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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Anzügen erscheinen. Das Schloß Löbichau, vom letzten Herzoge von Kurland am Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, war äußerlich sehr unscheinbar, aber im Innern mit fürstlichem Luxus an Marmorvasen, Spiegeln und Teppichen ausgestattet; der sehr ausgedehnte Park bot eine Menge der freundlichsten Spaziergänge; hier hielten wir uns jedoch niemals lange auf, sondern eilten in das nahegelegene Dorf Löbichau, wo Fritz sehr bald mit allen Bauerjungen Bekanntschaft machte; oder wir gingen auf einsamen Waldwegen nach dem nahe gelegenen Schlosse Tannenfeld; dies gehörte ebenfalls der Herzogin, und wurde zur Aufnahme von fremden Gästen benutzt. Von dem flachen Dache genoß man einer herrlichen Aussicht über das fruchtbare altenburgische Ländchen; fern im Osten weckte die lange Kette der böhmischen Berge das unnennbare Gefühl des Hinausstrebens in die weite unbekannte Welt.

In Löbichau war die ächte altenburgische Bauerntracht im Gebrauch, über deren Unbequemlichkeit, ja Widersinnigkeit für die Frauen wir uns nicht genug wundern konnten. Eine starke Pappe, von der Härte eines Brettes, vertritt die Stelle des Mieders, und reicht vom Gürtel bis weit über das Kinn hinauf. Die Schenkel stecken in einem ganz engen gewirkten Rocke, der nur bis zu den Knien geht; Waden und Füße sind bloß. In diesem unpassendsten aller Anzüge werden von Frauen und Mädchen die beschwerlichsten Feldarbeiten verrichtet.

Sonntags versäumten wir nicht, die kleine, von der Herzogin erneuerte und geschmückte Dorfkirche zu besuchen. Hier erschienen die Bauern alle in sauberen schneeweißen Röcken mit silbernen Knöpfen; sie führten dreieckige Hüte von sehr zierlicher Form. Dis Bäuerinnen mit noch

Anzügen erscheinen. Das Schloß Löbichau, vom letzten Herzoge von Kurland am Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, war äußerlich sehr unscheinbar, aber im Innern mit fürstlichem Luxus an Marmorvasen, Spiegeln und Teppichen ausgestattet; der sehr ausgedehnte Park bot eine Menge der freundlichsten Spaziergänge; hier hielten wir uns jedoch niemals lange auf, sondern eilten in das nahegelegene Dorf Löbichau, wo Fritz sehr bald mit allen Bauerjungen Bekanntschaft machte; oder wir gingen auf einsamen Waldwegen nach dem nahe gelegenen Schlosse Tannenfeld; dies gehörte ebenfalls der Herzogin, und wurde zur Aufnahme von fremden Gästen benutzt. Von dem flachen Dache genoß man einer herrlichen Aussicht über das fruchtbare altenburgische Ländchen; fern im Osten weckte die lange Kette der böhmischen Berge das unnennbare Gefühl des Hinausstrebens in die weite unbekannte Welt.

In Löbichau war die ächte altenburgische Bauerntracht im Gebrauch, über deren Unbequemlichkeit, ja Widersinnigkeit für die Frauen wir uns nicht genug wundern konnten. Eine starke Pappe, von der Härte eines Brettes, vertritt die Stelle des Mieders, und reicht vom Gürtel bis weit über das Kinn hinauf. Die Schenkel stecken in einem ganz engen gewirkten Rocke, der nur bis zu den Knien geht; Waden und Füße sind bloß. In diesem unpassendsten aller Anzüge werden von Frauen und Mädchen die beschwerlichsten Feldarbeiten verrichtet.

Sonntags versäumten wir nicht, die kleine, von der Herzogin erneuerte und geschmückte Dorfkirche zu besuchen. Hier erschienen die Bauern alle in sauberen schneeweißen Röcken mit silbernen Knöpfen; sie führten dreieckige Hüte von sehr zierlicher Form. Dis Bäuerinnen mit noch

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Anzügen erscheinen. Das Schloß Löbichau, vom letzten Herzoge von Kurland am Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, war äußerlich sehr unscheinbar, aber im Innern mit fürstlichem Luxus an Marmorvasen, Spiegeln und Teppichen ausgestattet; der sehr ausgedehnte Park bot eine Menge der freundlichsten Spaziergänge; hier hielten wir uns jedoch niemals lange auf, sondern eilten in das nahegelegene Dorf Löbichau, wo Fritz sehr bald mit allen Bauerjungen Bekanntschaft machte; oder wir gingen auf einsamen Waldwegen nach dem nahe gelegenen Schlosse Tannenfeld; dies gehörte ebenfalls der Herzogin, und wurde zur Aufnahme von fremden Gästen benutzt. Von dem flachen Dache genoß man einer herrlichen Aussicht über das fruchtbare altenburgische Ländchen; fern im Osten weckte die lange Kette der böhmischen Berge das unnennbare Gefühl des Hinausstrebens in die weite unbekannte Welt. </p><lb/>
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[290/0302] Anzügen erscheinen. Das Schloß Löbichau, vom letzten Herzoge von Kurland am Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, war äußerlich sehr unscheinbar, aber im Innern mit fürstlichem Luxus an Marmorvasen, Spiegeln und Teppichen ausgestattet; der sehr ausgedehnte Park bot eine Menge der freundlichsten Spaziergänge; hier hielten wir uns jedoch niemals lange auf, sondern eilten in das nahegelegene Dorf Löbichau, wo Fritz sehr bald mit allen Bauerjungen Bekanntschaft machte; oder wir gingen auf einsamen Waldwegen nach dem nahe gelegenen Schlosse Tannenfeld; dies gehörte ebenfalls der Herzogin, und wurde zur Aufnahme von fremden Gästen benutzt. Von dem flachen Dache genoß man einer herrlichen Aussicht über das fruchtbare altenburgische Ländchen; fern im Osten weckte die lange Kette der böhmischen Berge das unnennbare Gefühl des Hinausstrebens in die weite unbekannte Welt. In Löbichau war die ächte altenburgische Bauerntracht im Gebrauch, über deren Unbequemlichkeit, ja Widersinnigkeit für die Frauen wir uns nicht genug wundern konnten. Eine starke Pappe, von der Härte eines Brettes, vertritt die Stelle des Mieders, und reicht vom Gürtel bis weit über das Kinn hinauf. Die Schenkel stecken in einem ganz engen gewirkten Rocke, der nur bis zu den Knien geht; Waden und Füße sind bloß. In diesem unpassendsten aller Anzüge werden von Frauen und Mädchen die beschwerlichsten Feldarbeiten verrichtet. Sonntags versäumten wir nicht, die kleine, von der Herzogin erneuerte und geschmückte Dorfkirche zu besuchen. Hier erschienen die Bauern alle in sauberen schneeweißen Röcken mit silbernen Knöpfen; sie führten dreieckige Hüte von sehr zierlicher Form. Dis Bäuerinnen mit noch

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/302>, abgerufen am 23.11.2024.