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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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wachsende Jugend nur zu oft sich zeigen. Seine Uebersetzung des Plautus wird immer mit Achtung genannt werden, wenngleich seitdem die Gewandtheit in der Handhabung der deutschen Sprache bedeutende Fortschritte gemacht hat. Die Plautinischen Versmaaße erklärte er nicht nur mit vieler Ausführlichkeit, sondern er machte auch Anwendungen davon auf die deutschen Dichterwerke. Ich erinnre mich eines Falles, der mir damals einiges Bedenken erregte. Bei der Besprechung des trochäischen Tetrameters führte er an, daß im 2., 4. und 6. Fuße gern ein Spondeus stehe, und daß man dies auch im Deutschen anwenden könne; es wäre daher vielleicht besser gewesen, meinte er, wenn der große Schiller den bekannten Vers in der Jungfrau von Orleans:

Frommer Stab, o hätt' ich nimmer mit dem Schwerte dich vertauscht!

folgendermaaßen gebaut hätte:

Frommer Stab, o hätt' ich niemals mit dem Mordstahl dich vertauscht!

Wollte mir anfangs scheinen, als hieße dies dem Dichter ins Handwerk greifen, so ist mir nachher klar geworden, daß diese gutgemeinte Aenderung, über die wir jetzt lächeln, im Sinne des Vortragenden ihre volle Berechtigung hatte. Köpkes Jugend reichte in die Zeit hinauf, wo Schiller auf den deutschen Bühnen seine schönsten Triumphe feierte, und wo seine unsterblichen Schöpfungen zum Miteigenthume der ganzen gleichaltrigen Generation wurden; warum sollte ein einzelner, in den antiken Versmaaßen bewanderter Verehrer es nicht wagen dürfen,

wachsende Jugend nur zu oft sich zeigen. Seine Uebersetzung des Plautus wird immer mit Achtung genannt werden, wenngleich seitdem die Gewandtheit in der Handhabung der deutschen Sprache bedeutende Fortschritte gemacht hat. Die Plautinischen Versmaaße erklärte er nicht nur mit vieler Ausführlichkeit, sondern er machte auch Anwendungen davon auf die deutschen Dichterwerke. Ich erinnre mich eines Falles, der mir damals einiges Bedenken erregte. Bei der Besprechung des trochäischen Tetrameters führte er an, daß im 2., 4. und 6. Fuße gern ein Spondeus stehe, und daß man dies auch im Deutschen anwenden könne; es wäre daher vielleicht besser gewesen, meinte er, wenn der große Schiller den bekannten Vers in der Jungfrau von Orléans:

Frommer Stab, o hätt’ ich nimmer mit dem Schwerte dich vertauscht!

folgendermaaßen gebaut hätte:

Frommer Stab, o hätt’ ich niemals mit dem Mordstahl dich vertauscht!

Wollte mir anfangs scheinen, als hieße dies dem Dichter ins Handwerk greifen, so ist mir nachher klar geworden, daß diese gutgemeinte Aenderung, über die wir jetzt lächeln, im Sinne des Vortragenden ihre volle Berechtigung hatte. Köpkes Jugend reichte in die Zeit hinauf, wo Schiller auf den deutschen Bühnen seine schönsten Triumphe feierte, und wo seine unsterblichen Schöpfungen zum Miteigenthume der ganzen gleichaltrigen Generation wurden; warum sollte ein einzelner, in den antiken Versmaaßen bewanderter Verehrer es nicht wagen dürfen,

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[174/0186] wachsende Jugend nur zu oft sich zeigen. Seine Uebersetzung des Plautus wird immer mit Achtung genannt werden, wenngleich seitdem die Gewandtheit in der Handhabung der deutschen Sprache bedeutende Fortschritte gemacht hat. Die Plautinischen Versmaaße erklärte er nicht nur mit vieler Ausführlichkeit, sondern er machte auch Anwendungen davon auf die deutschen Dichterwerke. Ich erinnre mich eines Falles, der mir damals einiges Bedenken erregte. Bei der Besprechung des trochäischen Tetrameters führte er an, daß im 2., 4. und 6. Fuße gern ein Spondeus stehe, und daß man dies auch im Deutschen anwenden könne; es wäre daher vielleicht besser gewesen, meinte er, wenn der große Schiller den bekannten Vers in der Jungfrau von Orléans: Frommer Stab, o hätt’ ich nimmer mit dem Schwerte dich vertauscht! folgendermaaßen gebaut hätte: Frommer Stab, o hätt’ ich niemals mit dem Mordstahl dich vertauscht! Wollte mir anfangs scheinen, als hieße dies dem Dichter ins Handwerk greifen, so ist mir nachher klar geworden, daß diese gutgemeinte Aenderung, über die wir jetzt lächeln, im Sinne des Vortragenden ihre volle Berechtigung hatte. Köpkes Jugend reichte in die Zeit hinauf, wo Schiller auf den deutschen Bühnen seine schönsten Triumphe feierte, und wo seine unsterblichen Schöpfungen zum Miteigenthume der ganzen gleichaltrigen Generation wurden; warum sollte ein einzelner, in den antiken Versmaaßen bewanderter Verehrer es nicht wagen dürfen,

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/186>, abgerufen am 26.11.2024.