Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].auch hier von seinem guten Glücke nicht verlassen: denn schon hörte man ein uns entgegenkommendes Fuhrwerk. Die Bauern leisteten hülfreiche Hand; es galt, das Pferd in die Höhe zu bringen, ohne den Postillon zu beschädigen. Als mein Vater ihn eifrig bemüht sah, seinen Fuß unter dem Thiere hervorzuziehn, sagte er halb lachend und ihn ermuthigend: Sei froh, Schwager, daß du noch ziehn kannst, dann ist der Fuß nicht gebrochen! Alles gelang auf das beste; weder Roß noch Reiter hatten Schaden genommen. Nach kurzem Aufenthalte saß der Postillon wieder im Sattel, und brachte uns in dunkler Nacht zur nächsten Station. Noch sehe ich, wie er, sehr vergnügt über das reichliche Trinkgeld, dem Stalle zuhumpelte. Was hätten wir aber angefangen, wenn der Bauerwagen nicht kam? Von Leipzig ist mir nur die Erinnerung geblieben, daß mein Vater uns zu einem Besuche bei dem Professor Platner mitnahm. Der stattliche Herr, in einem großen Lehnstuhle sitzend, gab das Bild einer würdevollen, auf sich ruhenden Persönlichkeit. Er unterhielt sich in leicht dahin fließender Rede mit meinem Vater, und richtete einige wohlwollende Worte an die Knaben. Als er hörte, daß ich fleißig Latein lerne, gab er mir den Spruch mit auf den Weg: Sapere aude! Ich behielt ihn so lange im Kopfe, bis ich ihn später in einer Epistel des Horaz (1,2,40) wiederfand. Als mein Vater uns nach dem Besuche mittheilte, daß Platner ein berühmter Professor der Philosophie sei, so ward meine Verehrung für ihn noch größer. Eine kleine Tagereise brachte uns von Leipzig nach Löbichau in der Nähe von Gera. Beim Eintritte in das Herzogthum Altenburg fanden wir die schönsten, mit auch hier von seinem guten Glücke nicht verlassen: denn schon hörte man ein uns entgegenkommendes Fuhrwerk. Die Bauern leisteten hülfreiche Hand; es galt, das Pferd in die Höhe zu bringen, ohne den Postillon zu beschädigen. Als mein Vater ihn eifrig bemüht sah, seinen Fuß unter dem Thiere hervorzuziehn, sagte er halb lachend und ihn ermuthigend: Sei froh, Schwager, daß du noch ziehn kannst, dann ist der Fuß nicht gebrochen! Alles gelang auf das beste; weder Roß noch Reiter hatten Schaden genommen. Nach kurzem Aufenthalte saß der Postillon wieder im Sattel, und brachte uns in dunkler Nacht zur nächsten Station. Noch sehe ich, wie er, sehr vergnügt über das reichliche Trinkgeld, dem Stalle zuhumpelte. Was hätten wir aber angefangen, wenn der Bauerwagen nicht kam? Von Leipzig ist mir nur die Erinnerung geblieben, daß mein Vater uns zu einem Besuche bei dem Professor Platner mitnahm. Der stattliche Herr, in einem großen Lehnstuhle sitzend, gab das Bild einer würdevollen, auf sich ruhenden Persönlichkeit. Er unterhielt sich in leicht dahin fließender Rede mit meinem Vater, und richtete einige wohlwollende Worte an die Knaben. Als er hörte, daß ich fleißig Latein lerne, gab er mir den Spruch mit auf den Weg: Sapere aude! Ich behielt ihn so lange im Kopfe, bis ich ihn später in einer Epistel des Horaz (1,2,40) wiederfand. Als mein Vater uns nach dem Besuche mittheilte, daß Platner ein berühmter Professor der Philosophie sei, so ward meine Verehrung für ihn noch größer. Eine kleine Tagereise brachte uns von Leipzig nach Löbichau in der Nähe von Gera. Beim Eintritte in das Herzogthum Altenburg fanden wir die schönsten, mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0300" n="288"/> auch hier von seinem guten Glücke nicht verlassen: denn schon hörte man ein uns entgegenkommendes Fuhrwerk. Die Bauern leisteten hülfreiche Hand; es galt, das Pferd in die Höhe zu bringen, ohne den Postillon zu beschädigen. Als mein Vater ihn eifrig bemüht sah, seinen Fuß unter dem Thiere hervorzuziehn, sagte er halb lachend und ihn ermuthigend: Sei froh, Schwager, daß du noch ziehn kannst, dann ist der Fuß nicht gebrochen! Alles gelang auf das beste; weder Roß noch Reiter hatten Schaden genommen. Nach kurzem Aufenthalte saß der Postillon wieder im Sattel, und brachte uns in dunkler Nacht zur nächsten Station. Noch sehe ich, wie er, sehr vergnügt über das reichliche Trinkgeld, dem Stalle zuhumpelte. Was hätten wir aber angefangen, wenn der Bauerwagen nicht kam? </p><lb/> <p>Von Leipzig ist mir nur die Erinnerung geblieben, daß mein Vater uns zu einem Besuche bei dem Professor Platner mitnahm. Der stattliche Herr, in einem großen Lehnstuhle sitzend, gab das Bild einer würdevollen, auf sich ruhenden Persönlichkeit. Er unterhielt sich in leicht dahin fließender Rede mit meinem Vater, und richtete einige wohlwollende Worte an die Knaben. Als er hörte, daß ich fleißig Latein lerne, gab er mir den Spruch mit auf den Weg: Sapere aude! Ich behielt ihn so lange im Kopfe, bis ich ihn später in einer Epistel des Horaz (1,2,40) wiederfand. Als mein Vater uns nach dem Besuche mittheilte, daß Platner ein berühmter Professor der Philosophie sei, so ward meine Verehrung für ihn noch größer. </p><lb/> <p>Eine kleine Tagereise brachte uns von Leipzig nach Löbichau in der Nähe von Gera. Beim Eintritte in das Herzogthum Altenburg fanden wir die schönsten, mit </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0300]
auch hier von seinem guten Glücke nicht verlassen: denn schon hörte man ein uns entgegenkommendes Fuhrwerk. Die Bauern leisteten hülfreiche Hand; es galt, das Pferd in die Höhe zu bringen, ohne den Postillon zu beschädigen. Als mein Vater ihn eifrig bemüht sah, seinen Fuß unter dem Thiere hervorzuziehn, sagte er halb lachend und ihn ermuthigend: Sei froh, Schwager, daß du noch ziehn kannst, dann ist der Fuß nicht gebrochen! Alles gelang auf das beste; weder Roß noch Reiter hatten Schaden genommen. Nach kurzem Aufenthalte saß der Postillon wieder im Sattel, und brachte uns in dunkler Nacht zur nächsten Station. Noch sehe ich, wie er, sehr vergnügt über das reichliche Trinkgeld, dem Stalle zuhumpelte. Was hätten wir aber angefangen, wenn der Bauerwagen nicht kam?
Von Leipzig ist mir nur die Erinnerung geblieben, daß mein Vater uns zu einem Besuche bei dem Professor Platner mitnahm. Der stattliche Herr, in einem großen Lehnstuhle sitzend, gab das Bild einer würdevollen, auf sich ruhenden Persönlichkeit. Er unterhielt sich in leicht dahin fließender Rede mit meinem Vater, und richtete einige wohlwollende Worte an die Knaben. Als er hörte, daß ich fleißig Latein lerne, gab er mir den Spruch mit auf den Weg: Sapere aude! Ich behielt ihn so lange im Kopfe, bis ich ihn später in einer Epistel des Horaz (1,2,40) wiederfand. Als mein Vater uns nach dem Besuche mittheilte, daß Platner ein berühmter Professor der Philosophie sei, so ward meine Verehrung für ihn noch größer.
Eine kleine Tagereise brachte uns von Leipzig nach Löbichau in der Nähe von Gera. Beim Eintritte in das Herzogthum Altenburg fanden wir die schönsten, mit
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