Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

glück gehabt. Im Jahre 1809 trieb ihn die Vaterlandsliebe unter das Schillsche Freicorps. Bei dem letzten, verzweifelten Gefechte wurde er übel zugerichtet, stürzte mit dem Pferde, und entging nur durch ein Wunder dem Tode oder der Gefangenschaft. Nun will er sein Talent dem Theater widmen, und wenn er so fortfährt, kann es ihm nicht fehlen.

Am 6. Januar 1811, einem Sonntage, war der Grosvater beim Abendtische nicht so gesprächig als gewöhnlich, doch beschloß er, am folgenden Tage den Montagsklub zu besuchen. Dr. Kohlrausch war zugegen, und wußte durch seine belebte Rede die Pausen der Unterhaltung auszufüllen. Nach Tische saßen wir Kinder wie gewöhnlich über Campe's Reisebeschreibungen. Als der Grosvater sich zum Schlafengehn erheben wollte, sank er in das Sopha zurück. Mein Vater und Kohlrausch unterstützten ihn, er kam ohne Mühe auf die Beine, gab gute Nacht und ging nach seinem Zimmer, wobei Fritz mir wieder den Rang ablief, und ihm das Licht vortrug.

Am Montag früh sollte Friedrich den Grosvater wie immer um 8 Uhr wecken, da er ihn aber recht herzhaft schnarchen hörte, so dachte er: der Herr war gestern Abend nicht ganz wohl, du wirst ihn noch ein halb Stündchen schlafen lassen. Als aber nach einer halben Stunde das Schnarchen noch nicht aufhörte, vielmehr stärker wurde, so öffnete Friedrich die Gardinen des Himmelbettes, und sah nun wohl, daß ein Schlagfluß eingetreten sei. Was er für Schnarchen gehalten, war nur noch Todesröcheln.

Aerztliche Hülfe wurde sogleich herbeigerufen, doch ließ sich von vorn herein eine Wirkung der pflichtmäßig angewendeten Mittel bei dem 77jährigen Greise nicht mehr

glück gehabt. Im Jahre 1809 trieb ihn die Vaterlandsliebe unter das Schillsche Freicorps. Bei dem letzten, verzweifelten Gefechte wurde er übel zugerichtet, stürzte mit dem Pferde, und entging nur durch ein Wunder dem Tode oder der Gefangenschaft. Nun will er sein Talent dem Theater widmen, und wenn er so fortfährt, kann es ihm nicht fehlen.

Am 6. Januar 1811, einem Sonntage, war der Grosvater beim Abendtische nicht so gesprächig als gewöhnlich, doch beschloß er, am folgenden Tage den Montagsklub zu besuchen. Dr. Kohlrausch war zugegen, und wußte durch seine belebte Rede die Pausen der Unterhaltung auszufüllen. Nach Tische saßen wir Kinder wie gewöhnlich über Campe’s Reisebeschreibungen. Als der Grosvater sich zum Schlafengehn erheben wollte, sank er in das Sopha zurück. Mein Vater und Kohlrausch unterstützten ihn, er kam ohne Mühe auf die Beine, gab gute Nacht und ging nach seinem Zimmer, wobei Fritz mir wieder den Rang ablief, und ihm das Licht vortrug.

Am Montag früh sollte Friedrich den Grosvater wie immer um 8 Uhr wecken, da er ihn aber recht herzhaft schnarchen hörte, so dachte er: der Herr war gestern Abend nicht ganz wohl, du wirst ihn noch ein halb Stündchen schlafen lassen. Als aber nach einer halben Stunde das Schnarchen noch nicht aufhörte, vielmehr stärker wurde, so öffnete Friedrich die Gardinen des Himmelbettes, und sah nun wohl, daß ein Schlagfluß eingetreten sei. Was er für Schnarchen gehalten, war nur noch Todesröcheln.

Aerztliche Hülfe wurde sogleich herbeigerufen, doch ließ sich von vorn herein eine Wirkung der pflichtmäßig angewendeten Mittel bei dem 77jährigen Greise nicht mehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0161" n="149"/>
glück gehabt. Im Jahre 1809 trieb ihn die Vaterlandsliebe unter das Schillsche Freicorps. Bei dem letzten, verzweifelten Gefechte wurde er übel zugerichtet, stürzte mit dem Pferde, und entging nur durch ein Wunder dem Tode oder der Gefangenschaft. Nun will er sein Talent dem Theater widmen, und wenn er so fortfährt, kann es ihm nicht fehlen. </p><lb/>
          <p>Am 6. Januar 1811, einem Sonntage, war der Grosvater beim Abendtische nicht so gesprächig als gewöhnlich, doch beschloß er, am folgenden Tage den Montagsklub zu besuchen. Dr. Kohlrausch war zugegen, und wußte durch seine belebte Rede die Pausen der Unterhaltung auszufüllen. Nach Tische saßen wir Kinder wie gewöhnlich über Campe&#x2019;s Reisebeschreibungen. Als der Grosvater sich zum Schlafengehn erheben wollte, sank er in das Sopha zurück. Mein Vater und Kohlrausch unterstützten ihn, er kam ohne Mühe auf die Beine, gab gute Nacht und ging nach seinem Zimmer, wobei Fritz mir wieder den Rang ablief, und ihm das Licht vortrug. </p><lb/>
          <p>Am Montag früh sollte Friedrich den Grosvater wie immer um 8 Uhr wecken, da er ihn aber recht herzhaft schnarchen hörte, so dachte er: der Herr war gestern Abend nicht ganz wohl, du wirst ihn noch ein halb Stündchen schlafen lassen. Als aber nach einer halben Stunde das Schnarchen noch nicht aufhörte, vielmehr stärker wurde, so öffnete Friedrich die Gardinen des Himmelbettes, und sah nun wohl, daß ein Schlagfluß eingetreten sei. Was er für Schnarchen gehalten, war nur noch Todesröcheln. </p><lb/>
          <p>Aerztliche Hülfe wurde sogleich herbeigerufen, doch ließ sich von vorn herein eine Wirkung der pflichtmäßig angewendeten Mittel bei dem 77jährigen Greise nicht mehr
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0161] glück gehabt. Im Jahre 1809 trieb ihn die Vaterlandsliebe unter das Schillsche Freicorps. Bei dem letzten, verzweifelten Gefechte wurde er übel zugerichtet, stürzte mit dem Pferde, und entging nur durch ein Wunder dem Tode oder der Gefangenschaft. Nun will er sein Talent dem Theater widmen, und wenn er so fortfährt, kann es ihm nicht fehlen. Am 6. Januar 1811, einem Sonntage, war der Grosvater beim Abendtische nicht so gesprächig als gewöhnlich, doch beschloß er, am folgenden Tage den Montagsklub zu besuchen. Dr. Kohlrausch war zugegen, und wußte durch seine belebte Rede die Pausen der Unterhaltung auszufüllen. Nach Tische saßen wir Kinder wie gewöhnlich über Campe’s Reisebeschreibungen. Als der Grosvater sich zum Schlafengehn erheben wollte, sank er in das Sopha zurück. Mein Vater und Kohlrausch unterstützten ihn, er kam ohne Mühe auf die Beine, gab gute Nacht und ging nach seinem Zimmer, wobei Fritz mir wieder den Rang ablief, und ihm das Licht vortrug. Am Montag früh sollte Friedrich den Grosvater wie immer um 8 Uhr wecken, da er ihn aber recht herzhaft schnarchen hörte, so dachte er: der Herr war gestern Abend nicht ganz wohl, du wirst ihn noch ein halb Stündchen schlafen lassen. Als aber nach einer halben Stunde das Schnarchen noch nicht aufhörte, vielmehr stärker wurde, so öffnete Friedrich die Gardinen des Himmelbettes, und sah nun wohl, daß ein Schlagfluß eingetreten sei. Was er für Schnarchen gehalten, war nur noch Todesröcheln. Aerztliche Hülfe wurde sogleich herbeigerufen, doch ließ sich von vorn herein eine Wirkung der pflichtmäßig angewendeten Mittel bei dem 77jährigen Greise nicht mehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/161
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/161>, abgerufen am 28.11.2024.