Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

feine Weine geliebt. Nicht ohne Behagen erzählte er uns von einer Industrie, die er schon als Sekretär des Ministers von Görne getrieben, und die uns einen Begriff gab, wie ländlich am Ende des 18. Jahrhunderts die Umgebungen von Berlin beschaffen waren. Eichmann stellte des Abends Sprenkel an der äußeren Seite der Stadtmauer, und visitirte sie mit Tagesanbruch. Da fand er denn zuweilen ein halbes Dutzend Rebhühner, Wachteln und anderes Gevögel. Den Fang übergab er dem Koche des Ministers, der die eine Hälfte für die hohe Tafel, die andere für den jungen Sekretär zubereitete.

Im älterlichen Hause waren wir Kinder an die gröste Mäßigkeit in Speisen und Getränken gewöhnt. So gern auch mein Vater im Kreise fröhlicher Freunde bei Tische verweilte, und durch seine Heiterkeit die Gesellschaft belebte, so habe ich ihn doch mehr als einmal den Grundsatz aussprechen hören, beim Essen müsse man nicht über das Essen reden, sondern das was aufgetragen werde dankbar genießen.

Beim Grosvater Eichmann war das ganz anders. Da er nach seiner Pensionirung i. J. 1808 keine Berufsgeschäfte mehr hatte, und sich wissenschaftlich nicht beschäftigen konnte, so wurde das Essen und Traktiren der Zweck seines Lebens. Besonders freute es ihn, jüngere Leute zu bewirthen, doch verlangte er alsdann allen Ernstes, daß sie den wohlbereiteten Speisen tapfer zusprächen. Er wurde böse, ja zuweilen grob, wenn jemand auf wiederholtes Nöthigen nicht zulangen wollte. Fritz, Paul, August und andre Freunde leisteten dann manchmal mehr als in ihren Kräften stand, und mußten die unangenehmen Folgen davon tragen; mir war Ueberfüllung in jeder Art auf das

feine Weine geliebt. Nicht ohne Behagen erzählte er uns von einer Industrie, die er schon als Sekretär des Ministers von Görne getrieben, und die uns einen Begriff gab, wie ländlich am Ende des 18. Jahrhunderts die Umgebungen von Berlin beschaffen waren. Eichmann stellte des Abends Sprenkel an der äußeren Seite der Stadtmauer, und visitirte sie mit Tagesanbruch. Da fand er denn zuweilen ein halbes Dutzend Rebhühner, Wachteln und anderes Gevögel. Den Fang übergab er dem Koche des Ministers, der die eine Hälfte für die hohe Tafel, die andere für den jungen Sekretär zubereitete.

Im älterlichen Hause waren wir Kinder an die gröste Mäßigkeit in Speisen und Getränken gewöhnt. So gern auch mein Vater im Kreise fröhlicher Freunde bei Tische verweilte, und durch seine Heiterkeit die Gesellschaft belebte, so habe ich ihn doch mehr als einmal den Grundsatz aussprechen hören, beim Essen müsse man nicht über das Essen reden, sondern das was aufgetragen werde dankbar genießen.

Beim Grosvater Eichmann war das ganz anders. Da er nach seiner Pensionirung i. J. 1808 keine Berufsgeschäfte mehr hatte, und sich wissenschaftlich nicht beschäftigen konnte, so wurde das Essen und Traktiren der Zweck seines Lebens. Besonders freute es ihn, jüngere Leute zu bewirthen, doch verlangte er alsdann allen Ernstes, daß sie den wohlbereiteten Speisen tapfer zusprächen. Er wurde böse, ja zuweilen grob, wenn jemand auf wiederholtes Nöthigen nicht zulangen wollte. Fritz, Paul, August und andre Freunde leisteten dann manchmal mehr als in ihren Kräften stand, und mußten die unangenehmen Folgen davon tragen; mir war Ueberfüllung in jeder Art auf das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0246" n="234"/>
feine Weine geliebt. Nicht ohne Behagen erzählte er uns von einer Industrie, die er schon als Sekretär des Ministers von Görne getrieben, und die uns einen Begriff gab, wie ländlich am Ende des 18. Jahrhunderts die Umgebungen von Berlin beschaffen waren. Eichmann stellte des Abends Sprenkel an der äußeren Seite der Stadtmauer, und visitirte sie mit Tagesanbruch. Da fand er denn zuweilen ein halbes Dutzend Rebhühner, Wachteln und anderes Gevögel. Den Fang übergab er dem Koche des Ministers, der die eine Hälfte für die hohe Tafel, die andere für den jungen Sekretär zubereitete. </p><lb/>
          <p>Im älterlichen Hause waren wir Kinder an die gröste Mäßigkeit in Speisen und Getränken gewöhnt. So gern auch mein Vater im Kreise fröhlicher Freunde bei Tische verweilte, und durch seine Heiterkeit die Gesellschaft belebte, so habe ich ihn doch mehr als einmal den Grundsatz aussprechen hören, beim Essen müsse man nicht über das Essen reden, sondern das was aufgetragen werde dankbar genießen. </p><lb/>
          <p>Beim Grosvater Eichmann war das ganz anders. Da er nach seiner Pensionirung i. J. 1808 keine Berufsgeschäfte mehr hatte, und sich wissenschaftlich nicht beschäftigen konnte, so wurde das Essen und Traktiren der Zweck seines Lebens. Besonders freute es ihn, jüngere Leute zu bewirthen, doch verlangte er alsdann allen Ernstes, daß sie den wohlbereiteten Speisen tapfer zusprächen. Er wurde böse, ja zuweilen grob, wenn jemand auf wiederholtes Nöthigen nicht zulangen wollte. Fritz, Paul, August und andre Freunde leisteten dann manchmal mehr als in ihren Kräften stand, und mußten die unangenehmen Folgen davon tragen; mir war Ueberfüllung in jeder Art auf das
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0246] feine Weine geliebt. Nicht ohne Behagen erzählte er uns von einer Industrie, die er schon als Sekretär des Ministers von Görne getrieben, und die uns einen Begriff gab, wie ländlich am Ende des 18. Jahrhunderts die Umgebungen von Berlin beschaffen waren. Eichmann stellte des Abends Sprenkel an der äußeren Seite der Stadtmauer, und visitirte sie mit Tagesanbruch. Da fand er denn zuweilen ein halbes Dutzend Rebhühner, Wachteln und anderes Gevögel. Den Fang übergab er dem Koche des Ministers, der die eine Hälfte für die hohe Tafel, die andere für den jungen Sekretär zubereitete. Im älterlichen Hause waren wir Kinder an die gröste Mäßigkeit in Speisen und Getränken gewöhnt. So gern auch mein Vater im Kreise fröhlicher Freunde bei Tische verweilte, und durch seine Heiterkeit die Gesellschaft belebte, so habe ich ihn doch mehr als einmal den Grundsatz aussprechen hören, beim Essen müsse man nicht über das Essen reden, sondern das was aufgetragen werde dankbar genießen. Beim Grosvater Eichmann war das ganz anders. Da er nach seiner Pensionirung i. J. 1808 keine Berufsgeschäfte mehr hatte, und sich wissenschaftlich nicht beschäftigen konnte, so wurde das Essen und Traktiren der Zweck seines Lebens. Besonders freute es ihn, jüngere Leute zu bewirthen, doch verlangte er alsdann allen Ernstes, daß sie den wohlbereiteten Speisen tapfer zusprächen. Er wurde böse, ja zuweilen grob, wenn jemand auf wiederholtes Nöthigen nicht zulangen wollte. Fritz, Paul, August und andre Freunde leisteten dann manchmal mehr als in ihren Kräften stand, und mußten die unangenehmen Folgen davon tragen; mir war Ueberfüllung in jeder Art auf das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/246
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/246>, abgerufen am 22.11.2024.