Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Wagen und Pferden. Er hatte wenig zu erzählen, weil er noch nichts erlebte, aber aus seinen hellen blauen Augen leuchtete das Gefühl der wärmsten Vaterlandsliebe und der feste Entschluß, alle Kräfte an die Befreiung der Nation zu setzen. Es folgten andre Offiziere, die meistens nur einen oder ein paar Tage blieben, weil die preußischen Streitkräfte immer mehr gegen Sachsen vorgeschoben wurden. Bei der Erneuerung des preußischen Heeres in Breslau war der König, wie man sagte durch Scharnhorst, auf den bereits 73jährigen General Blücher aufmerksam gemacht worden. Er gab ihm den Oberbefehl über die schlesische Armee. Diese Ernennung kam den Wünschen des Volkes entgegen. Daß Blücher als junger Husar den ganzen siebenjährigen Krieg mitgemacht, wollten wir, als es uns erzählt ward, kaum glauben: denn jene Epoche, von der die älteren Leute viel zu sagen wußten, lag für die jüngeren schon in einer mythischen Ferne. Doch erinnerten wir uns recht gut, daß Blücher im Jahre 1806 der einzige preußische General gewesen, der in jener ruhmlosen Zeit nicht ohne Lob gekämpft hatte. Er machte mit seinem Armeecorps einen kühnen Zug durch Meklenburg nach Lübeck, mußte sich aber hier, da 3 französische Marschälle zu seiner Verfolgung herbeieilten, gefangen geben. Ihn jetzt wieder im Verein mit den Generalen York, Bülow, Gneisenau und Scharnhorst in Thätigkeit zu sehn, gab uns die frohe Zuversicht des Sieges. Unterdessen gingen die Rüstungen in Berlin ohne Unterbrechung fort. Gegenüber von unserm Hause in der Brüderstraße wurde die junge, eben einberufene Landwehr einexercirt. Haufen von 10-20 Mann standen in ihrer Wagen und Pferden. Er hatte wenig zu erzählen, weil er noch nichts erlebte, aber aus seinen hellen blauen Augen leuchtete das Gefühl der wärmsten Vaterlandsliebe und der feste Entschluß, alle Kräfte an die Befreiung der Nation zu setzen. Es folgten andre Offiziere, die meistens nur einen oder ein paar Tage blieben, weil die preußischen Streitkräfte immer mehr gegen Sachsen vorgeschoben wurden. Bei der Erneuerung des preußischen Heeres in Breslau war der König, wie man sagte durch Scharnhorst, auf den bereits 73jährigen General Blücher aufmerksam gemacht worden. Er gab ihm den Oberbefehl über die schlesische Armee. Diese Ernennung kam den Wünschen des Volkes entgegen. Daß Blücher als junger Husar den ganzen siebenjährigen Krieg mitgemacht, wollten wir, als es uns erzählt ward, kaum glauben: denn jene Epoche, von der die älteren Leute viel zu sagen wußten, lag für die jüngeren schon in einer mythischen Ferne. Doch erinnerten wir uns recht gut, daß Blücher im Jahre 1806 der einzige preußische General gewesen, der in jener ruhmlosen Zeit nicht ohne Lob gekämpft hatte. Er machte mit seinem Armeecorps einen kühnen Zug durch Meklenburg nach Lübeck, mußte sich aber hier, da 3 französische Marschälle zu seiner Verfolgung herbeieilten, gefangen geben. Ihn jetzt wieder im Verein mit den Generalen York, Bülow, Gneisenau und Scharnhorst in Thätigkeit zu sehn, gab uns die frohe Zuversicht des Sieges. Unterdessen gingen die Rüstungen in Berlin ohne Unterbrechung fort. Gegenüber von unserm Hause in der Brüderstraße wurde die junge, eben einberufene Landwehr einexercirt. Haufen von 10–20 Mann standen in ihrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0356" n="344"/> Wagen und Pferden. Er hatte wenig zu erzählen, weil er noch nichts erlebte, aber aus seinen hellen blauen Augen leuchtete das Gefühl der wärmsten Vaterlandsliebe und der feste Entschluß, alle Kräfte an die Befreiung der Nation zu setzen. 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Er machte mit seinem Armeecorps einen kühnen Zug durch Meklenburg nach Lübeck, mußte sich aber hier, da 3 französische Marschälle zu seiner Verfolgung herbeieilten, gefangen geben. Ihn jetzt wieder im Verein mit den Generalen York, Bülow, Gneisenau und Scharnhorst in Thätigkeit zu sehn, gab uns die frohe Zuversicht des Sieges. </p><lb/> <p>Unterdessen gingen die Rüstungen in Berlin ohne Unterbrechung fort. Gegenüber von unserm Hause in der Brüderstraße wurde die junge, eben einberufene Landwehr einexercirt. Haufen von 10–20 Mann standen in ihrer </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [344/0356]
Wagen und Pferden. Er hatte wenig zu erzählen, weil er noch nichts erlebte, aber aus seinen hellen blauen Augen leuchtete das Gefühl der wärmsten Vaterlandsliebe und der feste Entschluß, alle Kräfte an die Befreiung der Nation zu setzen. Es folgten andre Offiziere, die meistens nur einen oder ein paar Tage blieben, weil die preußischen Streitkräfte immer mehr gegen Sachsen vorgeschoben wurden.
Bei der Erneuerung des preußischen Heeres in Breslau war der König, wie man sagte durch Scharnhorst, auf den bereits 73jährigen General Blücher aufmerksam gemacht worden. Er gab ihm den Oberbefehl über die schlesische Armee. Diese Ernennung kam den Wünschen des Volkes entgegen. Daß Blücher als junger Husar den ganzen siebenjährigen Krieg mitgemacht, wollten wir, als es uns erzählt ward, kaum glauben: denn jene Epoche, von der die älteren Leute viel zu sagen wußten, lag für die jüngeren schon in einer mythischen Ferne. Doch erinnerten wir uns recht gut, daß Blücher im Jahre 1806 der einzige preußische General gewesen, der in jener ruhmlosen Zeit nicht ohne Lob gekämpft hatte. Er machte mit seinem Armeecorps einen kühnen Zug durch Meklenburg nach Lübeck, mußte sich aber hier, da 3 französische Marschälle zu seiner Verfolgung herbeieilten, gefangen geben. Ihn jetzt wieder im Verein mit den Generalen York, Bülow, Gneisenau und Scharnhorst in Thätigkeit zu sehn, gab uns die frohe Zuversicht des Sieges.
Unterdessen gingen die Rüstungen in Berlin ohne Unterbrechung fort. Gegenüber von unserm Hause in der Brüderstraße wurde die junge, eben einberufene Landwehr einexercirt. Haufen von 10–20 Mann standen in ihrer
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