Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].andre Verlegenheit eigenthümlicher Art kam der fromme König von Sachsen, der gewohnt war, sich alle Tage eine volle Stunde mit seinem Beichtvater zu unterhalten, als Napoleon gerade um diese Zeit irgend eine Festlichkeit oder Revue angesetzt hatte. Es hieß, der König von Sachsen habe befohlenermaaßen die Revue mitgemacht, und am folgenden Tage 2 Stunden gebeichtet. Die Vorbereitungen zu dem russischen Feldzuge waren, wie sich nicht anders erwarten ließ im großartigsten Maasstabe und mit bewundernswerther Umsicht gemacht. Schon im Anfange des Jahres 1812 mußten Preußen und Oestreich mit Frankreich ein Bündniß schließen, wonach sie sich gegenseitige Hülfe bei einem etwa zu führenden Kriege versprachen. Diese Hülfe wurde nun in Anspruch genommen. Preußen stellte ein Corps von 20,000 Mann, das in den russischen Ostseeprovinzen, auf dem linken Flügel der Franzosen operiren sollte; Oestreich gab 40,000 Mann Hülfstruppen für den rechten Flügel in Volhynien. Die französische "große Armee" schätzte man auf nahe an 600,000 Mann zu Fuß und 40,000 Reiter. Im Sommer 1812 erfolgte in Berlin der Einmarsch des Armeecorps des Marschalls Augereau in einer Stärke von 30 oder 40,000 Mann. Wir gingen unter die Linden, um dies zwar nicht neue, doch immer imposante Schauspiel mit anzusehn. Die dichten, dunkeln Soldatenmassen wälzten sich zum Brandenburger Thor herein, und zogen auf der Nordseite der Linden in unablässiger Folge nach dem Innern der Stadt. Vor jedem Regimente gingen 24 schwarzbärtige Sappeurs; ihnen folgte ein riesiger Tambour-Major, mit seinem silberknöpfigen Stabe der rauschenden Feldmusik gebietend. Unermeßlichen Jubel erregte es bei andre Verlegenheit eigenthümlicher Art kam der fromme König von Sachsen, der gewohnt war, sich alle Tage eine volle Stunde mit seinem Beichtvater zu unterhalten, als Napoléon gerade um diese Zeit irgend eine Festlichkeit oder Revue angesetzt hatte. Es hieß, der König von Sachsen habe befohlenermaaßen die Revue mitgemacht, und am folgenden Tage 2 Stunden gebeichtet. Die Vorbereitungen zu dem russischen Feldzuge waren, wie sich nicht anders erwarten ließ im großartigsten Maasstabe und mit bewundernswerther Umsicht gemacht. Schon im Anfange des Jahres 1812 mußten Preußen und Oestreich mit Frankreich ein Bündniß schließen, wonach sie sich gegenseitige Hülfe bei einem etwa zu führenden Kriege versprachen. Diese Hülfe wurde nun in Anspruch genommen. Preußen stellte ein Corps von 20,000 Mann, das in den russischen Ostseeprovinzen, auf dem linken Flügel der Franzosen operiren sollte; Oestreich gab 40,000 Mann Hülfstruppen für den rechten Flügel in Volhynien. Die französische „große Armee“ schätzte man auf nahe an 600,000 Mann zu Fuß und 40,000 Reiter. Im Sommer 1812 erfolgte in Berlin der Einmarsch des Armeecorps des Marschalls Augereau in einer Stärke von 30 oder 40,000 Mann. Wir gingen unter die Linden, um dies zwar nicht neue, doch immer imposante Schauspiel mit anzusehn. Die dichten, dunkeln Soldatenmassen wälzten sich zum Brandenburger Thor herein, und zogen auf der Nordseite der Linden in unablässiger Folge nach dem Innern der Stadt. Vor jedem Regimente gingen 24 schwarzbärtige Sappeurs; ihnen folgte ein riesiger Tambour-Major, mit seinem silberknöpfigen Stabe der rauschenden Feldmusik gebietend. Unermeßlichen Jubel erregte es bei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0324" n="312"/> andre Verlegenheit eigenthümlicher Art kam der fromme König von Sachsen, der gewohnt war, sich alle Tage eine volle Stunde mit seinem Beichtvater zu unterhalten, als Napoléon gerade um diese Zeit irgend eine Festlichkeit oder Revue angesetzt hatte. Es hieß, der König von Sachsen habe befohlenermaaßen die Revue mitgemacht, und am folgenden Tage 2 Stunden gebeichtet. </p><lb/> <p>Die Vorbereitungen zu dem russischen Feldzuge waren, wie sich nicht anders erwarten ließ im großartigsten Maasstabe und mit bewundernswerther Umsicht gemacht. Schon im Anfange des Jahres 1812 mußten Preußen und Oestreich mit Frankreich ein Bündniß schließen, wonach sie sich gegenseitige Hülfe bei einem etwa zu führenden Kriege versprachen. Diese Hülfe wurde nun in Anspruch genommen. Preußen stellte ein Corps von 20,000 Mann, das in den russischen Ostseeprovinzen, auf dem linken Flügel der Franzosen operiren sollte; Oestreich gab 40,000 Mann Hülfstruppen für den rechten Flügel in Volhynien. Die französische „große Armee“ schätzte man auf nahe an 600,000 Mann zu Fuß und 40,000 Reiter. </p><lb/> <p>Im Sommer 1812 erfolgte in Berlin der Einmarsch des Armeecorps des Marschalls Augereau in einer Stärke von 30 oder 40,000 Mann. Wir gingen unter die Linden, um dies zwar nicht neue, doch immer imposante Schauspiel mit anzusehn. Die dichten, dunkeln Soldatenmassen wälzten sich zum Brandenburger Thor herein, und zogen auf der Nordseite der Linden in unablässiger Folge nach dem Innern der Stadt. Vor jedem Regimente gingen 24 schwarzbärtige Sappeurs; ihnen folgte ein riesiger Tambour-Major, mit seinem silberknöpfigen Stabe der rauschenden Feldmusik gebietend. Unermeßlichen Jubel erregte es bei </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0324]
andre Verlegenheit eigenthümlicher Art kam der fromme König von Sachsen, der gewohnt war, sich alle Tage eine volle Stunde mit seinem Beichtvater zu unterhalten, als Napoléon gerade um diese Zeit irgend eine Festlichkeit oder Revue angesetzt hatte. Es hieß, der König von Sachsen habe befohlenermaaßen die Revue mitgemacht, und am folgenden Tage 2 Stunden gebeichtet.
Die Vorbereitungen zu dem russischen Feldzuge waren, wie sich nicht anders erwarten ließ im großartigsten Maasstabe und mit bewundernswerther Umsicht gemacht. Schon im Anfange des Jahres 1812 mußten Preußen und Oestreich mit Frankreich ein Bündniß schließen, wonach sie sich gegenseitige Hülfe bei einem etwa zu führenden Kriege versprachen. Diese Hülfe wurde nun in Anspruch genommen. Preußen stellte ein Corps von 20,000 Mann, das in den russischen Ostseeprovinzen, auf dem linken Flügel der Franzosen operiren sollte; Oestreich gab 40,000 Mann Hülfstruppen für den rechten Flügel in Volhynien. Die französische „große Armee“ schätzte man auf nahe an 600,000 Mann zu Fuß und 40,000 Reiter.
Im Sommer 1812 erfolgte in Berlin der Einmarsch des Armeecorps des Marschalls Augereau in einer Stärke von 30 oder 40,000 Mann. Wir gingen unter die Linden, um dies zwar nicht neue, doch immer imposante Schauspiel mit anzusehn. Die dichten, dunkeln Soldatenmassen wälzten sich zum Brandenburger Thor herein, und zogen auf der Nordseite der Linden in unablässiger Folge nach dem Innern der Stadt. Vor jedem Regimente gingen 24 schwarzbärtige Sappeurs; ihnen folgte ein riesiger Tambour-Major, mit seinem silberknöpfigen Stabe der rauschenden Feldmusik gebietend. Unermeßlichen Jubel erregte es bei
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |