Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Batterien eine uneinnehmbare Stellung zu geben, rief er aus: Enfin je les tiens! Das russische Heer war dem französischen an Zahl etwas überlegen, aber wiederum bewährte sich der Satz, daß der Angreifer gegen den Vertheidiger im Vortheil sei. Die Russen hatten die besten Stellungen, und warteten das Herankommen der Franzosen ab. Ungefähr 1000 Kanonen arbeiteten an dem blutigen Schlachttage des 7. September 1812 gegeneinander, die Russen verloren nach und nach alle Positionen, und mit Erstaunen las man in dem Bulletin, daß am Abend die letzte russische Batterie durch ein sächsisches Kürassierregiment genommen worden sei. Kutusow ging am folgenden Tage zurück, und nun stand dem Einzuge des Siegers in das nahe Moskau kein Hinderniß mehr im Wege. Napoleon selbst schien zu erwarten, daß die Russen noch eine, oder vielleicht noch mehr Schlachten wagen würden, um die altehrwürdige Czarenstadt zu retten. Man erzählte sich, daß er die Schlacht bei Borodino noch entscheidender hätte machen können, wenn er die Garden ins Feuer geführt hätte. Als seine Generale ihn dazu aufforderten, erwiederte er: S'il y a une bataille demain, avec quoi la donnerai-je? Der Einzug in Moskau wurde uns später von Augenzeugen als das wunderbarste Vorkomniß beschrieben. Lange hielt der Kaiser vor den Thoren, weil er erwartete, daß der Magistrat ihm die Schlüssel der Stadt entgegen bringen werde. Als Niemand erschien, zog er durch die langen öden Straßen der ungeheuem Stadt, an leeren Palästen und Hütten vorbei nach dem Innern. Die goldnen Kuppeln des Kreml glänzten im hellen Sonnenschein, aber Batterien eine uneinnehmbare Stellung zu geben, rief er aus: Enfin je les tiens! Das russische Heer war dem französischen an Zahl etwas überlegen, aber wiederum bewährte sich der Satz, daß der Angreifer gegen den Vertheidiger im Vortheil sei. Die Russen hatten die besten Stellungen, und warteten das Herankommen der Franzosen ab. Ungefähr 1000 Kanonen arbeiteten an dem blutigen Schlachttage des 7. September 1812 gegeneinander, die Russen verloren nach und nach alle Positionen, und mit Erstaunen las man in dem Bulletin, daß am Abend die letzte russische Batterie durch ein sächsisches Kürassierregiment genommen worden sei. Kutusow ging am folgenden Tage zurück, und nun stand dem Einzuge des Siegers in das nahe Moskau kein Hinderniß mehr im Wege. Napoléon selbst schien zu erwarten, daß die Russen noch eine, oder vielleicht noch mehr Schlachten wagen würden, um die altehrwürdige Czarenstadt zu retten. Man erzählte sich, daß er die Schlacht bei Borodino noch entscheidender hätte machen können, wenn er die Garden ins Feuer geführt hätte. Als seine Generale ihn dazu aufforderten, erwiederte er: S’il y a une bataille demain, avec quoi la donnerai-je? Der Einzug in Moskau wurde uns später von Augenzeugen als das wunderbarste Vorkomniß beschrieben. Lange hielt der Kaiser vor den Thoren, weil er erwartete, daß der Magistrat ihm die Schlüssel der Stadt entgegen bringen werde. Als Niemand erschien, zog er durch die langen öden Straßen der ungeheuem Stadt, an leeren Palästen und Hütten vorbei nach dem Innern. Die goldnen Kuppeln des Kreml glänzten im hellen Sonnenschein, aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0337" n="325"/> Batterien eine uneinnehmbare Stellung zu geben, rief er aus: Enfin je les tiens! </p><lb/> <p>Das russische Heer war dem französischen an Zahl etwas überlegen, aber wiederum bewährte sich der Satz, daß der Angreifer gegen den Vertheidiger im Vortheil sei. Die Russen hatten die besten Stellungen, und warteten das Herankommen der Franzosen ab. Ungefähr 1000 Kanonen arbeiteten an dem blutigen Schlachttage des 7. September 1812 gegeneinander, die Russen verloren nach und nach alle Positionen, und mit Erstaunen las man in dem Bulletin, daß am Abend die letzte russische Batterie durch ein sächsisches Kürassierregiment genommen worden sei. Kutusow ging am folgenden Tage zurück, und nun stand dem Einzuge des Siegers in das nahe Moskau kein Hinderniß mehr im Wege. </p><lb/> <p>Napoléon selbst schien zu erwarten, daß die Russen noch eine, oder vielleicht noch mehr Schlachten wagen würden, um die altehrwürdige Czarenstadt zu retten. Man erzählte sich, daß er die Schlacht bei Borodino noch entscheidender hätte machen können, wenn er die Garden ins Feuer geführt hätte. Als seine Generale ihn dazu aufforderten, erwiederte er: S’il y a une bataille demain, avec quoi la donnerai-je? </p><lb/> <p>Der Einzug in Moskau wurde uns später von Augenzeugen als das wunderbarste Vorkomniß beschrieben. Lange hielt der Kaiser vor den Thoren, weil er erwartete, daß der Magistrat ihm die Schlüssel der Stadt entgegen bringen werde. Als Niemand erschien, zog er durch die langen öden Straßen der ungeheuem Stadt, an leeren Palästen und Hütten vorbei nach dem Innern. Die goldnen Kuppeln des Kreml glänzten im hellen Sonnenschein, aber </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [325/0337]
Batterien eine uneinnehmbare Stellung zu geben, rief er aus: Enfin je les tiens!
Das russische Heer war dem französischen an Zahl etwas überlegen, aber wiederum bewährte sich der Satz, daß der Angreifer gegen den Vertheidiger im Vortheil sei. Die Russen hatten die besten Stellungen, und warteten das Herankommen der Franzosen ab. Ungefähr 1000 Kanonen arbeiteten an dem blutigen Schlachttage des 7. September 1812 gegeneinander, die Russen verloren nach und nach alle Positionen, und mit Erstaunen las man in dem Bulletin, daß am Abend die letzte russische Batterie durch ein sächsisches Kürassierregiment genommen worden sei. Kutusow ging am folgenden Tage zurück, und nun stand dem Einzuge des Siegers in das nahe Moskau kein Hinderniß mehr im Wege.
Napoléon selbst schien zu erwarten, daß die Russen noch eine, oder vielleicht noch mehr Schlachten wagen würden, um die altehrwürdige Czarenstadt zu retten. Man erzählte sich, daß er die Schlacht bei Borodino noch entscheidender hätte machen können, wenn er die Garden ins Feuer geführt hätte. Als seine Generale ihn dazu aufforderten, erwiederte er: S’il y a une bataille demain, avec quoi la donnerai-je?
Der Einzug in Moskau wurde uns später von Augenzeugen als das wunderbarste Vorkomniß beschrieben. Lange hielt der Kaiser vor den Thoren, weil er erwartete, daß der Magistrat ihm die Schlüssel der Stadt entgegen bringen werde. Als Niemand erschien, zog er durch die langen öden Straßen der ungeheuem Stadt, an leeren Palästen und Hütten vorbei nach dem Innern. Die goldnen Kuppeln des Kreml glänzten im hellen Sonnenschein, aber
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/337>, abgerufen am 05.07.2024. |