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Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.

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Rücksicht nehmen: kurz, alles von dem Lockschu bis auf die Unterrichtsmethode ist im Cheder danach eingerichtet, die Kinder zu demoralisieren und zu verdummen, und es ist nur ein Beweis der großen Lebensfähigkeit des jüdischen Volkes, daß aus dem Cheder doch oft sehr intelligente und begabte Menschen kamen. Den Cheder aber als eine religiöse Institution darzustellen, die deshalb geheiligt werden muß, heißt das Wesen der jüdischen Religion verspotten. Die Art der Bekämpfung der Cheders ergibt sich, wenn man die dreierlei Funktionen ins Auge faßt, denen der Cheder in der Regel dient.

Einmal tritt er an die Stelle der Volksschule, dort wo die Eltern aus religiösen Gründen ihre Söhne nicht in die allgemeine Volksschule schicken wollen; zweitens dient er der Erhaltung des hebräischen Wissens; drittens und oft vornehmlich scheint er als ein geeigneter Ort betrachtet zu werden, die Kinder aufzubewahren, während die Mütter dem Erwerb nachgehen. Die erste Funktion wird dem Cheder durch die Baron Hirsch-Stiftung entzogen, die in ihren Schulen gegenwärtig 9634 Knaben unterrichtet. Es ist nur zu bedauern, daß die Stiftung nur 50 solcher Schulen zu erhalten im stande ist.

Leider ist es nicht zu erwarten, daß eine derartige Institution noch einmal in Galizien ins Werk treten wird: es steht aber fest, daß mindestens noch 50 Schulen von jüdischen Knaben besucht werden könnten, woraus eine beträchtliche Konkurrenz für die Cheders entstehen würde.

Die Baron Hirsch-Schulen übernehmen auch die zweite Funktion des Cheders, nämlich die Erteilung des hebräischen Unterrichts: jedoch genügt derselbe den Ansprüchen der jüdischen Bevölkerung Galiziens nur zum Teil. Eine Institution, die dem Cheder auch diese Funktion rauben könnte, ist der sogenannte Muster- oder Reformcheder. Der Muster- oder Reformcheder stellt sich zur Aufgabe, den Unterricht der im Cheder durchgenommenen Gegenstände zu vereinigen, 1. mit der Erfüllung der Forderung der modernen Schulhygiene, 2. mit einem systematisch geregelten Unterricht, 3. mit dem Unterricht im hebräischen Schreiben, event. im Schreiben und Lesen der Umgangssprache, 4. mit Sing- und event. Turnunterricht, 5. mit der Verminderung der Schulzeit auf die üblichen Schulstunden, die durch Pausen unterbrochen werden.

Rücksicht nehmen: kurz, alles von dem Lockschu bis auf die Unterrichtsmethode ist im Cheder danach eingerichtet, die Kinder zu demoralisieren und zu verdummen, und es ist nur ein Beweis der großen Lebensfähigkeit des jüdischen Volkes, daß aus dem Cheder doch oft sehr intelligente und begabte Menschen kamen. Den Cheder aber als eine religiöse Institution darzustellen, die deshalb geheiligt werden muß, heißt das Wesen der jüdischen Religion verspotten. Die Art der Bekämpfung der Cheders ergibt sich, wenn man die dreierlei Funktionen ins Auge faßt, denen der Cheder in der Regel dient.

Einmal tritt er an die Stelle der Volksschule, dort wo die Eltern aus religiösen Gründen ihre Söhne nicht in die allgemeine Volksschule schicken wollen; zweitens dient er der Erhaltung des hebräischen Wissens; drittens und oft vornehmlich scheint er als ein geeigneter Ort betrachtet zu werden, die Kinder aufzubewahren, während die Mütter dem Erwerb nachgehen. Die erste Funktion wird dem Cheder durch die Baron Hirsch-Stiftung entzogen, die in ihren Schulen gegenwärtig 9634 Knaben unterrichtet. Es ist nur zu bedauern, daß die Stiftung nur 50 solcher Schulen zu erhalten im stande ist.

Leider ist es nicht zu erwarten, daß eine derartige Institution noch einmal in Galizien ins Werk treten wird: es steht aber fest, daß mindestens noch 50 Schulen von jüdischen Knaben besucht werden könnten, woraus eine beträchtliche Konkurrenz für die Cheders entstehen würde.

Die Baron Hirsch-Schulen übernehmen auch die zweite Funktion des Cheders, nämlich die Erteilung des hebräischen Unterrichts: jedoch genügt derselbe den Ansprüchen der jüdischen Bevölkerung Galiziens nur zum Teil. Eine Institution, die dem Cheder auch diese Funktion rauben könnte, ist der sogenannte Muster- oder Reformcheder. Der Muster- oder Reformcheder stellt sich zur Aufgabe, den Unterricht der im Cheder durchgenommenen Gegenstände zu vereinigen, 1. mit der Erfüllung der Forderung der modernen Schulhygiene, 2. mit einem systematisch geregelten Unterricht, 3. mit dem Unterricht im hebräischen Schreiben, event. im Schreiben und Lesen der Umgangssprache, 4. mit Sing- und event. Turnunterricht, 5. mit der Verminderung der Schulzeit auf die üblichen Schulstunden, die durch Pausen unterbrochen werden.

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Rücksicht nehmen: kurz, alles von dem Lockschu bis auf die Unterrichtsmethode ist im Cheder danach eingerichtet, die Kinder zu demoralisieren und zu verdummen, und es ist nur ein Beweis der großen Lebensfähigkeit des jüdischen Volkes, daß aus dem Cheder doch oft sehr intelligente und begabte Menschen kamen. Den Cheder aber als eine religiöse Institution darzustellen, die deshalb geheiligt werden muß, heißt das Wesen der jüdischen Religion verspotten. Die Art der Bekämpfung der Cheders ergibt sich, wenn man die dreierlei Funktionen ins Auge faßt, denen der Cheder in der Regel dient.</p>
        <p>Einmal tritt er an die Stelle der Volksschule, dort wo die Eltern aus religiösen Gründen ihre Söhne nicht in die allgemeine Volksschule schicken wollen; zweitens dient er der Erhaltung des hebräischen Wissens; drittens und oft vornehmlich scheint er als ein geeigneter Ort betrachtet zu werden, die Kinder aufzubewahren, während die Mütter dem Erwerb nachgehen. Die erste Funktion wird dem Cheder durch die Baron Hirsch-Stiftung entzogen, die in ihren Schulen gegenwärtig 9634 Knaben unterrichtet. Es ist nur zu bedauern, daß die Stiftung nur 50 solcher Schulen zu erhalten im stande ist.</p>
        <p>Leider ist es nicht zu erwarten, daß eine derartige Institution noch einmal in Galizien ins Werk treten wird: es steht aber fest, daß mindestens noch 50 Schulen von jüdischen Knaben besucht werden könnten, woraus eine beträchtliche Konkurrenz für die Cheders entstehen würde.</p>
        <p>Die Baron Hirsch-Schulen übernehmen auch die zweite Funktion des Cheders, nämlich die Erteilung des hebräischen Unterrichts: jedoch genügt derselbe den Ansprüchen der jüdischen Bevölkerung Galiziens nur zum Teil. Eine Institution, die dem Cheder auch diese Funktion rauben könnte, ist der sogenannte Muster- oder Reformcheder. Der Muster- oder Reformcheder stellt sich zur Aufgabe, den Unterricht der im Cheder durchgenommenen Gegenstände zu vereinigen, 1. mit der Erfüllung der Forderung der modernen Schulhygiene, 2. mit einem systematisch geregelten Unterricht, 3. mit dem Unterricht im hebräischen Schreiben, event. im Schreiben und Lesen der Umgangssprache, 4. mit Sing- und event. Turnunterricht, 5. mit der Verminderung der Schulzeit auf die üblichen Schulstunden, die durch Pausen unterbrochen werden.
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[86/0086] Rücksicht nehmen: kurz, alles von dem Lockschu bis auf die Unterrichtsmethode ist im Cheder danach eingerichtet, die Kinder zu demoralisieren und zu verdummen, und es ist nur ein Beweis der großen Lebensfähigkeit des jüdischen Volkes, daß aus dem Cheder doch oft sehr intelligente und begabte Menschen kamen. Den Cheder aber als eine religiöse Institution darzustellen, die deshalb geheiligt werden muß, heißt das Wesen der jüdischen Religion verspotten. Die Art der Bekämpfung der Cheders ergibt sich, wenn man die dreierlei Funktionen ins Auge faßt, denen der Cheder in der Regel dient. Einmal tritt er an die Stelle der Volksschule, dort wo die Eltern aus religiösen Gründen ihre Söhne nicht in die allgemeine Volksschule schicken wollen; zweitens dient er der Erhaltung des hebräischen Wissens; drittens und oft vornehmlich scheint er als ein geeigneter Ort betrachtet zu werden, die Kinder aufzubewahren, während die Mütter dem Erwerb nachgehen. Die erste Funktion wird dem Cheder durch die Baron Hirsch-Stiftung entzogen, die in ihren Schulen gegenwärtig 9634 Knaben unterrichtet. Es ist nur zu bedauern, daß die Stiftung nur 50 solcher Schulen zu erhalten im stande ist. Leider ist es nicht zu erwarten, daß eine derartige Institution noch einmal in Galizien ins Werk treten wird: es steht aber fest, daß mindestens noch 50 Schulen von jüdischen Knaben besucht werden könnten, woraus eine beträchtliche Konkurrenz für die Cheders entstehen würde. Die Baron Hirsch-Schulen übernehmen auch die zweite Funktion des Cheders, nämlich die Erteilung des hebräischen Unterrichts: jedoch genügt derselbe den Ansprüchen der jüdischen Bevölkerung Galiziens nur zum Teil. Eine Institution, die dem Cheder auch diese Funktion rauben könnte, ist der sogenannte Muster- oder Reformcheder. Der Muster- oder Reformcheder stellt sich zur Aufgabe, den Unterricht der im Cheder durchgenommenen Gegenstände zu vereinigen, 1. mit der Erfüllung der Forderung der modernen Schulhygiene, 2. mit einem systematisch geregelten Unterricht, 3. mit dem Unterricht im hebräischen Schreiben, event. im Schreiben und Lesen der Umgangssprache, 4. mit Sing- und event. Turnunterricht, 5. mit der Verminderung der Schulzeit auf die üblichen Schulstunden, die durch Pausen unterbrochen werden.

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Zitationshilfe: Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pappenheim_galizien_1904/86>, abgerufen am 24.11.2024.