Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ihn aber um nur eine Proberolle gebeten habe; wenn er nicht herausgerufen werde, so wolle er dem Theater entsagen. Aber er ward herausgerufen und blieb als Komiker eine Zierde der Bühne. So lange sein Vater lebte, hieß er der junge Gern, dann schlechtweg Gern, zuletzt ward er als der alte Gern noch immer gern gesehn. Er starb im Jahre 1861, nachdem er in der letzten Zeit, wie alle großen Spasmacher, an einer tiefen Melancholie gelitten. v. Ladenberg, später Unterrichtsminister; wegen seiner energischen Faustschläge gefürchtet und von vielen gemieden. Sein Geruch war abstoßend. Franz Lieber, bekannt durch seine demagogischen Freiheitsbestrebungen, nannte sich später Liber. Seine kleine Schrift über B. G. Niebuhr, bei dem er einige Zeit als Hauslehrer lebte, zeigt, daß er einer ächten und schönen Pietät fähig war. Er lebt, so viel ich weiß, in Amerika. Schnaase, dessen Kunstgeschichte in unserer Litteratur Epoche macht, war mir dadurch merkwürdig, daß er schon in der Schule Fechtstunde nahm, und meine neugierigen Fragen über diese Kunst mit großer Geduld beantwortete. In einer etwas früheren Zeit hatte auch Ludwig Devrient die Hartungsche Schule besucht, und schon damals ein eminentes mimisches Talent gezeigt, von dem bei den Lehrern sich manche Tradition erhalten. Als achtjähriger Knabe sollte er beim öffentlichen Examen Lichtwers "Thier' und Menschen schliefen feste" deklamiren. Er mußte dies zu Hause einüben, und entwickelte dabei eine solche vis comica, daß seine Schwester Lotte gar nicht aus dem Lachen herauskam. Dies verdroß ihn ihn aber um nur eine Proberolle gebeten habe; wenn er nicht herausgerufen werde, so wolle er dem Theater entsagen. Aber er ward herausgerufen und blieb als Komiker eine Zierde der Bühne. So lange sein Vater lebte, hieß er der junge Gern, dann schlechtweg Gern, zuletzt ward er als der alte Gern noch immer gern gesehn. Er starb im Jahre 1861, nachdem er in der letzten Zeit, wie alle großen Spasmacher, an einer tiefen Melancholie gelitten. v. Ladenberg, später Unterrichtsminister; wegen seiner energischen Faustschläge gefürchtet und von vielen gemieden. Sein Geruch war abstoßend. Franz Lieber, bekannt durch seine demagogischen Freiheitsbestrebungen, nannte sich später Liber. Seine kleine Schrift über B. G. Niebuhr, bei dem er einige Zeit als Hauslehrer lebte, zeigt, daß er einer ächten und schönen Pietät fähig war. Er lebt, so viel ich weiß, in Amerika. Schnaase, dessen Kunstgeschichte in unserer Litteratur Epoche macht, war mir dadurch merkwürdig, daß er schon in der Schule Fechtstunde nahm, und meine neugierigen Fragen über diese Kunst mit großer Geduld beantwortete. In einer etwas früheren Zeit hatte auch Ludwig Devrient die Hartungsche Schule besucht, und schon damals ein eminentes mimisches Talent gezeigt, von dem bei den Lehrern sich manche Tradition erhalten. Als achtjähriger Knabe sollte er beim öffentlichen Examen Lichtwers „Thier’ und Menschen schliefen feste“ deklamiren. Er mußte dies zu Hause einüben, und entwickelte dabei eine solche vis comica, daß seine Schwester Lotte gar nicht aus dem Lachen herauskam. Dies verdroß ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="88"/> ihn aber um nur eine Proberolle gebeten habe; wenn er nicht herausgerufen werde, so wolle er dem Theater entsagen. Aber er ward herausgerufen und blieb als Komiker eine Zierde der Bühne. So lange sein Vater lebte, hieß er der junge Gern, dann schlechtweg Gern, zuletzt ward er als der alte Gern noch immer gern gesehn. Er starb im Jahre 1861, nachdem er in der letzten Zeit, wie alle großen Spasmacher, an einer tiefen Melancholie gelitten. </p><lb/> <p>v. Ladenberg, später Unterrichtsminister; wegen seiner energischen Faustschläge gefürchtet und von vielen gemieden. Sein Geruch war abstoßend. </p><lb/> <p>Franz Lieber, bekannt durch seine demagogischen Freiheitsbestrebungen, nannte sich später Liber. Seine kleine Schrift über B. G. Niebuhr, bei dem er einige Zeit als Hauslehrer lebte, zeigt, daß er einer ächten und schönen Pietät fähig war. Er lebt, so viel ich weiß, in Amerika. </p><lb/> <p>Schnaase, dessen Kunstgeschichte in unserer Litteratur Epoche macht, war mir dadurch merkwürdig, daß er schon in der Schule Fechtstunde nahm, und meine neugierigen Fragen über diese Kunst mit großer Geduld beantwortete. </p><lb/> <p>In einer etwas früheren Zeit hatte auch Ludwig Devrient die Hartungsche Schule besucht, und schon damals ein eminentes mimisches Talent gezeigt, von dem bei den Lehrern sich manche Tradition erhalten. Als achtjähriger Knabe sollte er beim öffentlichen Examen Lichtwers „Thier’ und Menschen schliefen feste“<hi rendition="#sup"/> deklamiren. Er mußte dies zu Hause einüben, und entwickelte dabei eine solche vis comica, daß seine Schwester Lotte gar nicht aus dem Lachen herauskam. Dies verdroß ihn </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0100]
ihn aber um nur eine Proberolle gebeten habe; wenn er nicht herausgerufen werde, so wolle er dem Theater entsagen. Aber er ward herausgerufen und blieb als Komiker eine Zierde der Bühne. So lange sein Vater lebte, hieß er der junge Gern, dann schlechtweg Gern, zuletzt ward er als der alte Gern noch immer gern gesehn. Er starb im Jahre 1861, nachdem er in der letzten Zeit, wie alle großen Spasmacher, an einer tiefen Melancholie gelitten.
v. Ladenberg, später Unterrichtsminister; wegen seiner energischen Faustschläge gefürchtet und von vielen gemieden. Sein Geruch war abstoßend.
Franz Lieber, bekannt durch seine demagogischen Freiheitsbestrebungen, nannte sich später Liber. Seine kleine Schrift über B. G. Niebuhr, bei dem er einige Zeit als Hauslehrer lebte, zeigt, daß er einer ächten und schönen Pietät fähig war. Er lebt, so viel ich weiß, in Amerika.
Schnaase, dessen Kunstgeschichte in unserer Litteratur Epoche macht, war mir dadurch merkwürdig, daß er schon in der Schule Fechtstunde nahm, und meine neugierigen Fragen über diese Kunst mit großer Geduld beantwortete.
In einer etwas früheren Zeit hatte auch Ludwig Devrient die Hartungsche Schule besucht, und schon damals ein eminentes mimisches Talent gezeigt, von dem bei den Lehrern sich manche Tradition erhalten. Als achtjähriger Knabe sollte er beim öffentlichen Examen Lichtwers „Thier’ und Menschen schliefen feste“ deklamiren. Er mußte dies zu Hause einüben, und entwickelte dabei eine solche vis comica, daß seine Schwester Lotte gar nicht aus dem Lachen herauskam. Dies verdroß ihn
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