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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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in seine beiden natürlichen Hälften, Sommer und Winter. Einmal wurde bei einem späten Frühjahr über Tische besprochen, ob wir nun endlich hinausziehn sollten oder nicht, da erinnre ich mich, wie mein Vater mit scherzhaftem Wohlwollen uns zu Gemüthe führte, daß wir doch weit glücklicher wären, als der König Friedrich August von Sachsen, der nach den Regeln seiner verknöcherten Etikette unabänderlich am 1. April nach Pillnitz zöge, es mochte nun schneien oder regnen, und eben so sicher am 1. Oktober zurückkehre, wenn auch der herrlichste Nachsommer blühte; desgleichen lege der König an bestimmten Kalendertagen seinen Pelz an und ziehe ihn wieder aus, ohne Rücksicht auf das Wetter.

Für das Hineinziehn war eben so wenig ein Termin bestimmt, als für das Hinausziehn; da kam es denn im Jahre 1800 vor, daß meine Mutter, von den warmen Herbsttagen verlockt, sich allzulange aufhielt, am 2. Oktober von meiner Schwester Lilli entbunden wurde, und draußen ihr ganzes Wochenbett halten mußte, worauf sie doch nicht eingerichtet war. Wenn die geistige frohe Regsamkeit meiner Schwester uns später alle erheiterte, so sagte wohl mein Vater mit zufriedenen Blicken: sie ist ein Kind des Gartens!

Die Vorbereitungen zum Hinauszug, der uns nie früh genug kommen konnte, erforderten immer einige Tage: denn wiewohl das Gartenhaus ganz vollständig eingerichtet war, so hielt meine zweite Mutter, welche in allen Dingen die Sorgfalt und Pünktlichkeit selbst war, es mit Recht nicht für zuträglich, auch die Betten den ganzen Winter in den ungeheizten Räumen liegen zu lassen, sondern sie nahm sie im Herbste mit zur Stadt. Waren diese nun

in seine beiden natürlichen Hälften, Sommer und Winter. Einmal wurde bei einem späten Frühjahr über Tische besprochen, ob wir nun endlich hinausziehn sollten oder nicht, da erinnre ich mich, wie mein Vater mit scherzhaftem Wohlwollen uns zu Gemüthe führte, daß wir doch weit glücklicher wären, als der König Friedrich August von Sachsen, der nach den Regeln seiner verknöcherten Etikette unabänderlich am 1. April nach Pillnitz zöge, es mochte nun schneien oder regnen, und eben so sicher am 1. Oktober zurückkehre, wenn auch der herrlichste Nachsommer blühte; desgleichen lege der König an bestimmten Kalendertagen seinen Pelz an und ziehe ihn wieder aus, ohne Rücksicht auf das Wetter.

Für das Hineinziehn war eben so wenig ein Termin bestimmt, als für das Hinausziehn; da kam es denn im Jahre 1800 vor, daß meine Mutter, von den warmen Herbsttagen verlockt, sich allzulange aufhielt, am 2. Oktober von meiner Schwester Lilli entbunden wurde, und draußen ihr ganzes Wochenbett halten mußte, worauf sie doch nicht eingerichtet war. Wenn die geistige frohe Regsamkeit meiner Schwester uns später alle erheiterte, so sagte wohl mein Vater mit zufriedenen Blicken: sie ist ein Kind des Gartens!

Die Vorbereitungen zum Hinauszug, der uns nie früh genug kommen konnte, erforderten immer einige Tage: denn wiewohl das Gartenhaus ganz vollständig eingerichtet war, so hielt meine zweite Mutter, welche in allen Dingen die Sorgfalt und Pünktlichkeit selbst war, es mit Recht nicht für zuträglich, auch die Betten den ganzen Winter in den ungeheizten Räumen liegen zu lassen, sondern sie nahm sie im Herbste mit zur Stadt. Waren diese nun

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[118/0130] in seine beiden natürlichen Hälften, Sommer und Winter. Einmal wurde bei einem späten Frühjahr über Tische besprochen, ob wir nun endlich hinausziehn sollten oder nicht, da erinnre ich mich, wie mein Vater mit scherzhaftem Wohlwollen uns zu Gemüthe führte, daß wir doch weit glücklicher wären, als der König Friedrich August von Sachsen, der nach den Regeln seiner verknöcherten Etikette unabänderlich am 1. April nach Pillnitz zöge, es mochte nun schneien oder regnen, und eben so sicher am 1. Oktober zurückkehre, wenn auch der herrlichste Nachsommer blühte; desgleichen lege der König an bestimmten Kalendertagen seinen Pelz an und ziehe ihn wieder aus, ohne Rücksicht auf das Wetter. Für das Hineinziehn war eben so wenig ein Termin bestimmt, als für das Hinausziehn; da kam es denn im Jahre 1800 vor, daß meine Mutter, von den warmen Herbsttagen verlockt, sich allzulange aufhielt, am 2. Oktober von meiner Schwester Lilli entbunden wurde, und draußen ihr ganzes Wochenbett halten mußte, worauf sie doch nicht eingerichtet war. Wenn die geistige frohe Regsamkeit meiner Schwester uns später alle erheiterte, so sagte wohl mein Vater mit zufriedenen Blicken: sie ist ein Kind des Gartens! Die Vorbereitungen zum Hinauszug, der uns nie früh genug kommen konnte, erforderten immer einige Tage: denn wiewohl das Gartenhaus ganz vollständig eingerichtet war, so hielt meine zweite Mutter, welche in allen Dingen die Sorgfalt und Pünktlichkeit selbst war, es mit Recht nicht für zuträglich, auch die Betten den ganzen Winter in den ungeheizten Räumen liegen zu lassen, sondern sie nahm sie im Herbste mit zur Stadt. Waren diese nun

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/130>, abgerufen am 25.11.2024.