Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Die Heimkehr wurde am späten Abend angetreten, und da gewährte bei hereinbrechender Nacht die einsame Fahrt über das öde Sandfeld einen unbeschreiblichen, mit Grauen gemischten Reiz.

--------

Während einer der Pyrmonter Reisen machte mein Vater in des Grosvaters Stube eine Aenderung, die mit dem besten Willen unternommen, nicht den beabsichtigten Zweck erreichte. Die vielen Bildnisse über dem Sopha und an der großen Wand gegenüber den Fenstern hingen alle ohne Symmetrie durcheinander, wie sie eben nach und nach sich angesammelt, die meisten in Oktavformat mit einfachen schwarzen Rahmen und feiner Goldleiste. Sie waren auch lange nicht gereinigt. So hing über der Thür nach dem Bibliotheksaale ein lebensgroßes Brustbild des bekannten Uebersetzers Bode in Weimar. Die Oelfarben hatten nachgedunkelt, und der übermäßig dicke Kopf schaute mit einem wahrhaft erschreckenden Ausdrucke von der Wand herab.

Mein Vater glaubte dem Grosvater eine rechte Freude zu machen, wenn er in dieses Chaos Ordnung und Reinlichkeit brächte. Die Bildnisse wurden, während der Grosvater in Pyrmont den Brunnen trank, sämmtlich herabgenommen, gereinigt, und in neuer symmetrischer Weise wieder aufgehängt. Sie machten nun einen wohlthuenden, harmonischen Eindruck. Ich half mit vielem Eifer durch Abmessen und Zureichen, prägte mir mit den Gesichtern auch die Namen ein, schwebte aber dabei in beständiger Angst, daß der Grosvater früher als er bestimmt, zurückkehren, und uns bei dem Umräumen überraschen werde.

Die Heimkehr wurde am späten Abend angetreten, und da gewährte bei hereinbrechender Nacht die einsame Fahrt über das öde Sandfeld einen unbeschreiblichen, mit Grauen gemischten Reiz.

————

Während einer der Pyrmonter Reisen machte mein Vater in des Grosvaters Stube eine Aenderung, die mit dem besten Willen unternommen, nicht den beabsichtigten Zweck erreichte. Die vielen Bildnisse über dem Sopha und an der großen Wand gegenüber den Fenstern hingen alle ohne Symmetrie durcheinander, wie sie eben nach und nach sich angesammelt, die meisten in Oktavformat mit einfachen schwarzen Rahmen und feiner Goldleiste. Sie waren auch lange nicht gereinigt. So hing über der Thür nach dem Bibliotheksaale ein lebensgroßes Brustbild des bekannten Uebersetzers Bode in Weimar. Die Oelfarben hatten nachgedunkelt, und der übermäßig dicke Kopf schaute mit einem wahrhaft erschreckenden Ausdrucke von der Wand herab.

Mein Vater glaubte dem Grosvater eine rechte Freude zu machen, wenn er in dieses Chaos Ordnung und Reinlichkeit brächte. Die Bildnisse wurden, während der Grosvater in Pyrmont den Brunnen trank, sämmtlich herabgenommen, gereinigt, und in neuer symmetrischer Weise wieder aufgehängt. Sie machten nun einen wohlthuenden, harmonischen Eindruck. Ich half mit vielem Eifer durch Abmessen und Zureichen, prägte mir mit den Gesichtern auch die Namen ein, schwebte aber dabei in beständiger Angst, daß der Grosvater früher als er bestimmt, zurückkehren, und uns bei dem Umräumen überraschen werde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p>
            <pb facs="#f0105" n="93"/>
          </p><lb/>
          <p>Die Heimkehr wurde am späten Abend angetreten, und da gewährte bei hereinbrechender Nacht die einsame Fahrt über das öde Sandfeld einen unbeschreiblichen, mit Grauen gemischten Reiz. </p><lb/>
          <p rendition="#c">&#x2014;&#x2014;&#x2014;&#x2014;</p><lb/>
          <p>Während einer der Pyrmonter Reisen machte mein Vater in des Grosvaters Stube eine Aenderung, die mit dem besten Willen unternommen, nicht den beabsichtigten Zweck erreichte. Die vielen Bildnisse über dem Sopha und an der großen Wand gegenüber den Fenstern hingen alle ohne Symmetrie durcheinander, wie sie eben nach und nach sich angesammelt, die meisten in Oktavformat mit einfachen schwarzen Rahmen und feiner Goldleiste. Sie waren auch lange nicht gereinigt. So hing über der Thür nach dem Bibliotheksaale ein lebensgroßes Brustbild des bekannten Uebersetzers Bode in Weimar. Die Oelfarben hatten nachgedunkelt, und der übermäßig dicke Kopf schaute mit einem wahrhaft erschreckenden Ausdrucke von der Wand herab. </p><lb/>
          <p>Mein Vater glaubte dem Grosvater eine rechte Freude zu machen, wenn er in dieses Chaos Ordnung und Reinlichkeit brächte. Die Bildnisse wurden, während der Grosvater in Pyrmont den Brunnen trank, sämmtlich herabgenommen, gereinigt, und in neuer symmetrischer Weise wieder aufgehängt. Sie machten nun einen wohlthuenden, harmonischen Eindruck. Ich half mit vielem Eifer durch Abmessen und Zureichen, prägte mir mit den Gesichtern auch die Namen ein, schwebte aber dabei in beständiger Angst, daß der Grosvater früher als er bestimmt, zurückkehren, und uns bei dem Umräumen überraschen werde.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0105] Die Heimkehr wurde am späten Abend angetreten, und da gewährte bei hereinbrechender Nacht die einsame Fahrt über das öde Sandfeld einen unbeschreiblichen, mit Grauen gemischten Reiz. ———— Während einer der Pyrmonter Reisen machte mein Vater in des Grosvaters Stube eine Aenderung, die mit dem besten Willen unternommen, nicht den beabsichtigten Zweck erreichte. Die vielen Bildnisse über dem Sopha und an der großen Wand gegenüber den Fenstern hingen alle ohne Symmetrie durcheinander, wie sie eben nach und nach sich angesammelt, die meisten in Oktavformat mit einfachen schwarzen Rahmen und feiner Goldleiste. Sie waren auch lange nicht gereinigt. So hing über der Thür nach dem Bibliotheksaale ein lebensgroßes Brustbild des bekannten Uebersetzers Bode in Weimar. Die Oelfarben hatten nachgedunkelt, und der übermäßig dicke Kopf schaute mit einem wahrhaft erschreckenden Ausdrucke von der Wand herab. Mein Vater glaubte dem Grosvater eine rechte Freude zu machen, wenn er in dieses Chaos Ordnung und Reinlichkeit brächte. Die Bildnisse wurden, während der Grosvater in Pyrmont den Brunnen trank, sämmtlich herabgenommen, gereinigt, und in neuer symmetrischer Weise wieder aufgehängt. Sie machten nun einen wohlthuenden, harmonischen Eindruck. Ich half mit vielem Eifer durch Abmessen und Zureichen, prägte mir mit den Gesichtern auch die Namen ein, schwebte aber dabei in beständiger Angst, daß der Grosvater früher als er bestimmt, zurückkehren, und uns bei dem Umräumen überraschen werde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/105
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/105>, abgerufen am 25.11.2024.