrten sogleich ihre Kanonen gegen die Franzosen. In den französischen Berichten wurde dies später auf eine Weise dargestellt, als sei dadurch der Sieg der Verbündeten entschieden worden; es diente jedoch nur dazu, die Niederlage der Franzosen zu vervollständigen. Wohl erinnre ich mich eines Gespräches, das ich viele Jahre später mit einem Dresdner Vetter darüber führte. Er theilte den glühenden Preußenhaß, der schon seit dem siebenjährigen Kriege bei den Sachsen einheimisch ist, und sich in neuerer Zeit noch vermehrt hat; wir waren aber gute Freunde, da ich alles vermied, was ihn verletzen konnte. Einmal kamen wir auf jenen Uebergang der Sachsen zu sprechen, und ich lobte ihren deutschen Patriotismus, der um eine größere Pflicht zu erfüllen, die Verletzung einer kleineren nicht gescheut habe. Da entfärbte sich mein Vetter und brachte mit bebenden Lippen das Geständniß hervor, daß er in der ganzen sächsischen Geschichte keinen so schmach- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0418" n="406"/> haben. Er soll ihnen als Friedensbedingungen die Rheingränze, die Auflösung des Rheinbundes und einen freiwilligen Abzug aus Deutschland angeboten haben. Mit Recht erblickten die Verbündeten hierin ein Zeichen seiner Schwäche, da er bisher gewohnt war, die Friedensbedingungen vorzuschreiben, nicht anzubieten. Am 18. früh wurde der Kampf fortgesetzt. So viel Blut er auch kostete, so war doch sein Ausgang kaum zweifelhaft. Napoléon hielt mit den Garden bei Propstheyda, befahl aber bald den Rückzug, nachdem er sich von der Vergeblichkeit eines längeren Widerstandes überzeugt hatte. </p><lb/> <p>Während des Gefechtes erinnerten sich 10,000 Mann Sachsen, die auf der Seite der Franzosen standen, ihrer deutschen Abkunft, gingen zu den Verbündeten über, und kehrten sogleich ihre Kanonen gegen die Franzosen. In den französischen Berichten wurde dies später auf eine Weise dargestellt, als sei dadurch der Sieg der Verbündeten entschieden worden; es diente jedoch nur dazu, die Niederlage der Franzosen zu vervollständigen. Wohl erinnre ich mich eines Gespräches, das ich viele Jahre später mit einem Dresdner Vetter darüber führte. Er theilte den glühenden Preußenhaß, der schon seit dem siebenjährigen Kriege bei den Sachsen einheimisch ist, und sich in neuerer Zeit noch vermehrt hat; wir waren aber gute Freunde, da ich alles vermied, was ihn verletzen konnte. Einmal kamen wir auf jenen Uebergang der Sachsen zu sprechen, und ich lobte ihren deutschen Patriotismus, der um eine größere Pflicht zu erfüllen, die Verletzung einer kleineren nicht gescheut habe. Da entfärbte sich mein Vetter und brachte mit bebenden Lippen das Geständniß hervor, daß er in der ganzen sächsischen Geschichte keinen so schmach- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [406/0418]
haben. Er soll ihnen als Friedensbedingungen die Rheingränze, die Auflösung des Rheinbundes und einen freiwilligen Abzug aus Deutschland angeboten haben. Mit Recht erblickten die Verbündeten hierin ein Zeichen seiner Schwäche, da er bisher gewohnt war, die Friedensbedingungen vorzuschreiben, nicht anzubieten. Am 18. früh wurde der Kampf fortgesetzt. So viel Blut er auch kostete, so war doch sein Ausgang kaum zweifelhaft. Napoléon hielt mit den Garden bei Propstheyda, befahl aber bald den Rückzug, nachdem er sich von der Vergeblichkeit eines längeren Widerstandes überzeugt hatte.
Während des Gefechtes erinnerten sich 10,000 Mann Sachsen, die auf der Seite der Franzosen standen, ihrer deutschen Abkunft, gingen zu den Verbündeten über, und kehrten sogleich ihre Kanonen gegen die Franzosen. In den französischen Berichten wurde dies später auf eine Weise dargestellt, als sei dadurch der Sieg der Verbündeten entschieden worden; es diente jedoch nur dazu, die Niederlage der Franzosen zu vervollständigen. Wohl erinnre ich mich eines Gespräches, das ich viele Jahre später mit einem Dresdner Vetter darüber führte. Er theilte den glühenden Preußenhaß, der schon seit dem siebenjährigen Kriege bei den Sachsen einheimisch ist, und sich in neuerer Zeit noch vermehrt hat; wir waren aber gute Freunde, da ich alles vermied, was ihn verletzen konnte. Einmal kamen wir auf jenen Uebergang der Sachsen zu sprechen, und ich lobte ihren deutschen Patriotismus, der um eine größere Pflicht zu erfüllen, die Verletzung einer kleineren nicht gescheut habe. Da entfärbte sich mein Vetter und brachte mit bebenden Lippen das Geständniß hervor, daß er in der ganzen sächsischen Geschichte keinen so schmach-
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