Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Versicherung, daß es nun gewiß gelingen müsse, der siebenjährigen Qual ein Ende zu machen, da ja eine Schlacht nach der anderen gewonnen werde.

Der Siegesjubel wurde indessen auf das herbste getrübt durch die Nachricht von Theodor Körners Tode, die am 3. September in Berlin eintraf. Wir konnten uns anfangs gar nicht darin finden, und da bei den langsamen Verkehrsmitteln erst eine unbestimmte Kunde davon anlangte, so glaubten wir durch hartnäckiges Läugnen das gefürchtete Unglück verhindern zu können. Aber nur zu bald bestätigte sich der schmerzliche Verlust, der unser ganzes Haus in Trauer versenkte. Nun erinnerten wir uns seines zuletzt ausgesprochenen Wunsches, in einer großen Entscheidungschlacht zu fallen. Dieser sollte nicht in Erfüllung gehn. In einem kleinen, unbedeutenden Gefechte bei Wöbbelin in Meklenburg machte die Lützowsche Reiterei einen Angriff auf französisches Fußvolk, und sprengte dasselbe auseinander. Wie man viele Jahre nachher erfuhr, so war es ein im französischen Heere dienender Rheinländer, der sich in einen Graben am Wege warf, und von dort aus den vorbei reitenden Körner vom Pferde schoß. In Körners Brieftasche fand man unter andern Gedichten auch seinen Schwanengesang: Du Schwert an meiner Linken, den er am Morgen des verhängnißvollen Tages eingeschrieben und seinen Kameraden im Bivouak vorgelesen. Von K. M. von Weber seelenvoll komponirt, war dies lange Zeit das Lieblingslied aller Gesangvereine und Liedertafeln.

Obgleich Napoleon im September 1813 Dresden und das ganze westliche Deutschland noch immer inne hatte, so hielten doch die Verbündeten die bisher errungenen Vortheile, die Zurückweisung der französischen Heere auf

Versicherung, daß es nun gewiß gelingen müsse, der siebenjährigen Qual ein Ende zu machen, da ja eine Schlacht nach der anderen gewonnen werde.

Der Siegesjubel wurde indessen auf das herbste getrübt durch die Nachricht von Theodor Körners Tode, die am 3. September in Berlin eintraf. Wir konnten uns anfangs gar nicht darin finden, und da bei den langsamen Verkehrsmitteln erst eine unbestimmte Kunde davon anlangte, so glaubten wir durch hartnäckiges Läugnen das gefürchtete Unglück verhindern zu können. Aber nur zu bald bestätigte sich der schmerzliche Verlust, der unser ganzes Haus in Trauer versenkte. Nun erinnerten wir uns seines zuletzt ausgesprochenen Wunsches, in einer großen Entscheidungschlacht zu fallen. Dieser sollte nicht in Erfüllung gehn. In einem kleinen, unbedeutenden Gefechte bei Wöbbelin in Meklenburg machte die Lützowsche Reiterei einen Angriff auf französisches Fußvolk, und sprengte dasselbe auseinander. Wie man viele Jahre nachher erfuhr, so war es ein im französischen Heere dienender Rheinländer, der sich in einen Graben am Wege warf, und von dort aus den vorbei reitenden Körner vom Pferde schoß. In Körners Brieftasche fand man unter andern Gedichten auch seinen Schwanengesang: Du Schwert an meiner Linken, den er am Morgen des verhängnißvollen Tages eingeschrieben und seinen Kameraden im Bivouak vorgelesen. Von K. M. von Weber seelenvoll komponirt, war dies lange Zeit das Lieblingslied aller Gesangvereine und Liedertafeln.

Obgleich Napoléon im September 1813 Dresden und das ganze westliche Deutschland noch immer inne hatte, so hielten doch die Verbündeten die bisher errungenen Vortheile, die Zurückweisung der französischen Heere auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0404" n="392"/>
Versicherung, daß es nun gewiß gelingen müsse, der siebenjährigen Qual ein Ende zu machen, da ja eine Schlacht nach der anderen gewonnen werde. </p><lb/>
          <p>Der Siegesjubel wurde indessen auf das herbste getrübt durch die Nachricht von Theodor Körners Tode, die am 3. September in Berlin eintraf. Wir konnten uns anfangs gar nicht darin finden, und da bei den langsamen Verkehrsmitteln erst eine unbestimmte Kunde davon anlangte, so glaubten wir durch hartnäckiges Läugnen das gefürchtete Unglück verhindern zu können. Aber nur zu bald bestätigte sich der schmerzliche Verlust, der unser ganzes Haus in Trauer versenkte. Nun erinnerten wir uns seines zuletzt ausgesprochenen Wunsches, in einer großen Entscheidungschlacht zu fallen. Dieser sollte nicht in Erfüllung gehn. In einem kleinen, unbedeutenden Gefechte bei Wöbbelin in Meklenburg machte die Lützowsche Reiterei einen Angriff auf französisches Fußvolk, und sprengte dasselbe auseinander. Wie man viele Jahre nachher erfuhr, so war es ein im französischen Heere dienender Rheinländer, der sich in einen Graben am Wege warf, und von dort aus den vorbei reitenden Körner vom Pferde schoß. In Körners Brieftasche fand man unter andern Gedichten auch seinen Schwanengesang: Du Schwert an meiner Linken, den er am Morgen des verhängnißvollen Tages eingeschrieben und seinen Kameraden im Bivouak vorgelesen. Von K. M. von Weber seelenvoll komponirt, war dies lange Zeit das Lieblingslied aller Gesangvereine und Liedertafeln. </p><lb/>
          <p>Obgleich Napoléon im September 1813 Dresden und das ganze westliche Deutschland noch immer inne hatte, so hielten doch die Verbündeten die bisher errungenen Vortheile, die Zurückweisung der französischen Heere auf
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0404] Versicherung, daß es nun gewiß gelingen müsse, der siebenjährigen Qual ein Ende zu machen, da ja eine Schlacht nach der anderen gewonnen werde. Der Siegesjubel wurde indessen auf das herbste getrübt durch die Nachricht von Theodor Körners Tode, die am 3. September in Berlin eintraf. Wir konnten uns anfangs gar nicht darin finden, und da bei den langsamen Verkehrsmitteln erst eine unbestimmte Kunde davon anlangte, so glaubten wir durch hartnäckiges Läugnen das gefürchtete Unglück verhindern zu können. Aber nur zu bald bestätigte sich der schmerzliche Verlust, der unser ganzes Haus in Trauer versenkte. Nun erinnerten wir uns seines zuletzt ausgesprochenen Wunsches, in einer großen Entscheidungschlacht zu fallen. Dieser sollte nicht in Erfüllung gehn. In einem kleinen, unbedeutenden Gefechte bei Wöbbelin in Meklenburg machte die Lützowsche Reiterei einen Angriff auf französisches Fußvolk, und sprengte dasselbe auseinander. Wie man viele Jahre nachher erfuhr, so war es ein im französischen Heere dienender Rheinländer, der sich in einen Graben am Wege warf, und von dort aus den vorbei reitenden Körner vom Pferde schoß. In Körners Brieftasche fand man unter andern Gedichten auch seinen Schwanengesang: Du Schwert an meiner Linken, den er am Morgen des verhängnißvollen Tages eingeschrieben und seinen Kameraden im Bivouak vorgelesen. Von K. M. von Weber seelenvoll komponirt, war dies lange Zeit das Lieblingslied aller Gesangvereine und Liedertafeln. Obgleich Napoléon im September 1813 Dresden und das ganze westliche Deutschland noch immer inne hatte, so hielten doch die Verbündeten die bisher errungenen Vortheile, die Zurückweisung der französischen Heere auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/404
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/404>, abgerufen am 26.11.2024.