Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ihm sein Wunsch, zu heirathen, erfüllt. Er führte eine nicht mehr junge, aber liebenswürdige Wittwe zum Altar. Wenn ich ihm zuweilen auf der Straße begegnete, so pflegte er zur Verwunderung der Vorübergehenden mich ganz laut anzurufen: Menschen, Menschen! falsche heuchlerische Krokodillenbrut! -------- Nachdem die Franzosen im Anfange des Feldzugs von 1813 so viele Schlachten verloren, so gehörte der Muth eines Napoleon dazu, um noch eine große Schlacht im Herzen von Deutschland zu wagen. Sobald die Verbündeten einsahen, daß er Sachsen nicht freiwillig aufgeben werde, so zogen sie ihre Heere immer dichter gegen Leipzig zusammen. Napoleon ließ den Marschall SaintCyr mit einer starken Garnison in Dresden, ging im Anfange des Oktobers nach Leipzig, und nahm den alten König von Sachsen, gleichsam als Geißel dahin mit. Die unabsehbare Ebne, durch welche die träge Pleiße sich schlängelt, war mit Heerhaufen aller Art bedeckt. Man hat berechnet, daß in jenen Oktobertagen beinahe 600,000 Krieger dort gegen einander standen. Leipzig war der Mittelpunkt von zwei konzentrischen Halbkreisen geworden, deren inneren die Franzosen, den äußeren die Verbündeten besetzten. Am 16. Oktober begann der Donner der großen Völkerschlacht auf der Südseite von Leipzig, wo die Oestreicher standen. Napoleon hoffte mit diesen am schnellsten fertig zu werden. Man kämpfte mit wechselndem Glücke, und es gelang den Franzosen, auf einigen Punkten Vortheile zu erringen. Am 17. trat eine Art von freiwilliger Waffen- ihm sein Wunsch, zu heirathen, erfüllt. Er führte eine nicht mehr junge, aber liebenswürdige Wittwe zum Altar. Wenn ich ihm zuweilen auf der Straße begegnete, so pflegte er zur Verwunderung der Vorübergehenden mich ganz laut anzurufen: Menschen, Menschen! falsche heuchlerische Krokodillenbrut! ———— Nachdem die Franzosen im Anfange des Feldzugs von 1813 so viele Schlachten verloren, so gehörte der Muth eines Napoléon dazu, um noch eine große Schlacht im Herzen von Deutschland zu wagen. Sobald die Verbündeten einsahen, daß er Sachsen nicht freiwillig aufgeben werde, so zogen sie ihre Heere immer dichter gegen Leipzig zusammen. Napoléon ließ den Marschall SaintCyr mit einer starken Garnison in Dresden, ging im Anfange des Oktobers nach Leipzig, und nahm den alten König von Sachsen, gleichsam als Geißel dahin mit. Die unabsehbare Ebne, durch welche die träge Pleiße sich schlängelt, war mit Heerhaufen aller Art bedeckt. Man hat berechnet, daß in jenen Oktobertagen beinahe 600,000 Krieger dort gegen einander standen. Leipzig war der Mittelpunkt von zwei konzentrischen Halbkreisen geworden, deren inneren die Franzosen, den äußeren die Verbündeten besetzten. Am 16. Oktober begann der Donner der großen Völkerschlacht auf der Südseite von Leipzig, wo die Oestreicher standen. Napoléon hoffte mit diesen am schnellsten fertig zu werden. Man kämpfte mit wechselndem Glücke, und es gelang den Franzosen, auf einigen Punkten Vortheile zu erringen. Am 17. trat eine Art von freiwilliger Waffen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0413" n="401"/> ihm sein Wunsch, zu heirathen, erfüllt. Er führte eine nicht mehr junge, aber liebenswürdige Wittwe zum Altar. Wenn ich ihm zuweilen auf der Straße begegnete, so pflegte er zur Verwunderung der Vorübergehenden mich ganz laut anzurufen: Menschen, Menschen! falsche heuchlerische Krokodillenbrut!</p><lb/> <p rendition="#c">————</p><lb/> <p>Nachdem die Franzosen im Anfange des Feldzugs von 1813 so viele Schlachten verloren, so gehörte der Muth eines Napoléon dazu, um noch eine große Schlacht im Herzen von Deutschland zu wagen. Sobald die Verbündeten einsahen, daß er Sachsen nicht freiwillig aufgeben werde, so zogen sie ihre Heere immer dichter gegen Leipzig zusammen. Napoléon ließ den Marschall SaintCyr mit einer starken Garnison in Dresden, ging im Anfange des Oktobers nach Leipzig, und nahm den alten König von Sachsen, gleichsam als Geißel dahin mit. Die unabsehbare Ebne, durch welche die träge Pleiße sich schlängelt, war mit Heerhaufen aller Art bedeckt. Man hat berechnet, daß in jenen Oktobertagen beinahe 600,000 Krieger dort gegen einander standen. Leipzig war der Mittelpunkt von zwei konzentrischen Halbkreisen geworden, deren inneren die Franzosen, den äußeren die Verbündeten besetzten. </p><lb/> <p>Am 16. Oktober begann der Donner der großen Völkerschlacht auf der Südseite von Leipzig, wo die Oestreicher standen. Napoléon hoffte mit diesen am schnellsten fertig zu werden. Man kämpfte mit wechselndem Glücke, und es gelang den Franzosen, auf einigen Punkten Vortheile zu erringen. Am 17. trat eine Art von freiwilliger Waffen- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [401/0413]
ihm sein Wunsch, zu heirathen, erfüllt. Er führte eine nicht mehr junge, aber liebenswürdige Wittwe zum Altar. Wenn ich ihm zuweilen auf der Straße begegnete, so pflegte er zur Verwunderung der Vorübergehenden mich ganz laut anzurufen: Menschen, Menschen! falsche heuchlerische Krokodillenbrut!
————
Nachdem die Franzosen im Anfange des Feldzugs von 1813 so viele Schlachten verloren, so gehörte der Muth eines Napoléon dazu, um noch eine große Schlacht im Herzen von Deutschland zu wagen. Sobald die Verbündeten einsahen, daß er Sachsen nicht freiwillig aufgeben werde, so zogen sie ihre Heere immer dichter gegen Leipzig zusammen. Napoléon ließ den Marschall SaintCyr mit einer starken Garnison in Dresden, ging im Anfange des Oktobers nach Leipzig, und nahm den alten König von Sachsen, gleichsam als Geißel dahin mit. Die unabsehbare Ebne, durch welche die träge Pleiße sich schlängelt, war mit Heerhaufen aller Art bedeckt. Man hat berechnet, daß in jenen Oktobertagen beinahe 600,000 Krieger dort gegen einander standen. Leipzig war der Mittelpunkt von zwei konzentrischen Halbkreisen geworden, deren inneren die Franzosen, den äußeren die Verbündeten besetzten.
Am 16. Oktober begann der Donner der großen Völkerschlacht auf der Südseite von Leipzig, wo die Oestreicher standen. Napoléon hoffte mit diesen am schnellsten fertig zu werden. Man kämpfte mit wechselndem Glücke, und es gelang den Franzosen, auf einigen Punkten Vortheile zu erringen. Am 17. trat eine Art von freiwilliger Waffen-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/413 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/413>, abgerufen am 27.07.2024. |