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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Dr. Kohlrausch, der nach des Grosvaters Nicolai Tode unser Hausarzt geworden war, lieh ihr ein paar schöne Pistolen mit allem Zubehör, und gab ihr sogar eine nicht unbeträchtliche Menge Schießpulver. Bleierne Kugeln wurden in einer zierlichen Kugelform am Herde der Küche gegossen, und mit der Feile abgerundet. Die Sache war im besten Gange, und wir warteten nur auf eine Gelegenheit, nach der Hasenheide zu fahren, um die Pistolen zu versuchen, als es dem Dr. Kohlrausch einfiel, daß ein unerfahrnes Frauenzimmer mit dem Pulver Unheil anrichten könne; er schickte daher eines Morgens seinen Bedienten, um es abholen zu lassen. Tante Jettchen wollte ihrerseits ebenfalls allen Schaden verhüten, und die Pulverdüte dem Bedienten nicht offen mitgeben. Sie stellte sich also ganz unbefangen an ein brennendes Licht und versiegelte die Düte. Als Kohlrausch sie erhielt, und die entsetzliche Gefahr bedachte, in der seine Geliebte geschwebt, war er so erschrocken, daß ihm fast die Sinne vergingen. Er kam bald darauf angefahren, um sich, wie er sagte, zu überzeugen, daß sie noch lebe. Sie selbst war betroffen genug über ihre unverzeihliche Unbesonnenheit, und hörte später niemals gern davon reden. Zwar versicherte uns ein superkluger Mitschüler, dem wir den Fall erzählten, daß weder die Flamme, noch das brennende Siegellack das Pulver hätten entzünden können, und daß dazu ein Funke gehöre, man könne also ein gut abgeputztes Talglicht in einer Pulvertonne auslöschen. Zu diesem letzten Experimente würde er sich jedoch schwerlich verstanden haben.

Im Anfange des April zogen die meisten meiner Jugendfreunde und Bekannten aus; viele gingen zum Lützowschen

Dr. Kohlrausch, der nach des Grosvaters Nicolai Tode unser Hausarzt geworden war, lieh ihr ein paar schöne Pistolen mit allem Zubehör, und gab ihr sogar eine nicht unbeträchtliche Menge Schießpulver. Bleierne Kugeln wurden in einer zierlichen Kugelform am Herde der Küche gegossen, und mit der Feile abgerundet. Die Sache war im besten Gange, und wir warteten nur auf eine Gelegenheit, nach der Hasenheide zu fahren, um die Pistolen zu versuchen, als es dem Dr. Kohlrausch einfiel, daß ein unerfahrnes Frauenzimmer mit dem Pulver Unheil anrichten könne; er schickte daher eines Morgens seinen Bedienten, um es abholen zu lassen. Tante Jettchen wollte ihrerseits ebenfalls allen Schaden verhüten, und die Pulverdüte dem Bedienten nicht offen mitgeben. Sie stellte sich also ganz unbefangen an ein brennendes Licht und versiegelte die Düte. Als Kohlrausch sie erhielt, und die entsetzliche Gefahr bedachte, in der seine Geliebte geschwebt, war er so erschrocken, daß ihm fast die Sinne vergingen. Er kam bald darauf angefahren, um sich, wie er sagte, zu überzeugen, daß sie noch lebe. Sie selbst war betroffen genug über ihre unverzeihliche Unbesonnenheit, und hörte später niemals gern davon reden. Zwar versicherte uns ein superkluger Mitschüler, dem wir den Fall erzählten, daß weder die Flamme, noch das brennende Siegellack das Pulver hätten entzünden können, und daß dazu ein Funke gehöre, man könne also ein gut abgeputztes Talglicht in einer Pulvertonne auslöschen. Zu diesem letzten Experimente würde er sich jedoch schwerlich verstanden haben.

Im Anfange des April zogen die meisten meiner Jugendfreunde und Bekannten aus; viele gingen zum Lützowschen

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[346/0358] Dr. Kohlrausch, der nach des Grosvaters Nicolai Tode unser Hausarzt geworden war, lieh ihr ein paar schöne Pistolen mit allem Zubehör, und gab ihr sogar eine nicht unbeträchtliche Menge Schießpulver. Bleierne Kugeln wurden in einer zierlichen Kugelform am Herde der Küche gegossen, und mit der Feile abgerundet. Die Sache war im besten Gange, und wir warteten nur auf eine Gelegenheit, nach der Hasenheide zu fahren, um die Pistolen zu versuchen, als es dem Dr. Kohlrausch einfiel, daß ein unerfahrnes Frauenzimmer mit dem Pulver Unheil anrichten könne; er schickte daher eines Morgens seinen Bedienten, um es abholen zu lassen. Tante Jettchen wollte ihrerseits ebenfalls allen Schaden verhüten, und die Pulverdüte dem Bedienten nicht offen mitgeben. Sie stellte sich also ganz unbefangen an ein brennendes Licht und versiegelte die Düte. Als Kohlrausch sie erhielt, und die entsetzliche Gefahr bedachte, in der seine Geliebte geschwebt, war er so erschrocken, daß ihm fast die Sinne vergingen. Er kam bald darauf angefahren, um sich, wie er sagte, zu überzeugen, daß sie noch lebe. Sie selbst war betroffen genug über ihre unverzeihliche Unbesonnenheit, und hörte später niemals gern davon reden. Zwar versicherte uns ein superkluger Mitschüler, dem wir den Fall erzählten, daß weder die Flamme, noch das brennende Siegellack das Pulver hätten entzünden können, und daß dazu ein Funke gehöre, man könne also ein gut abgeputztes Talglicht in einer Pulvertonne auslöschen. Zu diesem letzten Experimente würde er sich jedoch schwerlich verstanden haben. Im Anfange des April zogen die meisten meiner Jugendfreunde und Bekannten aus; viele gingen zum Lützowschen

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/358>, abgerufen am 22.11.2024.