Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Fritz. Frisur und Zopf.

Die zweite Ehe meines Vaters war, trotz des Unterschiedes der Jahre, eine der glücklichsten, die ich mir denken kann. Mein Vater liebte, wie der Prediger von Wakefield, nichts so sehr, als fröhliche Gesichter um sich zu sehn, und besaß die Kunst, auf seine Umgebungen in diesem Sinne einzuwirken. Meine zweite Mutter war gegen meine Schwester und mich die Liebe und Güte selbst, und wir erwiederten dies mit der herzlichsten Neigung. Aber ihre Gutmüthigkeit ging oft in Schwäche über, und da mein Vater nur selten im Stande war, eine strenge Miene anzunehmen, so blieben wir bei unseren kindlichen Unarten und Eigenwilligkeiten so ziemlich uns selbst überlassen.

Ein Jahr nach der Geburt meines Bruders Moritz wurde unsre Kinderstube durch ein viertes Mitglied vermehrt. Mein Vater nahm den Nebenschößling einer erlauchten Familie, den ich mit seinem Vornamen Fritz nennen will, zu sich. Er blieb 10 Jahre (1808-1818) in unserem Hause. Wir haben uns wie Brüder geliebt, wenngleich die jugendlichen Reibungen, in denen zuerst das Eisen des Karakters gehämmert wird, nicht ausblieben, und manchmal eine fast ernsthafte Wendung nahmen.


Fritz. Frisur und Zopf.

Die zweite Ehe meines Vaters war, trotz des Unterschiedes der Jahre, eine der glücklichsten, die ich mir denken kann. Mein Vater liebte, wie der Prediger von Wakefield, nichts so sehr, als fröhliche Gesichter um sich zu sehn, und besaß die Kunst, auf seine Umgebungen in diesem Sinne einzuwirken. Meine zweite Mutter war gegen meine Schwester und mich die Liebe und Güte selbst, und wir erwiederten dies mit der herzlichsten Neigung. Aber ihre Gutmüthigkeit ging oft in Schwäche über, und da mein Vater nur selten im Stande war, eine strenge Miene anzunehmen, so blieben wir bei unseren kindlichen Unarten und Eigenwilligkeiten so ziemlich uns selbst überlassen.

Ein Jahr nach der Geburt meines Bruders Moritz wurde unsre Kinderstube durch ein viertes Mitglied vermehrt. Mein Vater nahm den Nebenschößling einer erlauchten Familie, den ich mit seinem Vornamen Fritz nennen will, zu sich. Er blieb 10 Jahre (1808–1818) in unserem Hause. Wir haben uns wie Brüder geliebt, wenngleich die jugendlichen Reibungen, in denen zuerst das Eisen des Karakters gehämmert wird, nicht ausblieben, und manchmal eine fast ernsthafte Wendung nahmen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0032" n="20"/><lb/>
      <div n="1">
        <head rendition="#c">Fritz. Frisur und Zopf.</head><lb/>
        <p>Die zweite Ehe meines Vaters war, trotz des Unterschiedes der Jahre, eine der glücklichsten, die ich mir denken kann. Mein Vater liebte, wie der Prediger von Wakefield, nichts so sehr, als fröhliche Gesichter um sich zu sehn, und besaß die Kunst, auf seine Umgebungen in diesem Sinne einzuwirken. Meine zweite Mutter war gegen meine Schwester und mich die Liebe und Güte selbst, und wir erwiederten dies mit der herzlichsten Neigung. Aber ihre Gutmüthigkeit ging oft in Schwäche über, und da mein Vater nur selten im Stande war, eine strenge Miene anzunehmen, so blieben wir bei unseren kindlichen Unarten und Eigenwilligkeiten so ziemlich uns selbst überlassen. </p><lb/>
        <p>Ein Jahr nach der Geburt meines Bruders Moritz wurde unsre Kinderstube durch ein viertes Mitglied vermehrt. Mein Vater nahm den Nebenschößling einer erlauchten Familie, den ich mit seinem Vornamen Fritz nennen will, zu sich. Er blieb 10 Jahre (1808&#x2013;1818) in unserem Hause. Wir haben uns wie Brüder geliebt, wenngleich die jugendlichen Reibungen, in denen zuerst das Eisen des Karakters gehämmert wird, nicht ausblieben, und manchmal eine fast ernsthafte Wendung nahmen.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0032] Fritz. Frisur und Zopf. Die zweite Ehe meines Vaters war, trotz des Unterschiedes der Jahre, eine der glücklichsten, die ich mir denken kann. Mein Vater liebte, wie der Prediger von Wakefield, nichts so sehr, als fröhliche Gesichter um sich zu sehn, und besaß die Kunst, auf seine Umgebungen in diesem Sinne einzuwirken. Meine zweite Mutter war gegen meine Schwester und mich die Liebe und Güte selbst, und wir erwiederten dies mit der herzlichsten Neigung. Aber ihre Gutmüthigkeit ging oft in Schwäche über, und da mein Vater nur selten im Stande war, eine strenge Miene anzunehmen, so blieben wir bei unseren kindlichen Unarten und Eigenwilligkeiten so ziemlich uns selbst überlassen. Ein Jahr nach der Geburt meines Bruders Moritz wurde unsre Kinderstube durch ein viertes Mitglied vermehrt. Mein Vater nahm den Nebenschößling einer erlauchten Familie, den ich mit seinem Vornamen Fritz nennen will, zu sich. Er blieb 10 Jahre (1808–1818) in unserem Hause. Wir haben uns wie Brüder geliebt, wenngleich die jugendlichen Reibungen, in denen zuerst das Eisen des Karakters gehämmert wird, nicht ausblieben, und manchmal eine fast ernsthafte Wendung nahmen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/32
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/32>, abgerufen am 24.11.2024.