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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Scheu, daß etwas übel riechendes mir unmöglich gut schmecken könne, ward aber als "Idiot" und "unwissender Bärenhäuter" zur Ruhe verwiesen.

Zu seinen Lieblingsgerichten gehörten unter andern die großen, westphälischen braunen Bohnen, die man bei Leibe nicht mit dem in Berlin üblichen Namen Saubohnen belegen durfte. Fritz konnte es jedoch nicht unterlassen, auf irgend eine Weise das verpönte Wort anzubringen, indem er etwa ganz harmlos zu seinem Nachbar äußerte: ist es nicht komisch, daß man dies Gericht in Berlin Saubohnen nennt? Es sind keine Saubohnen, donnerte der Grosvater, es sind große Bohnen! Aber, Herr Eichmann, ich habe es doch gehört. Naseweiser Bengel, wirst du gleich das Maul halten! du weißt, daß ich den Namen nicht leiden kann!

Gewöhnlich erhielten wir beim Grosvater nach der Suppe ein Glas Rothwein, und in seltnen Fällen, an Fest- und Geburtstagen, wohl auch ein halbes Glas Malaga. Diesen letzten liebte Fritz über die Maaßen; er wußte zur Freude des Wirthes durch ausdrucksvolles Schnalzen und Lippenlecken den herrlichen Geschmack zu erhöhen. Dies gab zu einem spashaften Vorgange Veranlassung. Als ich eines Tages mein Glas Rothwein kostete, kam mir der Geschmack ganz besonders lieblich, fast malaga-ähnlich vor; ich sah Fritzen verstohlen an, und bemerkte, daß er meine Gefühle theile. Gewiß hätte ich diese Verbesserung des Getränkes mit schweigendem Wohlgefallen hingenommen, allein der schwatzhafte Fritz konnte die Sache unmöglich auf der Seele behalten.

Der Rothwein ist heute ganz besonders delikat, sagte er mehrmals mit heraufgezogenen Augenbrauen; nicht wahr,

Scheu, daß etwas übel riechendes mir unmöglich gut schmecken könne, ward aber als „Idiot“ und „unwissender Bärenhäuter“ zur Ruhe verwiesen.

Zu seinen Lieblingsgerichten gehörten unter andern die großen, westphälischen braunen Bohnen, die man bei Leibe nicht mit dem in Berlin üblichen Namen Saubohnen belegen durfte. Fritz konnte es jedoch nicht unterlassen, auf irgend eine Weise das verpönte Wort anzubringen, indem er etwa ganz harmlos zu seinem Nachbar äußerte: ist es nicht komisch, daß man dies Gericht in Berlin Saubohnen nennt? Es sind keine Saubohnen, donnerte der Grosvater, es sind große Bohnen! Aber, Herr Eichmann, ich habe es doch gehört. Naseweiser Bengel, wirst du gleich das Maul halten! du weißt, daß ich den Namen nicht leiden kann!

Gewöhnlich erhielten wir beim Grosvater nach der Suppe ein Glas Rothwein, und in seltnen Fällen, an Fest- und Geburtstagen, wohl auch ein halbes Glas Malaga. Diesen letzten liebte Fritz über die Maaßen; er wußte zur Freude des Wirthes durch ausdrucksvolles Schnalzen und Lippenlecken den herrlichen Geschmack zu erhöhen. Dies gab zu einem spashaften Vorgange Veranlassung. Als ich eines Tages mein Glas Rothwein kostete, kam mir der Geschmack ganz besonders lieblich, fast malaga-ähnlich vor; ich sah Fritzen verstohlen an, und bemerkte, daß er meine Gefühle theile. Gewiß hätte ich diese Verbesserung des Getränkes mit schweigendem Wohlgefallen hingenommen, allein der schwatzhafte Fritz konnte die Sache unmöglich auf der Seele behalten.

Der Rothwein ist heute ganz besonders delikat, sagte er mehrmals mit heraufgezogenen Augenbrauen; nicht wahr,

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[236/0248] Scheu, daß etwas übel riechendes mir unmöglich gut schmecken könne, ward aber als „Idiot“ und „unwissender Bärenhäuter“ zur Ruhe verwiesen. Zu seinen Lieblingsgerichten gehörten unter andern die großen, westphälischen braunen Bohnen, die man bei Leibe nicht mit dem in Berlin üblichen Namen Saubohnen belegen durfte. Fritz konnte es jedoch nicht unterlassen, auf irgend eine Weise das verpönte Wort anzubringen, indem er etwa ganz harmlos zu seinem Nachbar äußerte: ist es nicht komisch, daß man dies Gericht in Berlin Saubohnen nennt? Es sind keine Saubohnen, donnerte der Grosvater, es sind große Bohnen! Aber, Herr Eichmann, ich habe es doch gehört. Naseweiser Bengel, wirst du gleich das Maul halten! du weißt, daß ich den Namen nicht leiden kann! Gewöhnlich erhielten wir beim Grosvater nach der Suppe ein Glas Rothwein, und in seltnen Fällen, an Fest- und Geburtstagen, wohl auch ein halbes Glas Malaga. Diesen letzten liebte Fritz über die Maaßen; er wußte zur Freude des Wirthes durch ausdrucksvolles Schnalzen und Lippenlecken den herrlichen Geschmack zu erhöhen. Dies gab zu einem spashaften Vorgange Veranlassung. Als ich eines Tages mein Glas Rothwein kostete, kam mir der Geschmack ganz besonders lieblich, fast malaga-ähnlich vor; ich sah Fritzen verstohlen an, und bemerkte, daß er meine Gefühle theile. Gewiß hätte ich diese Verbesserung des Getränkes mit schweigendem Wohlgefallen hingenommen, allein der schwatzhafte Fritz konnte die Sache unmöglich auf der Seele behalten. Der Rothwein ist heute ganz besonders delikat, sagte er mehrmals mit heraufgezogenen Augenbrauen; nicht wahr,

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/248>, abgerufen am 22.11.2024.